Die junge Malerin Dezzy Donahue (Dora Martin) lebt in Los Angeles und verbringt ihre Nächte in Metal- und Punkbars, wo sie ihr zeitweiliges kreatives Tief mit Drogen und Sex, kurz mit Transgression, übertünchen will. Zuhause bei ihrem pensionierten Vater, der mit seinen ebenso alten Freunden Karten spielt und kifft, findet sie den Dealer, der ihr die Droge Diablo verdealt. Wie Kokain zieht man sich Diablo in die Nase, doch das Pulver ist statt Weiss in dreckigem Braun gehalten. Und hat‘s in sich. Zusammen mit ihrer Freundin Courtney (Tru Collins) und deren Lover verbringt sie völlig zugedröhnte Nächte mit Dreiern und Drogen, bis sie kaum noch weiß, wer sie ist. All das zum Unverständnis ihres hilfreichen Freundes Clive (James Gardener, der am Neuchâtel International Fantasy Film Festival völlig besoffen BLISS und drei Tage später seinen eigenen Horrorfilm SOMETHING ELSE präsentierte).
Dezzy kommt mit der unglaublichen Droge allerdings an den Rand ihrer körperlichen und mentalen Gesundheit. Im Rausch wird sie zwar auch wieder kreativ, malt, was Pinsel und Körper hergeben, doch sobald sie nüchterner wird, kann sie nicht mehr mit ihrem Leben umgehen. Süchtig halt. Sofort süchtig. Die Abgründe synthetischer Drogen, wie wir sie bereits aus Filmen wie LIMITLESS (2011) kennen, pfeifen hier auf den langsamen Einstieg in die unberechenbare Welt.
Als Dezzy in einem Dark-Wave-Musikschuppen gerade in eine WC-Schüssel kotzt, sieht sie beim Lavabo, dass Courtney einer anderen Frau in den Hals beißt und sie aussaugt. Einen kurzen Moment wehrt sie sich gegen den Gedanken, selber Vampir zu sein. Dann beginnen die Blutfestivitäten. Nach ihrem ersten Biss fährt sie glücklich durch das End-of-night-Los-Angeles, mit so viel Glück und Blut im Gesicht, dass es aussieht, als hätte sie einen Bart. Nacht für Nacht gehen die Blutbäder weiter. Die stets einpeitschende Musik und die schnellen Jumpcuts auf der Zeitebene treiben den Film voran. (In den Jumpcuts wird jeweils eine Einstellung in mehrere verkürzt, indem einfach dazwischen Stücke herausgeschnitten wurden – thematisch nehmen sie so Dezzys Blackouts auf.)
BLISS ist rasant und seine Mordlust rasend. Der Film hat dieses kranke Underground-Feeling von Nick Zed oder Richard Kern, des Cinema of Transgression. Roher Exzess. Heute aber doch etwas anders: in einem kommerzielleren Rahmen. Heute ist das etwas für Metalfans, Tattooträger, Satanisten. Aber auch fürs Prekariat: für den kiffenden Vater mit seinen Freunden. Heutzutage ist Splatter eher spaßige Transgression denn Subversion – und Regisseur Joe Begos findet den richtigen Rahmen dafür. Noch ist Dezzy auf der Kippe, mit ihrem (doch eher dürftigen) Gemälde den Einstieg in die reiche Kunstwelt zu schaffen, doch man merkt schnell: Eigentlich gehört sie nicht jener Gesellschaftsschicht an. Dora Madison, sowas wie Begos’ Muse, verkörpert die besessene wie die coole, die kalkulierende wie die emotionale Malerin Dezzy durchaus facettenreich. Ihr Durst nach Blut wird zu einer irrwitzigen Suche nach Inspiration in Metal- bzw. Punk-Kreisen, wo sie nur mit immer furioseren Blutsaugereien die Kraft (und Inspiration) für das Bild erhält, das ihr die Möglichkeiten zur höheren Gesellschaftsschicht eröffnet. Begos hat daraus keinen handlungsstarken Film gemacht, sondern einen Film, der mit seiner Dynamik stets voranprescht und der jedem Mitternachtspublikum großen Spaß bereiten dürfte.
Bliss
USA 2019
Regie: Joe Begos
Drehbuch: Joe Begos
Kamera: Mike Testin
Darsteller: Dora Madison, Tru Collins, Rhys Wakefiled, James Gardener u.v.a.
Laufzeit: 80 min.
Der Film lief am Neuchâtel International Fantasy Film Festival 2019.