London in den Swinging Sixties. Der jungen Generation geht es zu gut; der Ödnis und Leere des täglichen Lebens im Räderwerk versucht man mit Sex, Suff und Drogen zu entkommen: Eine Clique junger Freunde gibt sich Dekadenz und Libertinage hin; Chris und Sheila geben regelmäßig ausschweifende Parties (Kultschöne Jill Haworth soll während des Drehs wirklich unter Drogen gestanden haben); Gary ist mit Dorothy zusammen, schläft aber im Hinterzimmer mit Sylvia, die ihrerseits ihres Verhältnisses mit dem verheirateteten Bob überdrüssig ist. Zur Gruppe gehören außerdem Peter, die gewichtige Madge und der schüchterne Richard. Als die Clique eines Abends beschließt, die langweilende Fete spontan in ein berüchtigtes Spukhaus zu verlegen, werden sie von dem eifersüchtigen Bob verfolgt. Bald darauf, nach Seance und trunkener Hauserkundung, wird plötzlich Gary tot aufgefunden. Er wurde offenbar von einem Wahnsinnigen auf blutige Weise abgeschlachtet…
Die Entstehungsgeschichte ist spannender als der Film selbst. Für den 25 Jahre jungen Autor Michael Armstrong wurde der Traum wahr, mit einem Schubladendrehbuch sein Regiedebüt realisieren zu dürfen, als Tigon-Produzent Tony Tenser einen geeigneten Horrorstoff für den US-Teeniemarkt suchte. Allerdings kippte der Traum schnell, nahmen Produktion und Verleihe zunehmend Einfluss auf den entstehenden Film und ließen den Cast mit populären Schlagerstars aufpeppen und von anderer Hand zusätzliche Szenen schreiben und nachdrehen, die Struktur und Handlung von Armstrongs Film massiv veränderten, das ursprüngliche Eifersuchtsdrama zu einer wilden Fabel um einen traumatisierten Psychopathen umbogen.
Als Prototyp des modernen Slayerfilms wird das HAUNTED HOUSE OF HORROR heute gern gedeutet, u.a. in den Audiokommentaren auf dieser Veröffentlichung. Tatsächlich steht der Film sichtlich in der Tradition von Hitchcocks PSYCHO und dessen vielfachen Imitationen, lässt ebenso Anklänge an die von Jimmy Sangster geschriebene Thriller-Reihe der Hammer Films spüren wie an die frühen Serienmörder-Filme Mario Bavas, die ihrerseits auch eine Antwort auf die deutschen Edgar-Wallace-Reißer waren. (Urbilder des blutigen Horror-Subgenres sind sicher auch die True-Crime-Thriller etwa Richard Fleischers und die Splatterfilme eines H.G. Lewis.)
Was an HAUNTED HOUSE dabei jedoch das eigentlich Emblematische darstellt – und eine direkte zu Linie zu späteren Werken wie HALLOWEEN oder FRIDAY THE 13th aufzuzeigen scheint – , ist weder die Handlungsstruktur noch die Serienmordmotivik, die durchaus auch literarische Vorbilder hat, sondern die konservative Grundhaltung, in der das Abschlachten der als degeneriert und sittenlos gezeichneten jungen Leute nurmehr wie eine konsequente, gar gerechte Strafe für Promiskuität und Hedonismus wirkt. Insofern werden die Horrorfilme (s.a. etwa auch die Vampirfilme TWINS OF EVIL oder DRACULA A.D. 1972) zum Gegenentwurf von Free Cinema und New Hollywood, in dem etwa das London der Swinging Sixties zum Sündenbabel Sodom wird, wo dem moralischen Verfall nur noch blutige Läuterung entgegen gestellt werden kann. Aus heutiger Perspektive eine sehr moderne Thematik in einer Zeit des aggressiven Egoismus zu Lasten der Allgemeinheit…
Visuell ist der Film ebenso ein wunderbares Kind seiner Zeit; Dekor und Mode kommen in abstrakten Formen und Pastellfarben daher. Nicht von ungefähr ist der Plot vage in der Modewelt der Carnaby Street angesiedelt; die Kostüme liegen irgendwo zwischen Fetisch und Blümchensex, und selten waren Blut und Regenmäntel von so intensivem Rot. Die Veröffentlichung ist, wie man es von X-Rated seit jeher gewohnt ist, der Film wird auf DVD und Blu-ray vorgelegt. Erhellend rekapituliert werden die Hintergründe der Produktion und ihre Einbettung in den filmhistorischen Kontext in den Begleittexten von Martin Beine und den Anmerkungen der zahlreichen Audiokommentatoren, darunter Matthias Künnecke, Christopher Klaese (die wieder einmal ihre enorme Kenntnis vor allem im Musikbereich unter Beweis stellen) sowie Gerd Naumann und Kai Naumann. Die deutsche Tonspur enthält viele Fehlstellen, die mit Untertiteln gefüllt sind – vermutlich war der Film seinerzeit für die deutsche Kinoauswertung gekürzt. In TV oder auf Video – und damit überhaupt über Jahrzehnte – war er nicht zu sehen. In jedem Fall also eine wichtige und interessante Entdeckung, die eine Lücke in der klassischen britischen Horrorfilmgeschichte schließt.
The Haunted House of Horror
GB 1969
Regie u. Drehbuch: Michael Armstrong, Gerry Levy
Kamera: Jack Atchelor
Musik: Reg Tilsley
Darsteller: Frankie Avalon, Jill Haworth, Mark Wynter, Dennis Price, George Sewell, u.a.
Laufzeit: 92 Min.