Wahrscheinlich wusste es der damalige Oberbürgermeister der bayrischen Landeshauptstadt – das erst kürzlich verstorbene SPD-Schlachtross Hans-Jürgen Vogel – selbst überhaupt nicht, wem er da beim Einzug der Wiesnwirte 1968 von seiner Kutsche mit freundlichem Hutschwenken in die Kamera winkte. Dass er dadurch in einem sonderbaren Film landete, den viele Fans schon als unwiederbringlich verloren geglaubt hatten, konnte er noch weniger ahnen. Die Rede ist von JET GENERATION, dem Spielfilmdebut von Eckhart Schmidt, einer Produktion von Roger Fritz.
Oft ist JET GENERATION mit Michelangelo Antonionis BLOW UP (1966) verglichen worden und zu einem Gutteil stimmt das auch. Schließlich lässt sich nicht nur kleidungstechnisch eine Nabelschnur von Gunter Sachs über David Hemmings zu Roger Fritz vermuten – dass alle drei in der Fotografie ihre „Passion“ gefunden haben und somit Dinge, Sachen, Menschen anvisieren, um durch das Objektiv etwas unsagbares sichtbar zu machen, passt da gut ins Bild. Doch JET GENERATION ist noch so viel mehr, denn es ist die Nouvelle Vague, die ebenso wie die italienischen Psychothriller eines Umberto Lenzi hier Spuren hinterlässt, gepaart mit einem gewissen Flavour des neuen deutschen Films. Im Grunde ist JET GENERATION eine Art von „Giallo Bavarese“, der das große Drama à la Shakespeare um Schuld und Sühne, Gefühlsverstrickungen und Abhängigkeiten im Rahmen eines Großstadtportraits erzählt, dass bis heute sowohl als Zeitspiegel, wie als thrillendes Publikumskino funktioniert.
Dginn Moeller schwebt förmlich durch die Inszenierung, mit ihrer Mischung aus eiskalter Berechnung und fehlgeleiteter Sehnsucht taumelt sie umher wie ein Isarfloss in den Stromschnellen. Roger Fritz, der auf dem Regiestuhl von MÄDCHEN MIT GEWALT (1969) noch ein Meisterwerk des Jahrzehnts schaffen sollte, verbreitet denselben toxischen Charme, mit dem südlich der Alpen George Hilton, Jean Sorel oder Robert Hoffmann ihre Begleiterinnen in die Romeo-hafte Liebesfalle, ins Verderben lockten. Für Jürgen Draeger bräuchte es im Grunde gar kein Drehbuch, er verwebt seine schiere Präsenz mit überlegter Kindlichkeit; die unterschätzte Isi ter Jung geizt nicht mit Reizen und gibt eine aalglatte Femme fatale. Auch Rainer Basedow schaut vorbei, der kurz darauf von der Isar an die Elbe wechselte um bei Jürgen Roland DIE ENGEL VON ST. PAULI (1969) zu drehen. Jeder Filmcharakter schmiedet hier kurzfristige Zweckbündnisse, gerade solange gültig, dass man über die Nacht kommt. Parallel laufen mondäne Fotoshootings von flippig gekleideten Models vor den monumentalen Prachtbauten aus der Zeit Ludwig I. – schöner Schein des Jetzt vor schönem Schein vergangener Zeiten; manches bleibt sich eben gleich.
Es ist das Verdienst von Subkultur und besonders seinem „Honcho“ Tino Zimmermann, dass JET GENERATION, der hier stellvertretend für weitere Arbeiten das Labels wie etwa BLUTIGER FREITAG (1972) oder DIE BRUT DES BÖSEN (1979) steht, der Nachwelt in derart mustergültiger Form überantwortet wurde – wie langwierig, steinig und schlussendlich doch erfolgreich der Weg zur vorliegend restaurierten Fassung war, davon gibt das umfangreiche Booklet beredt Auskunft und verdeutlicht, mit wie viel Herzblut und Selbstausbeutung die Macher hier am Werk sind. Der Film – veröffentlicht im Digipack und zwei unterschiedlichen Covermotiven als nunmehr dreizehnter Eintrag in der preisgekrönten „Edition Deutsche Vita“ sowie in der abgespeckten Vanilla-Disc-Variante – feiert in der bislang unveröffentlichten, vom wiederentdeckten Originalnegativ in 4K digitalisierten, unzensierten Langfassung seine Auferstehung und ist technisch ein ungetrübtes Vergnügen in satter Schärfe und frischem Breitwand-Look.
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Jet Generation | BRD 1968 | Regie: Eckhart Schmidt | Darsteller: Dginn Moeller, Roger Fritz, Jürgen Draeger, Lukas Ammann, Rainer Basedow, Isi ter Jung
Anbieter:
Subkultur Entertainment