Als Duke Mitchell DER PATE (1972) im Kino gesehen hatte, war ihm aus eigener Erfahrung klar: so ‚gelackt‘ wie bei Coppola ist die raue Wirklichkeit nicht. Und da Duke nie unter mangelndem Selbstbewusstsein litt, sagte er sich „F**k you, Francis. Das kann ich besser!“, kratzte sein als Crooner und Nachtclubbetreiber sauer verdientes Geld zusammen und drehte mit DER MAFIA-KILLER einen erdig-dreckigen, kleinen-großen Streifen, der nicht nur Quentin Tarantino zu seinem Killerpärchen Jules Winnfield und Vincent Vega aus PULP FICTION (1994) inspiriert haben dürfte.
Mimi Miceli (Dominico Miceli), Sohn des Paten Don Mimi (Lorenzo Dodo), ist sein Leben im sizilianischen Exil leid und beschließt in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Gemeinsam mit seinem alten Freund Jolly Rizzo (Vic Caesar) will er die Kontrolle über das organisierte Verbrechen in Los Angeles erlangen. Mit grenzenloser Brutalität löschen sie einen Drogenhändler, Zuhälter und Buchmacher nach dem anderen aus und keiner kann Mimi auf seinem blutgetränkten Weg aufhalten! Doch die Leichenberge sorgen für Unruhe innerhalb der Organisation, die Mimi vom Jäger zur Beute deklariert. Jetzt steht er auf der Abschussliste … denn der Befehl lautet: Mimi muss weg!
Die 1970er – New Hollywood – Kunst und Kommerz im Ami-Mainstreamkino im Einklang. Kleine Klassiker wie STRASSE ZUM JENSEITS (1972), SUPERFLY (1972) oder BLACK MAX/DER PATE VON HARLEM (1972) schienen den Dreck der Straße direkt in die Kinos zu tragen. Doch sie alle scheinen nur Ouvertüre im Vergleich mit DER MAFIA-KILLER, der seinen veristischen Ansatz konsequent zu Ende führt. Duke Mitchell, der neben dem „selbst erlebten“ Drehbuch und der Regie auch die Hauptrolle übernahm, den Film finanzierte und auch noch einen Großteil der Musik beisteuerte, drehte das ganz große Rad. Ständig pendelt der Film zwischen künstlerischen Szenerien und blutigem Revolvergemetzel, dick aufgetragener, italienischer Mafiarührseligkeit ob der vergehenden, alten Zeiten und locker, aus der Hüfte geschossenen Szenen voller Realismus. Es ist schmuddelige Wirklichkeit, ohne Rücksicht auf Verluste; gefühlt steht der Film ständig breitbeinig mit dicker Hose in der Gegend rum. DER MAFIA-KILLER ist pures Straßenkino, zum Teil improvisiert, immer wieder derbe übertreibend – Achtzig Minuten unter Volldampf, mit Pasta, Power, Prahlerei.
Ein Film wie sein Urheber: “Life is such a great adventure, learn to live it as you go. No one in the world can censure what we do here below”. Im Grunde ist in dieser alten Victor Young-Nummer, in den Textzeilen Ned Washingtons/Joe Youngs, alles enthalten, was das Selbstverständnis Duke Mitchells ausmachte. Mitchell – ein veritabler Raubauz der sich nichts gefallen ließ, im richtigen Leben nie um eine kesse Lippe und fliegende Fäuste verlegen war – genügte es völlig, als der „König von Palm Springs“ schlicht er selbst zu sein und das Abenteuer Leben Tag für Tag zu genießen. Mitchell ist dann – bei den sonstigen Chargen – auch der einzige, der schauspielerische Qualitäten in den Streifen bringt; nur echt mit daueraktiver Zigaretten in Überlänge. Die deutsche Videosynchro der frühen 1980ern – die mit den wohlvertrauten Münchner Stimmen von Willi Röbke und Alexander Allerson gesegnet ist – kaschiert die im Original viel offensichtlicheren Defizite der Laienspieltruppe, verleiht dem Film im Dialog direkt Glanz und schwelgerische Anmut.
Subkultur präsentiert DER MAFIA-KILLER als Nr. 7 seiner zweiten Grindhouse Collection im Combo-Package mit Blu-ray und DVD, wobei diese liebevolle Veröffentlichung auf 1000 Stück limitiert ist und sich in Anbetracht der Extras als ziemliches Nonplusultra ausnimmt. Neben der restaurierten Fassung, die 2017 von Augustus Color im Breitwandkinoformat erstellt wurde, ist auf der Blu-ray auch die 2018 im Auftrag von Subkultur von LSP Medien gefertigte, ungefilterte Grindhouse Fassung mit Open Matte enthalten, die durch ihren natürlichen Filmlook echte Bali- und Aki-Atmosphäre verbreitet und sogar noch einen Ticken höhere Kantenschärfe aufweist. Die berührende, dreiviertelstündige Dokumentation “Like Father, Like Son” lässt die schillernde Persönlichkeit Duke Mitchell wiederauferstehen, wobei mit seinem Sohn Jeffrey Mitchell und den langjährigen Freunden Frankie Ray und George Jacobs kompetente Interviewpartner bereitstehen. Ebenfalls äußern sich Matt Cimber und Jim LoBianco zu ihren Erfahrungen mit diesem Film, während man mit “Home Movies” zwölf private Schmalfilmaufnahmen Duke Mitchells bestaunen kann. Hinter “An Impressionistic Tribute to Jimmy Durante” verbirgt sich ein in den 1960er erstelltes TV-Special, dass Mitchell zu Ehren des großen Komikertalents und mit eigenen, skurrilen Auftritten kombinierte; die separat vorliegenden 16mm-Probeaufnahmen “Duke Mitchell als Jimmy Durante” zeigen die Hintergründe dieser Produktion.
Neben den alternativen Vor- und Abspännen der in Off-Kinos vertriebenen “The Executioner”-Fassung gibt es den englischen Originaltrailer, die Trailer zu Duke Mitchells anderen Filmausflügen BELA LUGOSI MEETS A BROOKLYN GORILLA (1952) und dem erst 2010 veröffentlichten GONE WITH THE POPE (1976) sowie zwei Radio Spots und ausufernde Bildergalerien über den Film sowie Duke Mitchell und die Darstellerin Cara Peters. Persönliche Notizen, Auszüge der Drehbücher und Treatments sind als PDF-Dateien im ROM-Part abgespeichert, während eine Trailershow zu anderen Titeln des Labels die Sektion beschließt. David Renske steuert mit seinem “Mafiosi Al Dente: Killer, Paten, Schlimme Finger” einen lesenswerten Booklettext bei. Verpackt in einem schick anzusehenden O-Ring-Schuber ohne FSK-Kennzeichnung, überrascht die Amaray noch mit dem alternativen, wunderschön gezeichneten US-Plakat als Quercover. Wer dann noch Zeit und Muße hat, kann sich auf die Suche nach den vier versteckten Easter Eggs machen, die im Geheimen ihrer Entdeckung harren. Schon allein an dieser Aufzählung kann man ermessen, wieviel Herzblut seitens der Macher in diesem, aber auch in anderen Projekten steckt.
DER MAFIA-KILLER mag handwerklich „Luft nach oben“ haben, als filmisches Gesamtkunstwerk und Spiegel einer Kinozeit, in der auf Zelluloid noch alles möglich schien, ist er hingegen ein kleines, agiles Meisterstück. Permanent mit Überdruck, immer direkt ‚frei Schnauze‘, stets am Anschlag der Gefühle, durchweg überraschend und grundehrlich. Duke Mitchell hat der Welt einen rüden Gangsterkrimi geschenkt, den man nicht so schnell vergisst, schon gar nicht in dieser mustergültigen Veröffentlichung. Dieser Film hat auch heute noch jeden Zuschauer eins fix drei am Fleischerhaken. Salute, Mimi!
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Like Father, Like Son | USA 1974 | Regie: Duke Mitchell | Darsteller: Dominico Miceli, Vic Caesar, Lorenzo Dodo, Louis Zito, Cara Salerno, Fred Otash
Anbieter: Subkultur Entertainment