“Oh who is she? A misty memory. A haunting face. Is she a lost embrace?”
“Am I in love with just a theme? Or is Ayesha just a dream? A mystery. Oh who is she?”
Melancholisch schwebend wabert der fragende Titelsong dahin, Bob Fields‘ Falsettstimme geht ins Ohr und gibt die Stimmung vor. Mystisch schreitet ein blondes Superweib die Serpentinen hinab, diese Wiedergeburt einer bildschönen Gottheit, geträumt in Träumen aus 1001 Nacht, zieht alle in ihren Bann – oder ist sie selbst in fremdem Bann gefangen? Noch ehe wir so recht begreifen, worum es geht, dreht die Musik voll auf – Solosaxophonist Tubby Hayes, eine früh vollendete Kultfigur der britischen Jazzszene, veredelt die flinken Motive, mit denen die abwechslungsreich hantierende Kamera unserer unbekannten Schönen folgt. Wer ist sie, die durch die Zeit zu wandeln scheint? Die sich selbst nicht klar ist über sich, die jedem Mann in ihrer Nähe zum Verhängnis zu werden scheint?
Mitte der 1960er Jahre versuchte sich Hammer Films an allerlei Genres – im Grunde nichts Neues, hatte die Firma doch schon seit ihrer Gründung einen bunten Kreis an Themen abgedeckt. Doch seit einigen Jahren galten sie als Synonym für englischen Horror, sahen sich dadurch in die Sackgasse des eigenen Erfolgs manövriert. Somit nimmt es nicht Wunder, dass man sich für die 100. Produktion der Schmiede etwas Neues ausdachte: EINE MILLION JAHRE VOR UNSERER ZEIT war nicht nur dementsprechend emotional aufgeladen, sondern auch der erste prähistorische Stoff, dessen man sich annahm – mit dem aufstrebendem Sexsymbol Raquel Welch und den durch Stop-Motion animierten Dinosauriern Ray Harryhausens gelang ein veritabler Kassenerfolg, der Hoffnung auf die Erweiterung des Portfolios machte.
So schien es folgerichtig einen Anschlussfilm hinterherzuschieben; für die nicht rechtzeitig unter Folgevertrag genommene Welch sprang die bis dato in vorwiegend deutsch koproduzierten Europloitationfilmen aufgetretene Tschechin Olga Schoberová ein, deren schauspielerische Mittel zwar limitiert blieben, doch für das, was ihre Rolle ausmachen sollte, fügte sie sich passecht in die Inszenierung ein. Auch John Richardson, der bereits im Vorgänger mit von der Partie war, ist zugegen, mit stolzem Brusthaar hält er zuvorderst seine stahlblauen Augen in die Kamera – lange bevor er es, mit darstellerischen Kräften merklich haushaltend, in spanischen Gefilden mit augenausstechenden Serienuntätern zu tun bekommen und Umberto Lenzi auf dessen herrlicher Geisterbahnfahrt LABYRINTH DES SCHRECKENS (auch LABYRINTH DES ROTEN TODES) begleiten sollte. Colin Blakely und André Morell, alte Recken des englischen Horrorfilms, schauen für Gastauftritte vorbei, die im Gedächtnis bleiben.
Unter Fans genießt JUNG, BLOND UND TÖDLICH nicht den besten Ruf, doch obgleich die Geschichte kompletter Kokolores ist, lohnt durch diese Wiederveröffentlichung ein genauerer Blick auf das Werk. Hammer probt den großen Brückenschlag, indem Versatzstücke aus DIE RACHE DES PHARAO mit dem damals aktuellen Okkultismus-Hype verknüpft werden, unterfüttert mit dem Jet-Set in Monte Carlo und Elementen, die in ihrer ‚Culture clash‘-Attitüde an Sax Rohmers Sumuru gemahnen. Aufsehenerregende Themen der 1960er werden mit bekannten Geschichten verknüpft, alte Menschheitsträume wie Wiedergeburt und Unsterblichkeit werden obendrein abgehandelt. Dennoch speist sich zum damaligen Zeitpunkt der Blick der Macher auf die arabische Welt mit ihrer Kultur aus Tiefausläufern des Postkolonialismus, auch schielt man durch die Wahl und Inszenierung der Hauptdarstellerin nach dem sexuellen Effekt – SEX VOR SECHS MILLIONEN JAHREN spielte später in der derselben Liga und drehte die Schraube der Freizügigkeit noch ein bisschen weiter.
Interessanterweise – darauf wies mich vor einiger Zeit mein geschätzter SI-Kollege Matthias Künnecke hin – erschien die „Novelization“ der Filmgeschichte sogar in deutscher Sprache. Im Rahmen der legendären Taschenbuchreihe „Bibliothek der phantastischen Abenteuer“ gelangte die Peter Tremayne zugeschriebene Story 1987 als „SIE rächt sich“ in die Auslagen unserer Buchläden. Die opulenten Sets und handgemachten, souveränen Effekte trösten über manche Unzulänglichkeit der Story hinweg, wobei Ausschnitte des dick ausgestatteten Films zwecks Kostenersparnis später sogar in WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA? wiederverwendet wurden. Insbesondere die kunstfertig und geschickt gearbeiteten Verbindungen zwischen Live-Action und Trickaufnahmen lassen Fanherzen höherschlagen.
In seinem zweiten von vier Einsätzen für Hammer Films schmiert der experimentierfreudige Komponist Mario Nascimbene diesen Abenteuerstreifen mit abwechslungsreichen Klängen. Mit einem unheildräuenden Streicherglissando als Indikationsmotiv, dass bei der Zusammenkunft von alter und neuer Zeit sein volles Panorama entfaltet, und viel ägyptischem Klangkolorit etabliert er zwei Hauptthemen in Variationen, wobei diese vom Smoothjazz bis zum großorchestralen Peplum-Sound durchgearbeitet werden. Typische Tonleiter- und Harmoniegebilde, die den Klang der arabischen Welt in unverwechselbare Töne kleiden, zeigen, dass sich Nascimbene als vollausgebildeter Profi betätigt, der von rhapsodischer Symphonik à la Rimski-Korsakow bis zum kammermusikalischen Idiom Marke Cinecittà alles auf der Pfanne hat und dem Film klanglich dadurch zu ganz eigenwilliger Schönheit verhilft.
Jüngst im Mediabook erschienen, präsentiert sich JUNG, BLOND UND TÖDLICH mit knackig scharfem Bild, jede noch so kleine Schweißperle wird glasklar dargestellt. Neben der deutschen Synchronisation und dem englischen Originalton in klarer, frischer Mono-Abmischung, offenbart die Edition einen Audiokommentar mit Uwe Sommerlad und Volker Kronz sowie ein dickes Booklet, geschrieben von Dr. Rolf Giesen und Lars Dreyer-Winkelmann. Im Rahmen kleiner Interviews berichtet Joy Cuff über ihre Arbeit als Modellbauerin, wie man sich als Frau in einem männerdominierten Beruf durchsetzt und wie es ihr als unsichtbar hinter der Kamera arbeitendes Crewmitglied gelang, zumindest ihren rechten Fuß sichtbar in den fertigen Film zu bekommen. Regieassistent Terence Clegg – kein Mitglied der BANDE DES CAPTAIN CLEGG – erinnert neben Edward Judds Starallüren vor allem eine Produktionspanne im spanischen Almeria, an der sich ablesen lässt, wie sehr diese Gegend damals von Filmteams überbevölkert war. Trevor Coop, der sich durch die vielen extra vergüteten Überstunden als zweiter Kameraassistent ein kleines Vermögen verdiente, hat für seinen Chef Wolfgang Suschitzky nur Worte des Lobes übrig. Die fünfundzwanzigminütige Dokumentation WORLD OF HAMMER: LAND BEFORE TIME, der britische Kinotrailer, einige amerikanische TV-Spots sowie der britische Werberatschlag, das US-Pressbook und eine umfangreiche Bildergalerie schließen die Bonussektion ab.
Mag JUNG, BLOND UND TÖDLICH der Malus des Nachfolgers anhaften, als eigenständiger Film lohnt der Streifen einer Widerentdeckung. Denn die eingangs aufgeworfenen Fragen rund um die alte Pyramidenherrscherin gilt es schließlich zu beantworten – für jeden Zuschauenden und jeden Käufer dieser feinen Edition.
“I call her name across an endless plain. She’ll answer me wherever she may be.”
“Somewhere across the sea of time a love immortal just like mine will come to me eternally.”
“Immortal she. Return to me”
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The Vengeance Of She | Großbritannien 1968 | Regie: Cliff Owen | Darsteller: John Richardson, Olinka Berova/Olga Schoberová, Edward Judd, Colin Blakely, Jill Melford, André Morell u.a.
Anbieter: Anolis Entertainment