Dem kundigen Filmfreund über die genialischen Qualitäten eines Mario Bava zu berichten ist wie Eulen nach Athen tragen. Denn Bava war mit seiner bildgestalterischen Wucht und dem schieren Eskapismus seiner Inszenierungen der Pop-Art und der Psychedelic schlicht Jahre voraus. Den Grundstein seines Ruhms im Farbfilmbereich legte er mit VAMPIRE GEGEN HERAKLES, einem bildgewaltigen Meisterwerk, dass es neu zu entdecken gilt.
Zusammen mit Theseus (Giorgio Ardisson) kehrt Herakles (Reg Park) heim nach Icalia, um dort seine geliebte Deianira (Leonora Ruffo) zur Frau zu nehmen. Doch die Beiden erwartet eine böse Überraschung: Das Königreich steht unter einem mächtigen Zauber, der sich nur mithilfe eines Steins aus der Unterwelt aufheben lässt. Neben unzähligen Gefahren auf dem Weg dorthin, erwartet Herakles mit dem Magier Lykus (Christopher Lee) allerdings ein Widersacher, wie er ihn noch nie zuvor bekämpfen musste.
Direkt im Anschluss an seinen Horrorklassiker und Regieerstling DIE STUNDE, WENN DRACULA KOMMT (1960) gedreht, bot sich für Bava hier nun die Möglichkeit, endlich in Farbe und Breitwand seine visuellen Kreationen darzustellen – die gerade in Blüte stehende Welle der Kostümfilme stellte sich als optimales Betätigungsfeld dafür heraus. Als muskelbepacktes Peplum mit vampiristischen Horrorelementen und partiell komödiantischen Dreingaben schlingert VAMPIRE GEGEN HERAKLES zwar durch einige Plot holes, aber „was“ erzählt wird, ist gar nicht so entscheidend – „wie“ es erzählt wird, darauf kommt es an. Mario Bava zeigt erneut seinen Genius, wenn es um die maximale Bildwirkung kleiner Budgets geht: mit einfachsten Mitteln entstehen fulminante Welten der Antike, geheimnisvolle Feuersbrünste des Hades und spektakuläre Farblandschaften, deren Zauber sich kein Zuschauer entziehen kann und deren Tricktechnik auf der damaligen Höhe der Zeit in Cinecittà ist. Dass diese epochalen Landschaften dann auch noch mit dem ehemaligen Fußballspieler Reg Park, dem in DRACULA (1958) zu Weltruhm gekommenen Christopher Lee und dem späteren, stets etwas linkisch grinsenden „Agent 3S3“ Giorgio Ardisson vollgestellt wurden, lieferte zusätzlichen Reiz, auch wenn die Figuren in der Bava-typisch überbordenden Farbdramaturgie fast ein bisschen austauschbar werden – die Inszenierung als Ganzes steht gegenüber schauspielerischen Leistungen hier klar im Vordergrund.
Den Soundtrack gestaltete Armando Trovajoli mithin genretypisch großorchestral, wobei sich die Titelmusik bereits wie eine opernhafte Ouvertüre ausnimmt und den leitmotivischen Charakter des Scores unterstreicht. Für die Spannungssequenzen erklingen mysteriöse Bassflöten und gedämpfte Blechbläser, die Actioncues treiben mit ihren furiosen Klavier- und Schlagwerkostinati die Handlung voran, das Liebesthema gestaltet sich mit seinen lyrischen Streichern und dem verspielten Einsatz von Flöten, Harfen und Celesta in bester Tradition eines Steiner oder Tiomkin. Dankenswerterweise auf CD erhältlich, sollte man sich als Sammler nach der mittlerweile nur noch antiquarisch erhältlichen Auflage des Digitmovies-Labels umsehen, die sich um die Filmmusiken zu den Bava-Streifen bereits vor einigen Jahren verdient gemacht haben.
Koch Media veröffentlichte VAMPIRE GEGEN HERAKLES als #6 ihrer “Mario Bava Collector‘s Edition“, die als DVD-Blu-ray-Kombo erschienen ist und wohl zu den wertigsten Präsentationen gezählt werden dürfen, die Bavas Filme je erfahren haben. Der Filmtransfer, der sich ungeschnitten mit dem entsprechend untertitelten Original-Prolog der italienischen Fassung versteht, erstrahlt in überwältigender Farbbrillanz, Schärfe und Sauberkeit – es ist schlicht ein rauschhaftes Erlebnis, dieses Kleinod derart fabelhaft und mit wahlweise deutschem, englischem oder italienischem Ton erleben zu können. Flankierend liefert Bava-Kapazität Tim Lucas, Autor der epischen Monographie „All the Colors of the Dark“, einen informativen Audiokommentar, der allerdings ’nur‘ in Englisch ohne Untertitel vorliegt. Als obligatorische Dreingaben werden der deutsche, amerikanische und englische Trailer, englische und italienische Vorspänne sowie eine umfangreiche Bildergalerie präsentiert.
Eröffnet wird die weitläufigen Bonussektion auf der Extra-DVD durch den in Englisch mit deutschen Untertiteln vorliegenden Zusatzfilm HER FAVOURITE HUSBAND/QUEL BANDITO SONO IO (1950), einer sympathischen Krimikomödie aus britisch-italienischer Koproduktion, bei der der junge Mario Bava einst als Chefkameramann unter Regisseur Mario Soldati wirkte. Die Featurette „Theseus am Mittelpunkt der Erde“ offeriert neben Filmhistoriker Fabio Melelli eines der raren Interviews mit Darsteller Giorgio Ardisson, der in unterhaltsamer Weise seine Arbeit an diesem Film und dem ebenfalls von Bava gedrehten „Nachfolger“ DIE RACHE DER WIKINGER (1961) Revue passieren lässt. Darüber hinaus erweist er sich als charmanter und unprätentiöser Gesprächspartner, der im Gegensatz zu vielen Interviews heutiger Filmschaffender keine vorgestanzten Standardantworten platziert, sondern frei und ehrlich ausspricht, was ihn bewegt – requiescat in pace, Giorgio! Ein durch Lorenzo Codelli mit Bavas Filius Lamberto moderiertes, fast fünfzigminütiges Gespräch kommentiert die Karriere des Vaters und geht auf einzelne Szenen des Films VAMPIRE GEGEN HERAKLES ein – das Interview entstand bereits 2007 für die damalige DVD-Veröffentlichung. Aus der Reihe „Trailers from Hell“ stammen Beiträge, in denen sich Larry Cohen mit DIE STUNDE, WENN DRACULA KOMMT, Mick Garris mit DIE DREI GESICHTER DER FURCHT und Joe Dante mit LISA UND DER TEUFEL beschäftigen. Während im DVD-Rom-Part ein Essay von Thomas Wagner über Bavas Karriere abgespeichert ist, gibt es abschließend noch ein sechzehnseitiges Booklet von Oliver Nöding, der ausführlich über Bavas Beitrag zum Peplum-Genre referiert. Verpackt ist das Set in einem massiven Digipack, welches in einem O-Ring-Schuber steckt und sich dank des wundervollen Artworks neben den bereits erhältlichen Editionen wunderbar in jedem Sammlerregal machen dürfte.
Jeder, der mit dem deutschen Fernsehen der 1970er und 1980er sozialisiert wurde, kennt Historienfilme italienischer Prägung, die einst in den Nachmittags- und Mitternachtsschienen der öffentlich-rechtlichen Kanäle ‚weggesendet‘ wurden. Doch keiner dieser Filme kann es in technischer Finesse, farblicher Brillanz und traumwandlerischer Vielseitigkeit mit VAMPIRE GEGEN HERAKLES aufnehmen, der wohl der märchenhafteste Peplum in Form und Gestalt sein dürfte. Nie sah die Unterwelt so bunt, der Hades so schillernd aus – selten gelang die filmische Illusion so perfekt wie hier. Mario Bava hat mit diesem Film nicht nur gestalterische Maßstäbe gesetzt, sondern sich selbst ein weiteres, unbedingt zu entdeckendes Denkmal in der Filmgeschichte. Schnürt die Sandalen, die Reise kann beginnen!
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Ercole al centro della terra | Italien 1961 | Regie: Mario Bava | Darsteller: Reg Park, Christopher Lee, Giorgio Ardisson, Leonora Ruffo, Marisa Belli, Ida Galli u.a.
Anbieter: Koch Media