Das ins Belangslose und Langweilige abgedriftete Genre des Actionfilms erfährt in Jaume Collet-Serras dritter Zusammenarbeit mit Liam Neeson eine angenehme Belebung. Statt, dass die Welt durch eine superpotente Terrorbande an den Rand des Abgrunds gebracht wird, beginnt der Film hier mit einem Schuss Hitchcockschem Suspense. Mit einem Spiel zwischen Spass und Ernst wie in STRANGERS ON A TRAIN (1951).
Michael, der mit seiner Familie seit der Finanzkrise 2008 ungerechterweise nicht auf den besten Beinen steht, ist hin und hergerissen, checkt aber natürlich das Geld auf der Toilette, nimmt es an sich – und hat sich damit natürlich dem Ernst des Spiels verpflichtet. Er merkt bei Fuss, dass es kein Zurück mehr gibt. Er wird bedroht, seine Familie wird bedroht, und das moralische Dilemma verliert seine Relevanz schnell einmal ob der Zwänge, welche die immer irrer werdende Zugfahrt mit sich bringt. Es gibt eine Reihe von gegen 10 Menschen, die analysiert und beurteilt werden müssen. Ein buntes Sammelsurium der New Yorker Bevölkerung: die puertoricanische Krankenschwester, der arrogante Investementbanker, der aggressive Rocker, der biedere Angestellte, usw..
Wer bereits Collet-Serras und Neesons gemeinsamen NON STOP (2014) gesehen hat, sieht natürlich die unzähligen Parallelen zwischen dem Flugzeug- und dem Pendlerzugfilm. Der allwissende Verbrecher am Smartphone, das beschränkte Set an möglichen Tätern, die zweistufige Eskalationsstrategie des Bösewichts (erst einzelne Menschen ermorden, dann das ganze Flugzeug bzw. Zug zerstören). Trotzdem ist THE COMMUTER eher eine sanfte Weiterentwicklung: Mit dem verführerischen Charakter des „Ich schlage ihnen ein Spiel vor“ spielt MacCauleys moralisches Dilemma plötzlich eine präsentere Rolle. Er ist nicht mehr nur Opfer. Und indem Collet-Serra die möglichen Verdächtigen viel präziser porträtiert, fühlen wir uns in der Darstellung der Pendlergruppe beinahe ein wenig wie in die Hitchcocksche Präsentation der Nachbarn in REAR WINDOW (1954) versetzt. Gleichzeitig wird mit diesem Querschnitt der New Yorker Bevölkerung das „politische“ Hintergrundthema (Gewinner und Verlierer der Finanzkrise) verdeutlicht. Die psychologische Tiefe tut dem Actionfilm gut, würde Actionfilmen im Allgemeinen beim Spannungsaufbau helfen.
___________________________________________________________
The Commuter, USA / UK / Frankreich 2018 | Regie: Jaume Collet-Serra | Drehbuch: Byron Willinger, Philip de Blasi, Ryan Eagle | Darsteller: Liam Neeson, Vera Farmiga, Patrick Wilson, Johathan Banks, Sam Neill, Elizabeth McGovern u.a. | Laufzeit: 104 min.