„Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen, und allen Brüdern und Schwestern, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe – ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld. Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria, alle Engel und Heiligen und euch, Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott, unserm Herrn.“ Plötzlich bricht dieses Schuldbekenntnis aus der Mutter der von schrecklichen Visionen gepeinigten Tochter hervor, sie weiß sich keinen anderen Rat als den Ruf zu Gott. Mochte der Glaube bis dahin nur eine untergeordnete, tradierte Rolle in ihrem Leben spielen, jetzt fleht sie zum Schöpfer, da sie hinter den Ereignissen seine Strafe für begangene Sünden vermutet. Doch so „einfach“ ist die Erklärung nicht – und die Beschäftigung mit Transzendentem hat gerade erst begonnen.
AUDREY ROSE wirft uns mitten hinein in die unsteten 1970er, einer Aufbruchszeit im Kino wie in der Gesellschaft. Die Lagerbildung schritt voran; je mehr die einen sich am Okkulten berauschten, sich eine Sitar zulegten und in indischen Fernen Bewusstseinserweiterndes suchten, desto stärker zogen Erweckungslehrer, Kreationisten und christliche Fundamentalisten gegen solche Umtriebe zu Werke. Mag man sich, je nach eigener Konditionierung im gläubigen wie atheistischen Sinne, zu dem Skript Frank De Felittas verhalten, wie man möchte – dem Gedanken, eine Reinkarnation in den Bereich des Möglichen zu verschieben und in einer Gruselgeschichte zu verbauen, kann man durchaus nachhängen. Die hier evozierte, starke Kontrastierung zwischen Hinduismus und Christentum wirft nicht nur die Familie Templeton aus dem Gleis, auch auf der Tonsur zeitigt Regisseur Robert Wise bewusste Brüche – auf sitarbesetzte Gesänge aus Indien folgen christliche Wallfahrtslieder an einer New Yorker Mädchenschule.
Anthony Hopkins Monologe, in denen er als religiöser Eiferer für seinen Gedanken eintritt, erhalten eine Strahlkraft, die die popkulturelle Faszination für einen Hannibal Lecter Jahrzehnte früher schon begreifbar machen. Insbesondere Marsha Mason scheint die Trennung zwischen Schauspiel und Leben aufheben zu wollen, steigert sich in einen Rausch der Gefühle, Ängste, Hoffnungen und Schmerzen; auch Debütantin Susan Swift kann mehr für sich ins Feld führen als ihre treuen, großen Kinderaugen. Und wer bei John Hillerman nur an dessen spleenige Langzeitrolle in MAGNUM (1980-1986) denkt, wird in AUDREY ROSE eines Besseren belehrt.
NSM veröffentlichte AUDREY ROSE als deutschsprachige Blu-ray-Premiere, wobei sich das Master in sehr gutem Zustand und frei von Defekten präsentiert. Neben dem englischen Originalton ist die deutsche Synchronbearbeitung enthalten. Zusätzlich zu einer DVD-Version des Filmes offeriert das limitiert in drei verschiedenen Covervarianten erschienene Mediabook ein sechzehnseitiges Booklet mit dem Text „Man lebt nur zweimal“, in dem der bewährte Linersautor Nando Rohner auf die literarischen Hintergründe des Filmes, seine Besetzung und die Karriere Robert Wise‘ eingeht – großformatige Reproduktionen von Szenenfotos sorgen auch optisch für angenehmen Reiz. Der amerikanische Originaltrailer versetzt einen in die wohlig-gruselige Stimmung alter Kinotage. Neben selbstlaufenden Texttafeln zu den Bio- und Filmographien von Anthony Hopkins, John Beck, Marsha Mason, Norman Lloyd und Susan Swift ist außerdem noch eine umfangreiche Bildergalerie enthalten.
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Audrey Rose, US 1977 | Regie: Robert Wise | Darsteller: Marsha Mason, Anthony Hopkins, John Beck, Susan Swift, Norman Lloyd, John Hillerman u.a.
Anbieter: NSM Records