Sehnsucht nach 2017.

Die guten alten Zeiten von später sind jetzt. Sollten die Klimaforscher Recht behalten, könnte dieser Spruch von Sir Peter Ustinov noch in diesem Jahrhundert realer werden als wir uns vorstellen mögen. Ein Science-Fiction-Film aus Dänemark erschafft auf dieser Grundlage eine Dystopie des Planeten nach dem ökologischen Kollaps im Jahr 2095. Die meisten Pflanzen und Tiere sind ausgestorben, der Schauplatz Kopenhagen ist von Salzwasser und Gewalt überflutet. Das größte Problem ist eine extreme Knappheit von Wasser, das zur neuen Zahlungswährung geworden ist.

QEDA Plakatmotiv Der Held des Films heißt Fang Rung und erinnert in seiner fast unnahbaren Ernsthaftigkeit an den 2017er BLADE RUNNER. Er begibt sich auf Zeitreise ins Jahr 2017, um Forschungen zur Gewinnung von Süßwasser in die Zukunft zu retten. Für die Zeitreise nutzt er die Technik molekularer Spaltung, mit der er sich verdoppelt (bzw. „halbiert“), er wird zum „Qeda“. Der zurück gebliebene Fang Rung hält telepathisch Kontakt mit seinem Alter Ego, der sich aber in der Vergangenheit in die saubere Luft, den Geschmack von Äpfeln und auch ein bisschen in die Süßwasser-Forscherin Mona verliebt, die Vorfahrin seiner Frau. Als der Kontakt abreißt, folgt ihm der zurück gebliebene Doppelgänger, um ihn zurück zu holen. Er weiß, dass dort jede kleine Veränderung sich verheerend auf die Zukunft auswirken kann…

Er habe etwas Anderes machen wollen als das übliche dänische Sozialdrama, „etwas, was man nicht sieht, wenn man aus dem Fenster schaut“, sagte Regisseur Max Kestner bei der Weltpremiere des Films in Lübeck in einer Video-Botschaft. Er nannte den Film „eine Fairy Tale ohne Feen, einen Science Fiction ohne zu viel Science“. Wie bei vielen Science-Fiction-Filmen ist das richtige Maß der Zutat „Science“ auch bei QEDA der wichtigste Stolperstein. Die Geschichte ist gewagt und für einen Film von weniger als 90 Minuten viel zu komplex. Die Idee, den Helden via Doppelgänger durch eine Art Wurmloch im Meer reisen zu lassen, ist ein poetischer Kunstgriff, der ein paar starke Bilder zum Film beisteuert. Aber er fügt dem ohnehin überkomplexen Tableau die Doppelgänger-Thematik hinzu und greift sie erzählerisch nur im Ansatz auf. Viele Themenstränge, von denen man gern mehr gewusst hätte, bleiben auf der Strecke: Die soziale und wirtschaftliche Struktur im düsteren Zukunfts-Kopenhagen etwa oder die Ursachen der Wasserknappheit, die Familiengeschichte des Helden und seine Charakterzeichnung. All das wird angerissen und dann doch nicht in den Plot integriert, und die Exposition der Geschichte ist so überbordet, dass sie am Ende vor allem verwirrt. Dem Film fehlt das erzählerische Zentrum.

Qeda2_NordFilmtage Trotz des schwachen Drehbuchs war dieser wahrscheinlich erste groß inszenierte skandinavische Science-Fiction-Film einer der besten der Nordischen Filmtage. Schwächen in der Geschichte sind für mich eigentlich etwas, das ich Filmen am wenigsten verzeihen kann. Aber QEDA gleicht vieles aus durch die Intensität der Welten, die er erschafft. Er arbeitet mit starken, bewegenden Bildern, die sich festhaken und ein tiefes Unbehagen hinterlassen. Die Bilder der verwitterten Kanäle in den Straßenzügen einer der schönsten Städte Europas wirken lange nach. Darüber legen sich die mahnenden Worte der Wissenschaftlerin Mona an ihre Studenten: „Genießt jeden Tag. Euch stehen sehr viel schlimmere Zeiten bevor als diese.“ Mona stirbt kurz darauf, als ihr Flieger nach Toronto abstürzt. Dort wollte sie Geldgeber für die Gewinnung von Süßwasser aus Krill suchen, in Dänemark waren ihr die Forschungsgelder gestrichen worden. Parallelen zur Prioritätensetzung in der aktuellen Umweltpolitik sind nicht ausgeschlossen.

QUEDA läuft seit 16. November in Dänemark.

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Qeda, Dänemark 2017 | Regie: Max Kestner | Drehbuch: Dunja Gry Jensen | Kamera: Rasmus Videbæk | Musik: Vladislav Delay, Jonas Struck | Mit: Carsten Bjørnlund, Sofia Helin, Marijana Jankovic, u.a., | Laufzeit: 84 Min.