Schauspieler Dick Miller hat die Entwicklung Hollywoods über mehr als ein halbes Jahrhundert miterlebt, wandelte sich in Cormans BUCKET OF BLOOD zum mordenden Künstlergenie, wurde in TERMINATOR im Waffenladen von Schwarzenegger erschossen, spielte als Clubbesitzer in Scorseses NEW YORK, NEW YORK auch mal ebenbürtig neben De Niro und gab den GREMLINS in Joe Dantes Meisterwerk ihren Namen. Der mittlerweile 89-jährige hat in seinem Leben in mehr als hundert Filmen mitgewirkt, damit mehrere Generationen von Filmfans erreicht, und ist fast zum Inventar des Genrekinos geworden, ohne allzu große Bekanntheit über einen Kreis Eingeweihter hinaus zu erlangen – außer eben, dass einem das Gesicht irgendwie bekannt vorkommt und sich unmittelbar ein Gefühl der Vertrautheit breit macht, wenn man ihn in einem Film erblickt.
Das deutsche Filmlabel Subkultur Entertainment hat sich in den vergangenen Jahren mit der qualitativ herausragenden Veröffentlichung vernachlässigter Genreperlen einen Namen gemacht. In der Grindhouse Collection huldigte man den Niederungen menschlicher Triebe. Mit der Edition Deutsche Vita – neben dem großartigen BLUTIGER FREITAG erschien zuletzt auch Christian Anders Heuler DIE BRUT DES BÖSEN – arbeitete man gegen das Vergessen unterschätzter deutscher Klassiker. Im Rahmen der Vorbereitungen zur Veröffentlichung von Roger Cormans WAR OF THE SATELLITES hatte man eine dreißigminütige Dokumentation über den Schauspieler Dick Miller in Auftrag gegeben. Dabei war jedoch derartig viel Material angefallen, dass man erwog, daraus eine abendfüllende Dokumentation zu machen. Während WAR OF THE SATELLITES dann Jahre später bei Anolis herauskam, gelang es über die Crowdfunding Plattform Kickstarter schließlich, genug finanzielle Mittel einzusammeln. Die überaus würdige Langfassung wurde mit einer Vielzahl von Interviews mit Genregrößen aus dem Umfeld Millers angereichert und macht so eine umfassende Betrachtung von Millers Leben, Arbeitsweise und Oeuvre möglich. Herausgekommen ist eine ausgesprochen kurzweilige Dokumentation über einen der bekanntesten unbekannten Nebendarsteller Hollywoods, die den Schauspieler ins lang verdiente Rampenlicht rückt und seinem Werk ein adäquates Denkmal setzt. THAT GUY DICK MILER entpuppt sich nicht nur als grundsympathischer nostalgischer Trip in eine vergangene Ära Hollywoods sondern liefert ganz nebenbei auch eine Reise in die eigene Geschichte des Rezensenten und vieler Filmfans verschiedenster Generationen. Das augenöffnende an THAT GUY ist, dass man sich bewusst wird, in wie vielen Genreperlen man Dick Miller gesehen hat. AFTER HOURS, NIGHT OF THE CREEPS, DEMON KNIGHT sind nur einige Titel, die auch markante Punkte in der eigenen Filmrezeptionsgeschichte markieren.
Nach einer längeren Exposition, die die Bedeutung Millers in der Filmgeschichte – und letztendlich den Grund für die Existenz des Films – aufzeigt, folgt der Film chronologisch dem Werdegang Millers, der sich zunächst als Drehbuchautor in Hollywood zu profilieren suchte, mit seiner ersten kleinen Rolle als Indianer in Roger Cormans APACHE WOMAN jedoch bald zum Kernteam des produktiven Regisseurs gehörte und als Walter Paisley in A BUCKET OF BLOOD eine seiner raren Hauptrolle spielte. Neben dem Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit Corman widmet sich THAT GUY auch ausführlich seinem zweiten Stammregisseur Joe Dante, der Miller in fast jedem seiner Filme einsetzte. Bei einem derartig großen Werkkatalog ist die Auswahl der vorgestellten Filme zwangsläufig subjektiv, und so manches Mal hätte man sich gewünscht, THAT GUY würde ein wenig sein rasantes Tempo reduzieren, den ein und anderen Film etwas ausführlicher beleuchten und Dick all die Anekdoten erzählen lassen, die er während der vielen Dreharbeiten erlebte, und die nur ab und zu einmal kurz aufblitzen. Dann wäre man aber wohl beim Format einer Fernsehserie geendet.
Auf einen Off-Sprecher wird in THAT GUY verzichtet. Alle Kommentare kommen von Interviewpartnern, die so aus vielen kleinen Mosaiksteinchen, angereichert um viele Filmausschnitte, ein komplexes Bild von Millers Leben und Werk entstehen lassen. Dabei wird neben den wichtigsten Filmen in den Augen ihrer Regisseure wie Roger Corman und Joe Dante auch deren kulturelle Bedeutung über Aussagen von Filmkritikern und Autoren vorgestellt. Auch das Privatleben wird nicht ausgespart und von Millers Brüdern wie auch von Miller selbst und seiner Frau Lainie ironisch beleuchtet, die dem geneigten Zuschauer zusätzlich einen Blick in ihr privates Heim gewähren.
Wie viele andere Subkultur Veröffentlichungen kommt die hervorragend umgesetzte Blur-ay/DVD-Combo mit einer Vielzahl netter Extras: Outtakes mit weiteren Anekdoten, private Super-8-Filme Millers, ein langes Q&A von der Premiere des Films und der Trailer. Der Ton ist Englisch 5.1 oder 2.0; die deutschen oder englischen Untertitel sind zuschaltbar.
That Guy Dick Miller
USA 2014
R: Elijah Drenner
D: Dick & Lainie Miller, Joe Dante, Roger Corman, Gene & Bill Miller, Mark Goldblatt, Robert Forster, Jack Hill u.a.