Von David McAllan
Hey, endlich wieder eine „wahre“ Geschichte (bitte jetzt lachen)! Die australischen Spierig-Zwillinge nehmen sich mit einer Top-Besetzung die Legende von Kaliforniens bekanntestem Spukhaus vor, dem Winchester-Haus in San José, bestätigen damit aber nicht die gute Form, die sie mit dem Zeitreise-Thriller PREDESTINATION zeigten, sondern nur die Genremittelmäßigkeit ihres DAYBREAKERS sowie dem jüngst im Oktober angelaufenen JIGSAW.
WINCHESTER verfolgt eine viel versprechende Idee: Die Witwe des Gewehrmagnaten (unterfordert: die für THE QUEEN oscarprämierte Helen Mirren) lässt anno 1906 in ihrem labyrinthischen Anwesen von der Dimension eines Städtchens unentwegt neue Zimmer errichten – Magnete für die Seelen der durch das Repetiergewehr Getöteten. Den Groll dieser ruhelosen Geister besänftigt sie, indem sie diese inbrünstig um Vergebung anfleht, damit sie in Frieden ziehen. Das könnte ein bewegendes Pazifismus-Pamphlet ausloten, wenn man a) das sumpfige Script überarbeitet und b) die Regie mehr Sorgfalt bewiesen hätte.
Nur eine Ahnung von THE 6TH SENSE und THE OTHERS schleicht sich ein, denn die Spierig-Brothers ruinieren ihre American Gothic mit inflationären Spukeffekten, durch die sich jede Spannung verflüchtigt. Sarah Snook (JESSABELLE) setzt als unterkühlte Hausdame ein paar Akzente, während Jason Clarke (ZERO DARK THIRTY) als eigentlicher Hauptakteur Dr. Price (Eric, nicht Vincent), ein laudanumsüchtiger Witwer, abgegriffen gezeichnet ist (ganz dem schwachen Fortgang der Handlung entsprechend). Dies schlachtet seine persönliche Tragödie auf eine Art emotional aus, die sein Schicksal trivialisiert.
Geradezu geisttötend arbeitet sich WINCHESTER am Konflikt Rationalität (Clarke) und Geisterglaube (Mirren) ab, obwohl von Beginn an kein Zweifel bleibt, welche Seite evident ist. Inkonsequent und unschlüssig verwerfen die Spierigs selbst den Pazifismus, indem sie dann doch zur Waffe gegen ein besonders bedrohliches Gespenst greifen. So verschenken sie das Potenzial mit einem unausgegorenen Gebräu zwischen durchwachsenen Psychospielchen und nervtötenden Falsche-Alarm-Schocks. Besseren Goth-Grusel beschwören ANNABELLE 2 oder WOMAN IN BLACK.
Erschienen auf kommsieh.de.
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Winchester, AUS/US 2018 | Regie: Michael Spierig, Peter Spierig | Drehbuch: Tom Vaughan, Michael Spierig, Peter Spierig | Musik: Peter Spierig | Kamera: Ben Nott | Mit: Helen Mirren, Sarah Snook, Jasson Clarke, Emm Wiseman, Tyler Coppin, u.a. | Laufzeit: 99 Min.