Von Martin Stulz
Es gibt kaum ein Genre, in das so viel hinein interpretiert worden ist wie in den Zombiefilm. NIGHT OF THE LIVING DEAD, Urknall des modernen Zombie-Films, musste als Metapher für den Vietnamkrieg herhalten, dann wieder als Statement zur amerikanischen Bürgerrechtsbewegung oder auch immer gerne als Kritik an Regierung und Medien und natürlich am American Way of Life generell. Dabei waren der Film und seine Monster weniger das Resultat von politischem Sendungsbewusstsein denn von budgetär bedingtem Pragmatismus und Zufällen. NIGHT OF THE LIVING DEAD ist schlussendlich ein Film über, na ja, Tote, die Lebendige fressen. Auf die versteckten Bedeutungen von NIGHT angesprochen, meinte George Romero denn auch nur „It was 1968, man. Everybody had a ‚message’“. Nichtsdestotrotz wurde der Symbolgehalt seiner Untoten vom Feuilleton so lange beschworen, bis ihn Romero selbst glaubte und seine späteren Zombiefilme auch prompt mit Holzhammer-Sozialkritik eigenhändig zu Tode prügelte.
Nicht erst seit SHAUN OF THE DEAD besteht ein Großteil des Genre-Outputs aus Selbstparodie. Oft absichtlich, aber noch öfter unabsichtlich. So chronologisiert das Buch auch auf amüsante Weise das Leid des durchschnittlichen Zombie-Fans, der sich wider besseren Wissens und schon fast zwanghaft immer wieder neuen unterirdischen Produktionen aussetzt, in der verzweifelten Hoffnung, dass sich BIGFOOT VS. ZOMBIES vielleicht eben doch als übersehenes Meisterwerk entpuppen könnte. Spätestens ab Kapitel 6 beginnt man Langeweile und Verzweiflung des Autors angesichts der immer idiotischer werdenden Filme schon fast körperlich zu spüren. Die Quittung für die ständigen Enttäuschungen sind hämische Kommentare. Ich musste beim Lesen jedenfalls ziemlich oft lachen. Und für alle Unentwegten wie mich gibt es auch das eine oder andere zu lernen: Es gibt einen Zombiefilm mit Steven Seagal! Und ein Workout Video mit Linnea Quigley, in dem sie den Untoten vor der Turnstunde erst mal die Leviten liest („You think that you can let yourself go just because you’re dead?“).
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Damian Martinez: Gehirn!: Ein Streifzug durch den Zombiefilm von 1932 bis 2018 | Selfpublisher Verband, September 2018 | Umfang: 208 Seiten ISBN: 978-3-96344-000-7 Preis: 13.90 Euro, E-Book: 7.99 Euro