Ein ziemlich britischer Schrecken.

Traurig ist, wenn Künstler von spätem Ruhm, wenn er posthum ist, nichts mehr mitbekommen. Beim im März letzten Jahres verstorbenen britischen Regisseur Norman J. Warren war das zum Glück nicht der Fall, obwohl auch seine Popularität erst so richtig in Fahrt kam, als er schon nicht mehr auf dem Regiestuhl saß. Er hat seine Wiederentdeckung und positive Neubewertung allerdings nicht nur miterleben, sondern auch selbst mit vorantreiben können.

Warren war eine nicht nur in England rare Spezies: ein Regisseur, der nicht im Studioauftrag filmte, sondern seine Produktionen unabhängig selbst finanzierte und so die Rechte halten konnte. Neben seinem Landsmann Pete Walker, ebenfalls im Horror- und Thriller-Genre tätig, gab es sehr wenig Beispiele solcher wirklichen Independent-Filmer. Obwohl Warrens Werke in den Siebziger und Achtziger Jahren internationale Auswertungen im Kino und auf VHS erfuhren, war sein Name außerhalb von Fan-Zirkeln nur Wenigen geläufig. Das änderte sich, als er 2004 seine vier wichtigsten Filme erstmals für ein DVD-Box-Set an das US-Label Anchor Bay lizensierte und auch gleich einen ganzen Batzen Bonusmaterial produzierte, inklusive eines langen Interviews, das er sozusagen mit sich selbst führte. In den letzten Jahren eroberten seine Filme dann auch in die Blu-ray-Welt, zuerst in den USA via dem Vinegar-Syndrome-Label und wenig später in England via eines luxuriösen Box-Sets beim Indicator-Label. Auch hier war Warren wieder mit einer ganzen Menge selbstproduzierter Interviews und Audiokommentare beteiligt. Wer das Anchor-Bay-Set schon begeistert „inhaliert“ hatte, dem kam in Warrens Erzählungen auf Blu-ray vieles bekannt vor, aber die Streifen erstmals in HD zu sehen, war eine Wucht.

Seit nicht allzu langer Zeit kommen Warrens Filme nun auch hierzulande auf Blu-Ray heraus. Den Anfang machte sein kleiner, feiner SF-Schocker PREY (1977), in Deutschland als ALIEN PREY und THE DESTRUCTOR bekannt, bei Daredo Films. Bei Anolis Entertainment folgten dann TERROR (1978), 2020 im Mediabook, und SAMEN DES BÖSEN (1981), 2021 ebenfalls im Mediabook. X-Rated legte im selben Jahr Warrens drolliges Spätwerk, den Grusler BLOODY NEW YEAR in einer fabelhaften Edition vor. Lediglich Warrens erster Horrorfilm SATAN´S SLAVE (1976), mit Michael Gough, mein Favorit aus seinem Schaffen, lässt bislang in Deutschland auf DVD und Blu-ray auf sich warten.

Hier wollen wir aber einen Blick auf Anolis‘ deutsche Blu-ray-Ausgabe von TERROR werfen, einem Film, dem hierzulande keine Kinoauswertung vergönnt war und der unter dem leicht bescheuerten Titel KILLING HOUSE auf VHS herauskam. Ohne zu spoilern darf verraten werden: es gibt zwar ein Haus in diesem Film, mehrere sogar, aber keines davon tötet. Getötet wird allerdings nicht gerade sparsam in TERROR (glücklicherweise hat Anolis sich entschieden, den Originaltitel zu verwenden). Wie ein Slasher, das zur Entstehungszeit gerade populäre Genre, besteht auch dieser Film aus gleichmäßig platzierten Mordszenen, aufgereiht wie auf einer blutigen Perlenkette. Nur: TERROR ist eigentlich kein Slasher, sondern ein übersinnlicher Horrorfilm über eine auf dem Scheiterhaufen verbrannte Hexe, die sich an den Nachkommen ihrer Mörder rächt.

Den recht überschaubaren Plot halten Norman J. Warren und sein Stammautor David McGillivray allerdings nicht lange durch, munter wechseln die Todesfälle von Hokuspokus (amoklaufende Autos, brennende Badewannen) zu handelsüblichen Slasher-Messer-Kills. Noch verwirrender ist, wem die Attacken gelten, denn die Hexe scheint es trotz gegenteiliger Ankündigung nicht so genau zu nehmen, wen sie im Visier hat.

Logik ist da ein Fremdwort, war aber auch nicht beabsichtigt, vielmehr hatte Warren den Film SUSPIRIA seines italienischen Kollegen Dario Argento gesehen, war begeistert, und fühlte sich inspiriert von der barocken Opulenz und narrativen Freiheit. Beidem eiferte er bei TERROR nach, mit Hexenspuk, lauter Musik und sattbunter Ausleuchtung einiger Schreckensszenen. Wenn allerdings Argentos SUSPIRIA ein italienisches Fünf-Gänge-Menü mit Tiramisu und Grappa ist, ist Warrens TERROR eher eine Tüte Fish & Chips. Aber wer sagt, dass die nicht auch sehr lecker ist? Selbst wenn Warrens Hexe eher wie eine schlechtgelaunte Sekretärin, die Filmmusik wie ein frühes Nintendo Game und die Farbwelt wie in einer Peep Show in Soho rüberkommen, TERROR macht trotz handgemachter Atmosphäre Spaß und nimmt sich nie allzu ernst, speziell wenn Warren und McGillivray ihren Karrierestart im britischen Softsex-Kino parodieren.

Anolis hat sich mal wieder nicht lumpen lassen und spendierte dem Film neben einer fantastischen Abtastung, knackscharf und hier und da geradezu erschreckend bunt, einen Audiokommentar mit Dr. Rolf Giesen, Uwe Sommerlad und Volker Kronz, die sich gutgelaunt mal über den Film und mal über konkurrierende „Filmwissenschaftler“ auslassen, Interviews mit Warren und Darsteller John Nolan (übernommen aus der Indicator-Box), Warrens frühen Kurzfilm FRAGMENT (1965), einen Sack voll Trailer und eine imposante Bildergalerie. Die deutsche Synchronisation ist, obwohl für VHS entstanden, ebenfalls gut und klingt hervorragend.

Terror
Großbritannien 1978
Regie: Norman J. Warren
Darsteller: John Nolan, James Aubrey, Sarah Keller, Trishia Walsh, Glynis Barber, Michael Craze u.a.