Auf einen Proteinshake mit Roger Corman.

Was waren das für Zeiten: 1982, als BLADE RUNNER die Science Fiction revolutionierte, der ‚Trek zu den Sternen‘ mit DER ZORN DES KHAN noch mal richtig durchstartete und Steven Spielberg mit E.T. den wohl knuffigsten Familienaußerirdischen dieser Dekade kreierte, saß Roger Corman in Los Angeles und überlegte, an welcher ‚Ecke‘ der aktuellen Filmtrends er mit seiner New World Pictures knabbern konnte. Weltraum war große Mode – wieder einmal in der Filmgeschichte – und Ridley Scott hatte mit ALIEN (1979) den Horrorfilm um eine interessante Monsterkomponente erweitert. Warum also nicht alles zusammen in ein Drehbuch gepackt, ordentlich B-Film-Charme dazu, alles eine ganze Spur schmaler, dreckiger und geschmackloser? Gesagt, getan – und mit MUTANT nicht weniger als eines der unverhohlensten, ideenreichsten und genialsten ALIEN-Rip-Offs gefertigt, dass die Welt je gesehen hat.

Mutant_Poster Irgendwo im Weltraum. Commander Colby (Jesse Vint), von seinem treuen Roboterfreund Sam (Don Olivera) frisch aus dem Kryoschlaf geholt, plätten ein paar andere Raumschiffe und folgen schleunigst einem Notsignal zum Planeten Xarbia. Auf der dortigen Forschungsstation ist eines von Dr. Hausers (Linden Chiles) Genexperimenten deftig aus dem Ruder gelaufen, denn bei dem Versuch menschliche DNS mit Erbmasse außerirdischer Lebensformen zu kreuzen entstand ein Kokon, dem eine fleischfressende und die Mitglieder des Forschungsteams dezimierende Kreatur entsteigt. Der selbst schon mit Bruder Hein auf Du-und-Du stehende Dr. Timbergen (Fox Harris) findet überdies heraus, dass sich der Mutant der Menschenkörper bedient um sie in Proteine aufzuspalten und sich somit seine Nahrung unter den Stationsbewohnern zu suchen. Während der Mutant einen Wissenschaftler nach dem anderen in die makrobiotischen Einzelteile zerlegt, setzen Colby, Timbergen und die straffe Tracy (Dawn Dunlap) alles daran, das Ungetüm aufzuhalten – die Glocken klingeln zur finalen Abrechnung mit dem Grauen im All.

Als hätte das rührige Anolis-Label den Fans nicht schon manchen Traum erfüllt, setzt das Label nun mit der Reihe „Phantastische Filmklassiker“ eine weitere Wegmarke. Die Eröffnung des Kapitels „Die 80er“ bildet MUTANT – DAS GRAUEN IM ALL. Nichts für zarte Gemüter, nichts für Rosamunde-Pilcher-Fans – für Freunde des abseitigen FIlmguts mit klarem Bekenntnis zum ‚cash as cash can‘ jedoch ein großes Fest zum kleinen Preis. Regisseur Allan Holzman, der hernach gemeinsam mit Martin Nicholson auch den Filmschnitt besorgte, kam ursprünglich mit einem LAWRENCE VON ARABIEN (1962) in den Weltraum verschiffenden Skript zu Corman. Dieser, stets preisbewusst, bog das Thema recht schnell ab, überließ Holzman aber den Regiestuhl bei MUTANT – DAS GRAUEN IM ALL und drehte ideenmäßig das große Rad. Sparsam und effizient ließ es Corman übrigens auch beim Produktionsvolumen angehen: die Weltraumschlachten recycelte er aus seinem zwei Jahre zuvor gedrehten SADOR – HERRSCHER IM WELTRAUM (1980), ein Großteil der Kulissen stand noch von PLANET DES SCHRECKENS (1981) parat.

Mutant_2 Die Alienmaskerade, intelligent gemacht und von Kameramann Tim Shurstedt gekonnt in Bilder gefasst, fabrizierte John Carl Buechler, der es sich auch nicht nehmen ließ, das halbe Set mit glibberiger Götterspeise auszulegen, um so dem ganzen Unternehmen auch optischen Pepp mit auf den Weg ins Autokino mitzugeben. Interessant auch die musikalische Untermalung der Komponistin Susan Justin, die neben elektronischen Einsprengseln einen vorwiegend streicherlastigen Score mit kräftigen Spannungsbögen kredenzt, nicht ohne jedoch den Film ganz klar in den synthesizergeprägten 80ern zu verorten. Faszinierende Akustikbrecher liefert außerdem der Blaster Beam von Craig Huxley, spätestens seit STAR TREK – DER FILM (1979) schwer kultverdächtig und ein gern gebuchter Instrumentalist in dieser Zeit.

Die deutsche Synchro besorgte Hartmut Neugebauer in München, wobei er neben Eddie-Murphy-Sprecher Randolf Kronberg auch Alexander Allerson und Jochen Striebeck ins Studio bat – dass ein gewisser Christian Tramitz, der hier den bemitleidenswerten Michael Bowen spricht, mit der BULLYPARADE zum Star würde, stand damals noch nicht mal in den Sternen. Der Nobis-Verleih schließlich legte noch ganz eigene Kreativität an den Tag, flanschte er doch die komplette Weltraumschlacht vom Beginn des Filmes nochmals ans Ende und generierte so eine fatalistische ‚It’ll never end‘-Attitüde im Geiste von Umberto Lenzis GROSSANGRIFF DER ZOMBIES (1981). Böse Zungen könnten meinen, der Film wäre schlicht zu kurz gewesen, aber das sind hässliche Unterstellungen und darauf stehen vierzehn Tage Survival Training auf Xarbia.

Mutant_1 Was das Bonusmaterial anbelangt, setzt die neue Reihe aus dem Hause der Anoliten auf Qualität. Der Audiokommentar der launigen Genreexperten Ingo Strecker und Pelle Felsch offenbart viele Fakten zur Produktion, garniert mit bisweilen hemdsärmeligem Charme vorgetragen. Ein Making Of mit vielen Interviewpartnern gibt Einblicke in die Corman-Werkstatt jener Jahre, wobei sich weitere Featurettes über die Spezialeffekte und Corman selbst anschließen. Der deutsche und amerikanische Kinotrailer sind natürlich genauso obligat wie Werberatschlag und Bildergalerien. Ganz besonders ehrenwert ist der Director’s Cut, der mit einem Audiokommentar des Regisseurs auf einer separaten DVD enthalten ist und die Intentionen Holzmans klarer erkennen lässt, als es die von Corman marktgerecht geschnittene Version vermag. Abgerundet wird das satte Überlebenspaket von einem zwanzigseitigen Booklet Ingo Streckers mit Infos über Cormans Karriere und den Film, Plakatabbildungen und dem deutschen Aushangfotosatz.

Wer schon Ridley Scotts Original mochte, wird Roger Cormans Zweitoriginal erst recht zu schätzen wissen. Ein ganz bunter, derber, feister Strauß voller Mondblumen, reich an Plagiats-Vitaminen, Potenz-Proteinen und Spuren von guten-Geschmacks-Elementen. Im Ganzen also schwer empfehlenswert.

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Forbidden World / Mutant, USA 1982, R: Allan Holzman, D: Jesse Vint, Dawn Dunlap, June Chadwick, Linden Chiles, Fox Harris, Michael Bowen

Anbieter: Anolis Entertainment

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