Historiendrama nach wahren Begebenheiten: Der geniale, recht eigensinnige Erfinder Thomas Alva Edison meldet 1880 seine Glühbirne zum Patent an. Doch nicht lange, und der trickreiche Industrielle George Westinghouse besitzt eine ganz ähnliche Glühbirne. Schon bald entbrennt zwischen beiden ein erbitterter Streit über die kommerzielle Auswertung der Erfindung. Beide wollen ganze Städte erleuchten und sammeln einen Auftrag nach dem anderen ein. Der große Unterschied: Edison setzt auf den sicheren Gleichstrom (auch wenn ihm sein sachkundiger Sekretär Samuel Insull und der neue Mitarbeiter Nikola Tesla davon abraten), Westinghouse dagegen setzt auf den nicht ungefährlichen, aber entschieden billigeren Wechselstrom. Westinghouse hat bald die Nase vorn, aber die letzte Entscheidung wird erst bei der Weltausstellung 1893 in Chicago fallen: Wer die Attraktion „Stadt des Lichts“ illuminiert, hat die USA in der Tasche…
Es hilft, wenn man sich ein wenig in Elektrotechnik auskennt, aber es geht auch ohne: THE CURRENT WAR, also eigentlich „Der Krieg der Ströme“, ist ein famoser, vorzüglich ausgestatteter Kostümfilm, der eine so spektakuläre Geschichte erzählt, dass man sich fragt, wieso man noch nie davon gehört hat. Die Kamera fängt einige wunderschöne (digital getrickste) Bilder ein, die davon zeugen, wie ungeheuer modern die Zeit damals eigentlich war. Das ist nicht der übliche, knöcherne Fin-de-siècle-Muff, sondern die große Jagd nach den noch größeren Ideen, die bis heute unsere moderne Welt gestalten. Der Untergang des Co-Produzenten Harvey Weinstein bedeutete leider auch den Beinahe-Untergang dieses Films, der dann doch dank Co-Produzent Martin Scorsese für die Kinoauswertung gerettet werden konnte – glücklicherweise, denn nur auf der großen Leinwand kann sich EDISON entfalten. Dass der Film in den jetzigen Corona-Zeiten keine Chance hat, dürfte klar sein. Er wurde gewählt, weil mit ihm kein potientieller Hit verschenkt wird, seine Verluste sind von vornherein Teil der Rechnung. Ich mag ihn sehr, jedenfalls ist es kein Pappfigurenstück wie HARRIET – DER WEG IN DIE FREIHEIT, der zur Zeit (Juli / August 2020) immer noch läuft.
Vielleicht wird irgendwann eine kleine Kulturgeschichte der Kinofilme im Jahre Corona verfasst, dann muss auch von diesen beiden Filmen die Rede sein (historisch gesehen überlappen sich die Geschichten sogar). Man fragt sich aber auch: Sind dies nicht die Kino- und TV-Stoffe von einst, die heutigen Netflix-Streamern nimmer in den Sinn kämen? Arbeitet das Kino nicht aktiv an seinem Untergang, wenn jetzt vielfach „übriggebliebene“ Mittelware ausgewertet wird? Auch andere aktuelle Filme wie der (doofe) Action-B-Thriler UNHINGED mit Russell Crowe oder die deutsche HipHop-Teenieromanze INTO THE BEAT – DEIN HERZ TANZT folgen Mustern, die an sich uralt sind. Es gibt derzeit wenig, was herausragt (zum Beispiel das US-Familiendrama WAVES, auch BERLIN ALEXANDERPLATZ), und nichts, was sich rumspricht. Das Kino ist verzichtbar geworden, zuviel Zeit wurde im Frühjahr vertrödelt, ehe man Hygiene-Konzepte ausgearbeitet hatte, die einigermaßen greifen; die großen Kinoketten und die Filmtheaterverbände haben in historisch einmaliger Weise versagt, ihr Medium in der Zwischenzeit im Gespräch zu halten oder mit Politikern zu diskutieren (wenn doch, wurde es leider nicht dokumentiert); die Tageszeitungen, von denen ohnehin viele nicht mit Kinosachverstand glänzen, plusterten ihre Kultur- und Medienseiten mit großformatigen Serienbesprechungen auf Netflix, Disney+ usw. auf, oder mit DVD-Besprechungen von Kinofilmen, die noch ein halbes Jahr vorher auf der Leinwand zu sehen waren. Es gab in den letzten fünf Monaten so viele echte Serien-Empfehlungen und, was Spielfilme angeht, so viele Verlegenheitstipps in unseren Gazetten, dass sich Kinofreunde gewundert haben und es Cineasten gruselte. Absoluter Höhepunkt des Relevanzverlusts des klassischen Kinos ist die (zumindest zeitweise) Renaissance des Autokinos: Spaßvögel stecken eine Blu-ray (!) ins Laufwerk, und ab geht die Party! Ein paar Wochen später folgte noch das Radfahrer-Kino!! Wann kommt das Kinderkarren-Kino? – Wir sind noch nicht am Ende, aber ich glaube wir sind kurz davor.
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The Current War | USA 2017 | Regie: Alfonso Gomez-Rejon | Drehbuch: Michael Mitnick | Musik: Volker Bertelmann, Dustin O‘Hallorann | Kamera: Chung Chung-hoon (CS) | Darsteller: Benedict Cumberbatch, Michael Shannon, Nicholas Hoult, Tuppence Middleton, Tom Holland, Katherine Waterston, Matthew Macfadyen, Stanley Townsend, Conor MacNeill | Laufzeit: 108 Min.