Wenn Söldner und Polizist das Tanzbein schwingen.

Dem rührigen Label Chris‘ Soundtrack Corner ist es zu danken, dass der geneigte Fan auch in Krisenzeiten in schöner Regelmäßigkeit mit Soundtracks aus dem „silver age“ der italienischen Filmindustrie versorgt wird. Der neueste Streich aus dem Berliner Büro der Macher ist ein Tripple Feature, in dem sich einige der legendärsten Tonsetzer aus dem Land der Pasta ein Stelldichein geben.

Cover SI PUÒ ESSERE PIÙ BASTARDI DELL'ISPETTORE CLIFF SI PUO ESSERE PIU BASTARDI DELL’INSPETTORE CLIFF? (1973) stellte nicht nur einen weiteren Krimireißer von Regisseur Massimo Dallamano dar, sondern auch ein superbes musikalisches Elaborat von Riz Ortolani. Dieser setzte hier fort, was er in Alberto De Martinos IL CONSIGLIORI/ IM DUTZEND ZUR HÖLLE (1973) begonnen hatte, dessen Score dankenswerterweise ebenfalls beim Label auf CD vorliegt (CD CSC 009). Er erschuf einen leitmotivisch aufgebauten, überdimensionalen Klangkosmos, bei dessen „Main Title“ Ortolani seine jahrelange Hollywood-Erfahrung auf die Notenblätter wandern ließ, denn so viel Funk und treibende Proto-Disco hat dereinst nicht mal Deodato auf die Beine gestellt. Noch dazu klingt die Bläsersektion speziell in den Trompeten bei keinem anderen Italofilmkomponisten so ekstatisch und spitz wie bei Riz. Sanfte Passagen sicherte der Komponist mit loungehaften Schmusebeat wie „Love Break“ ab, der klingt, als habe man versucht einen Flokati zu vertonen. Weitere Sequenzen gestalteten sich hippie’esk („Mama, We Like You So Much“) oder das weltberühmte „Romance Anónimo“ interpolierend und mit „Lebanese Rally“ servierte Ortolani wohl eines seiner bpm-gestähltesten Soundtrackstücke, das beste Schifrin-Atmosphäre zu versprühen wusste.

Cover SCORTICATELI VIVI Mario Sicilianos SCORTICATELI VIVI / HÄUTET SIE LEBEND – UNTERNEHMEN WILDGÄNSE (1978) stellt weder einen Höhepunkt des Genres dar, noch gelingt es ihm Ansatzweise den erfolgreichen DIE WILDGÄNSE KOMMEN (1978) abzuklatschen. Doch Stelvio Ciprianis Musik kann es mit Roy Budd durchaus aufnehmen, wählte er doch einen rigoros anderen und zutiefst italienischen Ansatz. Anstelle großer und reichlich kostspieliger Symphonik, nahm der Komponist kostengünstig das kleine Besteck mit Rhythmusgruppe und Synthesizer zur Hand, wobei das dynamische Hauptthema „Spanish Nights In Black Satin“ zum Feurigsten gehört, was Cipriani je geschrieben hat. In lyrisch hochgradig emotionaler Weise trägt Vokalistin Giuliana Valci das dramatische „Lyonesse“ vor, mit dem die Grundstimmung des Filmes perfekt eingefangen wird – es ist bei aller Männlichkeit, aller Gewalt und tendenziösem Rassismus ein tieftrauriger Film, der in Nihilismus mündet. Die für den Komponisten typischen Einsprengsel von schluffigen Shufflenummern, von Bongos und sonstigem Schlagwerk vorangetriebene Suspensecues, amerikanischen Big-Band-Attacken wie „Changing Face“ und „Crazy Town“ und jedem Erotikfilm zu Ehre gereichenden Popnummern runden diesen musikalischen Afrikaexkurs ab.

Cover BUITRES SOBRE LA CIUDAD BUITRES SOBRE LA CIUDAD (1981) gehörte zum Schwanengesang des italienischen Polizeifilmgenres, bevor das Fernsehen auch bei unserem Nachbarland in Stiefelform endgültig die Deutungshoheit über die Filmerzeugnisse übernahm. Mit Maurizio Merli, der als souverän-kaltschnäuziger Cop schon manches Meisterwerk geadelt hatte, stand ein patenter Star parat – und mit Stelvio Cipriani komponierte ein Meister seines Fachs, der wie kein anderer für den Sound des Genres stand. Insbesondere seine Fähigkeit, zwei-drei ohrwurmhafte Themen sorgsam arrangiert über den Film zu verteilen, ohne dabei beliebig zu klingen, stach auch hier hervor. Mit einem wehmütig klagenden Sehnsuchtsmotiv für Beatband und elektronische Unterstützung grundierte Cipriani die zum Teil recht rüden Geschehnisse, mit elegischen Discotönen im geübten Shufflemodus untermalte er den Kampf für Gerechtigkeit, dank bretthartem Schlagzeug und fetziger Effektgitarre gelang die Gangsterhatz gleich doppelt gut. Dass der Film nie nach Deutschland gelangte, sollte hiesige Hörer des Scores nicht abschrecken – eine Entdeckung lohnt sich ganz gewaltig.

Für alle Soundtrack-Fans ist der Kauf dieser drei Tonträger eine willkommene, lohnende und geradezu pflichtige Anschaffung, die in keinem Regal fehlen sollte. Von vereinzelten Singleauskopplungen anno dazumal abgesehen, bieten diese Auflagen ein Mastering der originalen Bänder auf dem neuesten Stand der Möglichkeiten und sind darüber hinaus großteils hiermit erstveröffentlicht – Bonus Tracks und alternative Aufnahmen verstehen sich von selbst. Wie immer bei Chris‘ Soundtrack Corner werden die CDs durch die liebevoll gestaltete und von Aletta Heinsohn erdachte Aufmachung, elegante Booklets und ausführlich-fundierte, hier von Randall D. Larson stammende, Liner Notes abgerundet.

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Riz Ortolani: Si può essere più bastardi dell’ispettore Cliff?, CD CSC 024, D 2018 / Stelvio Cipriani: Scorticateli vivi (Häutet sie lebend – Unternehmen Wildgänse), CD CSC 025, D 2018 & Buitres sobre la ciudad, CD CSC 023, D 2018

Anbieter: Chris’ Soundtrack Corner