Nach einem Streit mit ihrem Freund verlässt die junge Martine die Stadt und tritt in einer abgelegenen Seniorenresidenz eine Stelle als Hausmädchen an. In dem imposanten, aber leicht heruntergekommenen Chateau leben ein gutes Dutzend schrulliger Bewohner, die glamouröse Heimleiterin Hélène und der unheimliche, hinkende Hausmeister Flavien. Kurz nach Martines Eintreffen verschwindet ihre Kollegin Nicole auf rätselhafte Weise. Die neugierige Martine lässt sich nicht mit fadenscheinigen Erklärungen abspeisen und beginnt in dem Altersheim Ermittlungen anzustellen. Schnell stößt sie auf ein ungeheuerliches Geheimnis und setzt dabei schließlich auch ihr Leben aufs Spiel, denn die bizarren Bewohner haben das Geheimnis des ewigen Lebens gelüftet, und das verlangt nach einer besonderen Diät…
Es heißt, in Deutschland und Frankreich wären nahezu keine nennenswerten Horrorfilme entstanden. Für Deutschland mag das zutreffen. Wenn man vor dem Dritten Reich entstandene Meisterwerke wie NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922) abzieht, lässt sich der Rest leicht an zwei Händen abzählen. In Frankreich sieht es schon anders aus, nicht nur waren dort bereits um die Jahrhundertwende herum Sujets des Filmpioniers Georges Méliès fantastischer und gruseliger Natur, auch vor und nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden zahlreiche Horrorfilme (auch wenn sich nicht alle selbst als solche verstanden).
Auf der anderen Seite steht eine zahlenmäßig größere Gruppe von kommerziellen B-Movies, darunter die erotischen Vampirfilme von Jean Rollin und Werke wie DAS BLUTIGE SCHLOSS DER LEBENDEN LEICHEN (1970, Claude Mulot), IN DEN KRALLEN DES UNSICHTBAREN (1971, Pierre Chevalier) oder LES WEEK-ENDS MALÉFIQUES DU COMTE ZAROFF (1976, Michel Lemoine). Man mag einwenden, dass es einige dieser Filme in Sachen Poesie und Kunstsinn durchaus mit den weiter oben genannten aufnehmen können, nicht zuletzt natürlich die Werke von Jean Rollin, trotzdem sind sie alle in ihrer Wahrnehmung vor allen Dingen durch ihre exploitative Vermarktung geprägt. Auffallend ist, dass bei diesen Filmen, stärker noch als bei vergleichbaren italienischen Produktionen, stets der Faktor Erotik als Verkaufsargument im Vordergrund stand. Sicher nicht zufällig waren alle Regisseure dieser Filme zeitgleich oder nachfolgend auch im erotischen oder gar Hardcore-Genre tätig.
Regisseur Raphaël Delpard war 1980 alles andere als ein Neuling im Filmgeschäft. Nicht nur war er bereits in diversen Filmen als Darsteller zu sehen gewesen und hatte Drehbücher für Robert Enrico und Jean-Pierre Mocky verfasst, er hatte auch bereits bei zwei Pornos und der deutlich harmloseren Familienkomödie ÇA VA PAS LA TETE (1978) Regie geführt. Um einen weiteren Film realisieren zu können, wandte sich Delpard, wie viele seiner Kollegen dem kommerziell vielversprechenden Horrorgenre zu, dies allerdings ohne Vorurteile oder Berührungsängste, da von frühester Jugend an Fan des Phantastischen.
Da das Budget seiner Geldgeber keine großen Sprünge zuließ, siedelte Delpard den Plot von DIE NACHT DES TODES! an einem einzigen Ort an. Das mondäne, wenngleich schon leicht angegammelte Herrenhaus, bietet einen verwunschenen Schauplatz, der im Laufe des Filmes mehr und mehr klaustrophobische Züge entwickelt wenn deutlich wird, dass Nicole ihm nicht so einfach entrinnen kann. Ähnlich wie bei Jean Rollin tendieren auch hier Darstellerspiel, Kameraführung und Montage in Richtung einer leicht sediert wirkenden Ruhe, die je nach Zuschauer vermutlich ganz unterschiedliche Wirkung entfalten. Manch einer mag den Film als sperrig, unelegant, ja vielleicht sogar unprofessionell empfinden, für andere könnte er vielleicht gerade deshalb Arthouse-Atmosphäre verströmen. Immer wieder baut Delpard wirkungsvoll Spannungsmomente auf und spart auch nicht mit wohldosiertem Splatter, die betuliche Montage und passionsspielartigen Darbietungen der Darsteller konterkarieren dies allerdings stets, gewollt oder ungewollt. Komponist Laurent Petitgirard, sonst eher in der Avantgardemusik beheimatet, trägt mit seiner nervenzerrenden Kammermusik aus Streicherensemble und Solostimme ebenfalls zur artifiziellen Grundstimmung des Ganzen bei.
Ein jeder mag DIE NACHT DES TODES! auf seine Art „lesen“. Marcus Stiglegger und Jakob Larisch stellen den Film in ihrem Booklettext nicht nur in einen Kontext mit der Tradition der Gothic Novel, sondern arbeiten nach der Devise „Alt frisst Jung“ auch einen politisch-soziologischen Subtext heraus. Eine Filmentdeckung mit vielen Facetten also. Für diese optimale Ausgabe kann man nur eine absolute Empfehlung aussprechen!
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La nuit de la mort! | Frankreich 1980 | Regie: Raphaël Delpard | Darsteller: Isabelle Goguey, Charlotte de Turckheim, Betty Beckers, Michel Debrane, Ernest Menzer, Michel Duchezeau u.a.
Anbieter: Camera Obscura