I can’t stand the rain.

THE RAIN geht gleich im Schnellzugtempo los. Gerade kann sich Simone (Alba August) in der Schule zu einem Date mit ihrem Traumtypen verabreden, da eilt schon ihr wirr wirkender Vater herbei, zerrt sie weg, packt sie mit Mama und Bruder ins Auto und fährt los. Denn nichts geringeres als die Menschheit dürfte in den nächsten Minuten/Stunden ausgelöscht werden. Nach etwa 10 Minuten haben sie (durch einen allzu glücklichen Zufall) einen hypermodernen Bunker in einem Wald erreicht. Kurz bevor es anfängt zu regnen.
Der Vater zeigt ihnen schnell-schnell die lebenserhaltenden Funktionen im Bunker (Schutzkleidung, Essen, Strom etc.) und entschwindet nach gefühlten zwei Minuten wieder. In Schutzkleidung, weil er einer der wenigen Wissenschaftler ist, die einerseits schuld sind an der Katastrophe, andererseits ein Heilmittel entwickeln können. Denn im Regen befindet sich ein Virus, das die Menschen sofort umbringt. Wasser, Quell des Lebens, wird zur tödlichen Gefahr. Bis zum Ende der 8 Folgen erfahren wir wenig Genaues über das Virus, lediglich Anspielungen. Aber auch, dass es sich um einen groben Fehler der Wissenschaft handelt. Zuviel Enthusiasmus, zu frühe Tests oder so. Oder, um es psychologisch zu erklären (was durchaus erlaubt ist, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden): ein massiver Fehltritt des väterlichen Prinzips.

TheRain_Poster Was nämlich – nachdem die Mutter von Simone und Bruder Rasmus (Lucas Lynggaard) nach weiteren gefühlten 5 Minuten stirbt – kein abwegiger Gedanke ist: Die Kinder wachsen nun 6 Jahre lang bis zu Rasmus’ beginnender Adoleszenz auf sich allein gestellt im Bunker auf.
Als sie sich endlich herauswagen, schließen sie sich einer Gruppe mehr oder weniger Gleichaltriger an. Die Gruppe rund um die dominierende und bestimmt auftretende Simone und den überaus vernünftigen Martin (Mikkel Folsgaard) verfolgt den Plan, die virenfreie Zone zu finden, die Simone auf den seltsamen virtuellen Karten des Bunkers glaubt entdeckt zu haben. Am Ende der Reise soll auch der Vater stehen, mit all den Erklärungen, die er Simone und Rasmus vorenthalten hat.

TheRain_1 Die Reise beginnt mit seltsamen Begegnungen und Begebenheiten in einer postapokalyptischen Welt, mit Kämpfen gegen bewaffnete Milizionäre, gefährlichen Trips durch verwüstete Städte, auf der Suche nach Ärzten, actionreich und nicht ohne Verluste. Und dabei immer auch auf der Flucht vor dem nächsten Regenschauer. Nach und nach werden wir mit den Mädchen und Jungen der Gruppe näher bekannt gemacht, in Rückblenden werden die Probleme ihrer Kindheit und des Erwachsenwerdens so in die Story eingebettet, dass ihr Handeln in der Gruppe verständlich wird. So fühlt sich etwa Lea (Jessica Dinnage) in einer seltsamen, von der Außenwelt abgeschiedenen Sekte mit biologischer Landwirtschaft, sauberem Wasser und klaren Regeln, in der sich eine Frau als liebevolle Ersatzmutter anbietet, wunderbar aufgehoben. Hier kann sie ihre Geschichte als streng katholisch erzogenes Mädchen mit einschnürender Mutter und dementsprechend grausamen Mitschülerinnen (à la CARRIE) endlich für einen Moment vergessen. Hier kommt die Gruppe wieder ins Spiel: Lea erkennt erst im Teen-Team, was an der liebevollen Sekte nicht stimmt – und das ist äußerst beängstigend.

TheRain_3 Obwohl alle Teenager der Gruppe für uns Zuseher im Verlauf der Story zu bedeutungsvollen Charakteren werden, stehen trotzdem Simone und Rasmus im Zentrum der Handlung. Die Suche nach dem verlorenen Vater ist deshalb so wichtig, weil Rasmus an einer Krankheit leidet, die eng mit dem Regenvirus verknüpft ist. Bloß: Ist er immun? Ist er ansteckend? Was weiß der Vater und weshalb hilft er nicht?

TheRain_4 Mehr noch: Hat der Vater Schuld auf sich geladen? In einer Videoaufzeichnung in einem Bunker sieht die Gruppe den Vater bei mörderischen Menschenexperimenten, was Simone mit ihren hohen ethischen Maßstäben den Glauben an die väterliche Allwissenheit nimmt.
Mit THE RAIN ist Netflix eine weitere Teenage-Angst-Story gelungen, die auch für ältere Semester durchaus sehenswert ist. Die dänische Netflix-Serie mag zwar banaler sein als das deutsche DARK, ist aber nur bedingt vergleichbar. Düsternis und Hoffnungslosigkeit speisen sich hier weniger aus politischen und beengenden, dörflichen Klaustrophobien, sondern aus der Trennung von der väterlichen Autorität. Dass die Mutter keine Rolle spielt (d.h. zu schnell tot ist), ist beinahe ein klassischer Filmtopos, der hilft, die Führungslosigkeit einer Familie zu unterstreichen.

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The Rain, Dänemark 2018 | Regie: Kenneth Kainz, Natasha Arthy | Darsteller: Alba August, Lucas Lynggard Tonnesen, Mikkel Folsgaard, Lukas Lokken, Jessica Dinnage | 8 Episoden à 35’ bis 45’