Boom-Baisse-Hausse-Passe.

Es war einmal eine Zeit, als es in der Bundesrepublik Deutschland nur zwei Fernsehprogramme gab. Als man sich gemeinschaftlich ‚vor der Röhre‘ versammelte, um Männern mit großkarierten Sakkos beim Kalauern zuzusehen (Peter Frankenfeld) – als es genügte, in hochpräzisen Gesprächen vom Befragenden nie mehr als seinen Hinterkopf zu sehen (Günter Gaus) – als das Fernsehen die Ausgewogenheit zwischen Aufklärung und Unterhaltung noch getreu seines gesetzlichen Auftrages zu erfüllen schien. Aus dieser Zeit stammt DER SCHWARZE FREITAG, ein Kleinod deutschen Fernsehschaffens, das darüber hinaus eine der größten Finanzskandale des Zwanzigsten Jahrhunderts zu erklären versucht – und dass zu einer Zeit, als wohl die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung noch nicht einmal wusste, ob es beim ‚Frankfurter Parkett‘ nicht doch um kaufbaren Bodenbelagsmeterware handelt.

SchwarzerFreitag_Poster Im Mittelpunkt der Erzählung steht Richard Whitney (Curd Jürgens), jener nebulöse Broker und Präsident der New Yorker Börse, der am ‚Schwarzen Freitag‘ 1929 den Verfall der Aktienkurse mit immensen Käufen aufzuhalten suchte und dadurch zum strahlenden Helden des Wertpapierhandels avancierte. Doch mitten in der sich entwickelten Wirtschaftskrise, wird im Rahmen eines Untersuchungsausschusses des Kongresses deutlich, dass Whitney noch eine andere, dunkle Seite hat – die des eiskalt kalkulierenden, blasiert überheblichen Finanzmagnaten, der das durchtriebene Geschäft an der Wall Street bis ins Detail beherrscht und bereit ist, mit seinem Können skrupellos zu Werke zu gehen. Vor den Senatoren entspinnt sich ein Verhör um die Beweggründe und Ursachen der ‚Großen Depression‘, in dessen Verlauf Whitney immer mehr in Erklärungsnot gerät – die Finanzmärkte zeigen ihr wahres Gesicht und die weißen Westen werden bald Mangelware.

Wahrscheinlich spricht es für das damalige Sendungsbewusstsein des Zweiten Deutschen Fernsehens und die charmante Überredungskunst Helmut Ringelmanns, der als ausführender Produzent für die Firma Intertel parallel Krimihits wie DAS KRIMINALMUSEUM (1963 – 1970) und DIE FÜNFTE KOLONNE (1963 – 1968) betreute. Denn eine derartige Bündelung an ‚großen Namen‘ sucht im Fernsehsujet der 1960er durchaus seinesgleichen. Es gehört schon etwas dazu, einen Filmstar wie Curd Jürgens in ein ZDF-Fernsehspiel hinein zu lotsen und eine flankierende Besetzung aufzufahren, für die man ansonsten alle prestigeträchtigen Stadttheater deutscher Metropolen von Hamburg bis München hätten zusammenlegen müssen.

SchwarzerFreitag_4 Für Jürgens, dessen körperliche wie stimmliche Präsenz jeden Raum zu füllen wusste, wurde sein überheblicher Richard Whitney zu einer Paraderolle. Dass es in der hochspannenden Befragung vor dem Senatsausschuss schon entsprechender Akteure bedurfte, damit Jürgens nicht alleine die Szenerie bestimmte, lag auf der Hand – und in der Tat ist der Nervenkrieg, den sich Jürgens im verbalen Schlagabtausch mit Dieter Borsche, Wolfgang Reichmann, Erik Ode, Hans Christian Blech, Heinz Engelmann und Franz Rudnick liefert, kaum steigerungsfähig in Anspannung und Explosivität.

Paul Hoffmann kann als geläuterter Bruder der Hauptfigur ebenbürtig agieren, Ullrich Haupts unbestechlicher Börsenvorstand zeigt Geberqualitäten während Hermann Lenschau sein Aufsichtsratsmitglied mit ungeschminkter Verachtung ausstaffiert. Bis in die kleinsten Nebenrollen hinein ist DER SCHWARZE FREITAG exzellent besetzt – Wolfgang Neuss, der wohl scharfzüngigste Kabarettist der 1960er Jahre, ist als desillusioniert-zynischer Broker typgerecht dabei – Horst Tappert, den ab 1973 Ringelmann mit seiner Langzeitserie DERRICK (1973 – 1998) zum Star machen sollte, verleiht den Ereignissen mit schneidender Erzählerstimme kommentierenden Fluss und dokumentarische Verve.

SchwarzerFreitag_2 Dank seiner Theatererfahrung gelingt es dem Regisseur August Everding, eine beeindruckende Mischung zwischen fesselndem Dokumentarspiel und klassischer Schauspielerinszenierung auf die Beine zu stellen. Dessen Stärke liegt gerade im Gestus des Sprechtheaters begründet, einer Inszenierungsform, deren Hochzeit damals in voller Blüte stand. Everding, dessen geradezu enervierendes Auslassen überhöhender Dramatisierung, für heutige Zuschauer schon fast wieder etwas Manieriertes haben mag, zeigt sich als hervorragender Bühnenadaptierer, dessen Künste beim Weg vor die Filmkamera erhalten und erkennbar bleiben. Vollends ohne untermalende Filmmusik auskommend, verstärkt nicht zuletzt dies den aufklärerischen Charakter des Drehbuchs, für welches das auch im Kriminalfilmbereich erfolgreiche Autorenpaar Maria Matray und Answald Krüger verantwortlich zeichnet. Kameramann Günther Senftleben verzichtet auf Fahrten und gestaltet bewusst statische Bilder, verdichtet auch dadurch die Inszenierung in ihrer Form ganz auf die sprachlich vermittelten Inhalte. Regie-Assistent Max Diekhout, der schon Kommissar-Lohmann-Darsteller Otto Wernicke in dessen einziger Spielleitung WER FUHR DEN GRAUEN FORD? (1950) unter die Arme gegriffen hatte, trägt seinen Teil zum Gelingen dieses filmischen Bildungsauftrages bei.

SchwarzerFreitag_3 Für jeden Börsenlaien, der die Gesetzmäßigkeiten des Marktes oder sogar die Finanzkrise von 2008 in ihren Grundzügen verstehen will, ist DER SCHWARZE FREITAG eine beeindruckende Dokumentation. Für jeden Geschichtswissenschaftler, der die Zeit der ‚Großen Depression‘ oder die Funktionalität einer kontrollierenden Exekutive erleben möchte, ist DER SCHWARZE FREITAG abgefilmtes Bibliotheksstudium mit Unterhaltungswert. Und für jeden Filmliebhaber, der theatererfahrenes Schauspielerkino ohne überzeichnete Dramatisierung erleben möchte, ist DER SCHWARZE FREITAG schlicht ein großartiges Zeugnis deutscher Fernsehkunst, dessen Faszination über die Jahrzehnte eher noch zugenommen hat – und es ist bezeichnend, dass der portraitierte Inhalt des Stückes auch über fünfzig Jahre nach seiner Entstehung nichts an Aktualität verloren hat.

Erschienen ist DER SCHWARZE FREITAG auf DVD mit Wendecover ohne weitere Extras, jedoch in sauberer schwarze-weißer Bildqualität und rauschfreiem Mono-Ton.

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Der schwarze Freitag, Deutschland 1966 | Regie: August Everding | Darsteller: Curd Jürgens, Hans Christian Blech, Dieter Borsche, Wolfgang Reichmann, Erik Ode, Heinz Engelmann u.a.

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