Ein dutzend Verfilmungen hat die Figur des obskuren Wanderpredigers und vermeintlichen Geistheilers Grigori Rasputin im Laufe der Filmgeschichte evoziert, die wenigsten hielten sich an historische Fakten. RASPUTIN – DER UNHEIMLICHE MÖNCH machte da keine Ausnahme, hatte man sich bei Hammer Films doch fest vorgenommen, ein Historienepos mit Horroranleihen zu erschaffen. Realismus raus, Unterhaltung rein – und mit Christopher Lee hatte man einen Kultschauspieler zur Hand, der wie geschaffen schien für diesen Rasputin.
Nach Heilungen von Todkranken erschleicht sich der von der Kirche verfolgte Mönch Rasputin (Christopher Lee) das Vertrauen der Hofdame Sonja (Barbara Shelley) und gelangt an den St. Petersburger Zarenhof, wo er in der Oberschicht Aufsehen erregt. Mit hypnotischer Gabe gesegnet, ist er jedoch Iwan (Francis Matthews) und Peter (Dinsdale Landen) ein Dorn im Aug und sie schicken sich an, dem fanatischen Prediger das Handwerk zu legen.
Während sich Lee mit seinem seit DRACULA (1958) definierten Image immer weniger anfreunden konnte und die Verhandlungen immer zäher wurden, köderten die Produzenten ihn diesmal mit der wesentlich anspruchsvolleren Rolle des „Hanussen meets Mabuse“-Charakters aus dem ausklingenden, zaristischen Russland. Back-to-back mit BLUT FÜR DRACULA (1965) gedreht – zum großen Teil mit derselben Crew und nur notdürftig umdekorierten Kulissen – bewaffnete sich Lee, der sogar frühkindlichen Bezug zu den historischen Figuren hatte, mit allerlei Sekundärliteratur und gab kraftvolles Schauspiel. Er konnte sich den dämonischen Mönch mit umwerfender Präsens und sexueller Konnotation derart zu Eigen machen, dass man selbst Conrad Veidt aus der 1932er-Verfilmung kurzzeitig aus dem Sinn verlieren konnte. Dass die Hammer-Produktion eher schmal budgetiert war und die restlichen Schauspieler mit ihren englischen Gesichtszügen und angeklebten Russenbärten nicht optimal ausstaffiert wurden, mag man retrospektiv beklagen – doch insgesamt gelang Don Sharp ein stimmiger Film mit partiellen Horroreinsprengseln, die sich sehen lassen konnten. Dass sogar Frank Farian 1978 auf die Legende zurückgriff und mit „Rasputin“ für Boney M. einen Euro-Disco-Hit fertigte, zeigte später noch viel stärker den universellen Charakter der Mär.
Don Banks, der für Hammer u.a. schon den wilden Genremix DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG (1962) vertont hatte, griff erneut in die Tasten und setzte auf der Tonspur das um, was auf der Leinwand mitunter an Budgetgrenzen stieß. Er schrieb eine großformatige, opulent orchestrierte und ausladend komponierte ‚Höllenmusik‘, die den hypnotischen Geist des wahnsinnigen Mönchs mit flirrenden Streicherglissandi unterlegte, in der großen Horrorsequenz des Filmes mit avantgardistischen und neutönenden Ansätzen sowie einer verzerrten E-Gitarre arbeitete.
Hammer schickte den Film in England und den USA als Doppelprogramm mit John Gillings DAS SCHWARZE REPTIL (1966) ins Rennen, die deutsche Fox-Dependance sah allerdings kein kassenträchtiges Zugpferd und lehnte den Verleih ab. Erst 1997 erlebte der Film im Privatfernsehen seine Premiere, was auch die verspätete Synchronisation erklärt. Allerdings kann diese bei der Berliner Synchron von Wenzel Lüdecke entstandene Fassung als gelungen betrachtet werden, da sowohl Roland Hemmo als Christopher Lee zu überzeugen weiß, als auch die weiteren Rollen u.a. mit Hubertus Bengsch und Friedrich Georg Beckhaus fachmännisch besetzt sind.
Bis zur DVD-Veröffentlichung 2004 entsprechend schwer zu finden, beglückt uns Anolis als Nr. 24 seiner Hammer-Edition nun mit einer mustergültigen Veröffentlichung in mehreren Covervarianten. Das Breitwand-Bild erstrahlt in bisher nicht dagewesener Pracht, wobei die trotz Sparflamme erstklassigen Sets und expressiven Farbkompositionen hervorragend zur Geltung kommen. Auch der Ton gibt sich zünftig und in deutscher Synchronisation rauscharm und detailliert, der englische Originalton versteht sich in dieser Edition von selbst. Gleich zu Beginn der flankierenden und reichhaltigen Extras findet sich die Filmversion noch im Originalbildseitenformat von 2,55:1, das damals standardisiert für die Kinoauswertung auf 2,35:1 abgekascht wurde. Gerade in Zeiten großer Bildschirmdiagonalen in heimischen Wohnzimmern macht diese ebenfalls hervorragend restaurierte Fassung jedoch mächtig Freude und lässt in der schieren Breite jeden Filmfreund in Verzückung geraten.
Gleich mehrere Audiokommentare stehen uns zur Verfügung, wobei zunächst die Schauspieler Christopher Lee, Barbara Shelley, Francis Matthews und Suzan Farmer zu Wort kommen. Anschließend kann man sich an den Ausführungen der bewährten Kräfte Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann delektieren, deren Kommentar – ebenso wie eine weitere Spur mit Uwe Sommerlad und Volker Kronz – erneut kenntnisreich und liebevoll geraten ist. In der Dokumentation “Tall Stories – The Making of Rasputin – The Mad Monk” wird auf die unterschiedlichsten Hintergründe der Produktion eingegangen, wobei neben den Autoren Denis Meikle & Andrew Cook der Hammer-Kenner Jonathan Rigby, die Schauspieler Barbara Shelley & Francis Matthews sowie der Musikwissenschaftler Dr. David Huckvale zu Wort kommen. Die Featurette “Hammer Novelisations – Vom Film zum Buch” zeigt indes auf, dass Hammer Films es schon damals verstand, die gesamte Wertschöpfungskette des Filmgeschäftes mitzunehmen. So entstanden zu vielen ihrer Filme begleitende Comics, Bücher und Romane, die sich die Geschichten zu Eigen machten und zum Teil beträchtlich erweiterten – der legendäre John Burke brachte es mit seinen Beiträgen gar zu einiger Berühmtheit. Neben dem britischen und dem US-Double-Feature-Kinotrailer schließen zwei TV-Spots sowie eine Bildergalerie das Bonusmaterial ab. Ein achtundzwanzigseitiges Booklet, geschrieben von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad, winkt darüber hinaus exklusiv den Käufern der Mediabook-Variante.
Mag RASPUTIN – DER WAHNSINNIGE MÖNCH auch etwas ‚zu britisch‘ geraten sein um als in Russland spielend durchzugehen, die Performance des legendären Christopher Lee ist ein schierer Genuss, alleine deswegen man sich den Film unbedingt ansehen sollte – am Besten in dieser hervorragenden Veröffentlichung, die keine Wünsche offen lässt. Wie hieß es einst in den Großraumdiscos dieser Welt? “There lived a certain man in Russia long ago, he was big and strong, in his eyes a flaming glow”. Really wunderbar!
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Rasputin – the Mad Monk | GB 1966 | Regie: Don Sharp | Darsteller: Christopher Lee, Barbara Shelley, Richard Pasco, Francis Matthews, Suzan Farmer, Dinsdale Landen u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment