Angelina Jolie ist supertough. Also zurück auf Feld 1 zu TOMB RAIDER? Es ist eine überraschende Entscheidung, die Taylor Sheridan für seinen neusten Film getroffen hat. Jolie wird‘s daneben aber auch gefallen haben, eine Frau in einer völlig männerdominierten Berufswelt zu spielen. Ihr Job ist es, mit dem Fallschirm aus dem Helikopter in brennende Wälder zu springen und Menschen aus dem Flammenmeer zu retten.
Hannah Faber (Jolie) ist die einzige Frau inmitten einer Gruppe harter Jungs und sie ist genauso „verrückt“, wenn nicht noch verrückter als die Jungs. Sie säuft wie die Jungs, kann sich souverän gegen Anmache wehren und lässt sich auf einem Pickup stehend mit einem Fallschirm durch den Wald fahren, um das Teil irgendwann zu öffnen. Hochgefährlich und hochverboten.
Weil sie dabei vom örtlichen Sheriff erwischt wird, wird sie zum Feuerwachdienst auf einen einsamen Hochsitz (bzw. ein verdammt cooles Hochsitzhaus) mitten in einem der großen Wälder Montanas verbannt. (Montana? Ja, Taylor Sheridan bleibt den wenig urbanisierten Gebieten der USA treu. Sein neuer Film spielt wie bereits YELLOWSTONE in Montana.) Durch kurze Rückblenden merken wir bald, dass Hannah ein Trauma aufzuarbeiten hat. Sie gibt sich die Schuld an drei Jungen, die sie in einem Waldbrand nicht mehr zu retten vermochte. Parallel dazu spitzt sich in einer Stadt in der Nähe eine mafiöse Geschichte zu, die sich in die Wälder verlagert. Nachdem sein Chef ermordet wurde, flüchtet der forensische Buchhalter Owen Casserly (Jake Weber) mit seinem ca. 12jährigen Sohn Connor (Finn Little) vor den Mafiosis Patrick und Jack Blackwell (Nicholas Hoult, Aiden Gillen). Er will mit den belastenden Unterlagen das abgelegene Waldhaus seines Schwagers Ethan (Jon Bernthal) erreichen, seines Zeichens Vizesheriff und Ex-Freund von Hannah. Doch bei einem Überfall der beiden Blackwells stirbt Vater Owen, übergibt aber seinem Sohn noch die Indizien. Hannah begegnet dem Jungen, bevor ihn die beiden Gangster umbringen können – doch das ist der Startschuss einer Jagd durch die Wälder Montanas. Erschwert durch einen sich rasant ausbreitenden Waldbrand, der von den beiden Gangstern entfacht wurde, um die Polizei abzulenken.
Der Grund für all das liegt in diesen Unterlagen, von denen wir nicht wirklich erfahren, was sie beinhalten. Dubiose Geschäftsfinanzen vermutlich. Das ist jedenfalls nun ein reiner McGuffin, und hier beginnt das Problem. Wenn nicht einmal eine Ahnung davon vermittelt wird, weshalb die beiden Schurken mit derart grober Brutalität und Rücksichtslosigkeit morden und ganze Wälder abfackeln, wirkt das Wahrnehmungsgefälle schnell einmal unglaubwürdig. Mit den beiden Tätern fühlt man sich ein wenig zurückgesetzt in die 90er-Jahre-Filme Tarantinos & Co., wo Gewalt gern als Selbstzweck eingesetzt wurde. Doch so richtig mag das hier nicht zu überzeugen. Gerade jenem Taylor Sheridan, der bisher präzise Charakterstudien, soziales Umfeld und spannende Plots in seinen Drehbüchern (SICARIO, HELL OR HIGH WATER) und seinen Filmen (WIND RIVER) unglaublich gut zusammenpackte, bricht dieser Film völlig auseinander.
Denn nicht nur in der Motivierung der Story liegen die Schwächen des Films. Auch Hannah Faber bleibt uns fremd mit ihrem Trauma und ihrer wilden Art. Ihr spannender Beruf, per Helikopter mitten im Wald abgesetzt zu werden, wird nicht so ausgekostet, dass es dem Publikum ein paar „Ah“-Effekte abringen kann. Interessant war lediglich mal das Detail, wie Hannah und der kleine Junge abwechselnd gestaffelt über ein offenes Feld rennen, um den Blitzen möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Auch der Beziehung zwischen dem kleinen Connor und Hannah lässt Sheridan zu wenig Empathie zukommen, was die Überwindung ihres Traumas auch nur bedingt glaubwürdig erscheinen lässt. Und dann sind da noch Vize-Sheriff Ethan und seine schwangere Frau Allison, die Überlebenstrainererin ist (Medina Senghore). Sie kommen spät in die Story, stehlen aber Hannah und Connor beinahe die Show, als die vier getrennt und gemeinsam den Kampf gegen die beiden Brutalos aufnehmen.
Selbst die Beziehung von Stadt und Land, ein großes Thema Sheridans, ist hier längst nicht so differenziert dargestellt wie etwa in YELLOWSTONE: Zwar stürzen verbrecherische Städter das Land ins Chaos, was uns zwar ein paar spannungsgeladene Szenen beschert, aber hier gibt‘s nur klar gut und klar böse. Was klar nicht gut ist.
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Those who wish me dead, USA 2021 | Regie: Taylor Sheridan | Drehbuch: Taylor Sheridan, Michael Koryta, Charles Leavitt | Kamera: Ben Richardson | Musik: Brian Tyler | Darsteller: Angelina Jolie, Finn Little, Medina Senghore, Jon Bernthal, Nicholas Hoult, Aidan Gillen | Laufzeit: 100 min.