Sonne, Sex und Schach.

Es braucht nicht immer Spione für ein Spy Movie. DEADLIER THAN THE MALE ist zwar kein Spionagefilm im engeren Sinn, doch aufgebaut wie ein Bondmovie: exotische Locations, technische Gadgets, Bedrohung der Wirtschaftsordnung durch falsch spielende Kapitalisten, Sex als verlängerter Arm des Konsumismus. Und ein Titelsong der Walker Brothers, die mit ihrem Orchesterpathos in den sechziger Jahren eigentlich prädestiniert gewesen wären, die Titelmelodie für einen Bondfilm zu schreiben und interpretieren.

Tödlicher als die Männer? Gleich in der Eingangsszene wird das Geschlechterthema lanciert. Stewardess Irma Eckman (Elke Sommer) im Privatflugzeug des Ölmagnaten Henry Keller entpuppt sich als gnadenlose Killerin, als sie Keller eine Zigarre mit eingebauter Pistolenkugel anzündet. Tod durch Kopfschuss. Mit dem Fallschirm entkommt sie dem kurz darauf explodierenden Flugzeug. Dabei geht übrigens nicht nur der Walker Brothers Song los, sondern das Wort „Heiss!“ wird über den Explosionsrauch am Himmel geschrieben, bevor der deutsche Filmtitel HEISSE KATZEN erscheint und der Gesang warnt: „Brother, beware / Take care, my brother, take care / For the female of the species is deadlier than the male.“ Irma wird mit dem Boot von Penelope (Sylva Koscina) abgeholt, und um die drohende Gefahr, die von den beiden glamourösen Frauen ausgeht, zu unterstreichen, sehen wir sie gleich nach dem Vorspann dem Meer entsteigen. Die 5 Jahre zuvor für den ersten Bond (DR. NO) gedrehte Szene mit Harpunenfrau Ursula Andress, die zum Archetypus der den Fluten entsteigenden weiblichen Wilden wurde, ist hier verdoppelt. Verstärkt. Ins Gefährliche drückend. Zwei Frauen, von denen eine gerade ein Flugzeug in die Luft jagte, kommen nun mit Harpunen aus dem Meer und treffen auf einen coolen, entspannten Mann. Doch im Gegensatz zu Bond, der es mit der Andress aufnehmen kann, wird David Wyngarde (John Stone) von den beiden Killerinnen sofort getötet.

Die beiden Frauen morden allerdings nicht aus Spaß, sondern aus Kalkül. Sie sind genauso berechnend wie ein James Bond, aber nicht so nationalistisch. Wenn schon, dann sind sie globalistisch-kapitalistisch. DEADLIER THAN THE MALE bewegt sich ausschließlich im kapitalistischen System – kein Vaterland, keine Majestät, keine Kommunisten, keine Altnazis, keine patriotisch verblendeten Amerikaner. Es geht nur ums Geld. Es geht um Ölgesellschaften und einen Merger.

Irma meldet sich nämlich kurz darauf in der Vorstandsetage von Phoenecian Oil und fordert die Million Pfund, die sie angeboten hatte dafür, dass Keller Oil auf den Merger eingeht – was mit dem Tod des Besitzers der Fall ist. Die Auszahlung der Summe wird vom Vorstand knapp abgelehnt. Eine Gegenstimme zu viel. Die Art, wie der lautstärkste Gegner nachts von den beiden Frauen behandelt wird (nein, nicht verführt! Er wird ein Hochhaus heruntergeworfen: „I’ve had men fallen for me before, but never like this.“), bringt den Vorstand tags drauf dazu, dem Geldtransfer nun einstimmig zuzustimmen. Doch Sir John Bledlow (Laurence Naismith), einer der Vorsitzenden der Phoenecian Oil, riecht das Unheil und hat bereits Hugh „Bulldog“ Drummond (Richard Johnson) auf die „Erpresserinnen“ angesetzt.

Hugh Drummond wäre der eigentliche Star des Films, doch tatsächlich wird ihm von den Frauen die Show gestohlen. Drummond ist eine fiktive Figur des Autors H.C. McNeile, der unter dem Pseudonym „Sapper“ nach dem Ersten Weltkrieg Bücher veröffentlichte. Nach seinem Tod wurde die Serie von Gerard Fairlie fortgesetzt. Als gelangweilter Erstweltkrieg-Veteran sucht der reiche Gentleman Drummond nach dem Krieg die Abenteuer. Bei Sapper ist er ein Hühne von einem Mann, nicht wirklich attraktiv, aber auch nicht übermäßig klug. Sein gesunder Menschenverstand ist es, mit dem er auch intellektuell überlegene Gegner schlägt. Unser Film-Drummond der Sixties besitzt da schon etwas andere Eigenschaften: Er ist gutaussehend (aber kein großgewachsener Kraftbolzen) und setzt Aussehen und Charme für die Abenteuer mit dem anderen Geschlecht ein. Wie Bond und so viele andere Agenten der Zeit ist er ein überaus erfolgreicher Schürzenjäger, genauso wie ein erfolgreicher Agent im Kampf für das Gute – was zumeist als Stabilität des kapitalistischen Systems zu übersetzen ist. Die Häufung dieses Männertypus in den sechziger Jahren entspringt der Sinnleere, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Aufbau der überaus bunten Konsumwelt in den Fünfzigern entwickelte. Die Konsequenz daraus: Kriege konnten nur noch undercover geführt werden, und Frauen waren die interessanteren und prestigeträchtigeren Spielzeuge als Sportwagen.

Seine Ausstrahlung auf das weibliche Geschlecht gibt Hugh Drummond gleich zu Beginn zum Besten, als sein gutaussehender Neffe Robert (Steve Carlson) bei der gleichaltrigen Brenda (Virginia North) Zurückhaltung zu spüren bekommt, während sie jedoch nachts, als Robert schläft, alles unternimmt, um Hugh ins Bett zu kriegen. Hugh widersetzt sich ihrem Klimpern mit den Champagnergläsern und dem kurzen Nachthemd nicht lange, Robert hin oder her. Und das nach einer Szene, in der Robert bei Hughs erster Bettbekanntschaft, Miss Ashendon (Justine Lord) gnadenlos abgeblitzt ist.

„My boldness is a refinement of my own“ („Meine Kühnheit habe ich mir selbst beigebracht“) meint Miss Ashendon zu Hugh Drummond, als sie ihn Schachmatt setzt (sie spielt die kühlen weißen, er die emotionalen roten Figuren). Schach wird in der Folge zur wichtigen Metapher. Wer bleibt rational und kühl und handelt trotzdem „bold“ genug, wenn es um Leben und Tod geht?
Aber wir wissen nun: Hugh Drummond ist also bei Frauen genau so erfolgreich wie Irma Eckman und Penelope bei Männern. Der Geschlechterkampf kann losgehen. Die Suche nach den Mörderinnen Irma und Penelope und ihrem Hintermann Carl Petersen (Nigel Green) – ja, es ist ein Mann, der alle Fäden zieht (wie in vielen Filmen der Zeit) – führt Hugh schliesslich zu einem idyllischen Schloss am Meer (ganz ähnlich Joseph Loseys Spy-Komödie MODESTY BLAISE), in dem fast ausschließlich Frauen leben und arbeiten. Und in diesem Schloss entfacht der Showdown zwischen Drummond und Petersen, der sich übrigens (und ohne zu viel zu verraten) auf einem überdimensionierten Schachbrett mit automatisierten Figuren und Falltüren abspielt. Das Schachbrett wird in der Endszene zum Sinnbild für die Komplexität, welche die neue Weltordnung verlangt: Das riesige Schachspiel ersetzt physische Gewalt und Krieg. Hier driftet der Film plötzlich in diesen artifiziellen Surrealismus, der einige Spionagefilme und Serien der Zeit ausmachte, am offensichtlichsten die TV-Serie MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE (THE AVENGERS) oder die Bond-Parodie CASINO ROYALE (1967).

Ganz so kühl und rational ist die Welt in DEADLIER THAN THE MALE jedoch nur in Bösewicht Petersons Vorstellung. Mordanschläge in dunklen Parkhäusern, Explosionen, klassische Yachtaufenthalte mit Actionszenen, und auch sehr direkte sexuelle Avancen und deftigere Bedrohungen sexueller Natur, die hier nicht verraten werden, prägen den sehr hellen, high-gloss Sixtiesfilm, der zwar wie ein Bondfilm daherkommt, seine thematische Ausrichtung doch ziemlich anders legt. Anyway, Quentin Tarantino hat sich jedenfalls als großer Fan geoutet (was kein Wunder ist, so wie das Thema der selbstbewussten, kastrierenden Frauen gespielt wird …).

Hauptdarsteller Richard Johnson war übrigens die erste Wahl im Casting für James Bond. Das scheiterte allerdings an Vertragsstreitigkeiten – was den Weg für Sean Connery frei machte.

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Deadlier than the Male | UK 1967 | Regie: Ralph Thomas | Drehbuch: Liz Charles-Williams, David D. Osborn, Jimmy Sangster | Musik: Malcolm Lockyer | Titelsong: The Walker Brothers | Darsteller: Richard Johnson, Nigel Green, Elke Sommer, Sylva Koscina, Suzanna Leigh, Steve Carlson u.a. | Laufzeit: 94 min.

Anbieter: Koch Media

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