Man nehme: drei weltberühmte Horrorfilmschmieden (Amicus, Tigon und American International Pictures – AIP), drei höchst unterschiedliche Grusel- und Science-Fiction-Geschichten und drei Weltstars des Horror- und Fantasyfilms. Alles in den Cocktailshaker, kräftig mixen, umrühren und einschenken. Heraus kommt ein süffiges Gebräu, dass mit dem Säurebad in Dr. Mabuses OP-Keller ohne Weiteres mithalten kann. Wem da nicht blümerant wird?

Worum geht’s? Zunächst haben wir einen nicht näher benannten, vermutlich osteuropäischen Polizeistaat, in dem Terror und Folter fröhlich Urständ feiern. Außerdem befleißigt sich die dortige Administration, mithilfe von Doppelgängern und Gewährsmännern anderer Länder Demokratien zu infiltrieren. ‚Hersteller‘ dieser aus menschlichen Einzelteilen zusammenoperierter Doppelgänger ist kein Geringerer als Dr. Mabuse (Vincent Price), der sich hierfür in Großbritannien menschliche Ersatzteilspender zusammenraubt und -mordet. Doch als eines seiner Geschöpfe ungeahnte Lust nach Menschenblut verspürt und sich unter den leichtlebigen Discomädels der Themsemetropole vampiristisch umtut, bläst New Scotland Yard zur finalen Jagd auf den Mädchenkiller.
Da Hessler und Wicking außerdem große Fans der Filme Don Siegels waren, implantierten sie daraus viele Inspirationen in ihre Schöpfung. Heraus kam ein Sammelsurium aus dem Subkultur-Milieu-Clash folgend COOGANS GROSSER BLUFF (1968) und dem Science-Fiction-Aspekt gemäß DIE DÄMONISCHEN (1956), dazu der allgegenwärtige Zynismus, mit dem schon DER TOD EINES KILERS (1964) schockierte. Der durch Michael Gothard portraitierte Vampirkiller lässt sich mit seiner hippie’esekn Langhaarblondierung als stilistischer Vorgriff auf Andrew Robinsons Scorpio-Charakter in DIRTY HARRY (1971) lesen. Nicht zuletzt der Aspekt des Generationenkonflikts, wonach die Alten nach wie vor die Jungen in Schach halten wollen, bildet ein stetiges Momentum in vielen britischen Genrefilmen dieser Jahre – auch Michael Reeves hatte sich mit IM BANNE DES DR. MONSERRAT (1967) dazu seine Gedanken gemacht. Ebenso liest sich DIE LEBENDEN LEICHEN DES DR. MABUSE als antiautoritäre Parabel über den Machtmissbrauch der Eliten, die dem gemeinen Volk und seiner eigenen Exekutive munter eine lange Nase machen.
Kinolegende Fritz Lang, der schon Jess Francos alptraumhaften NECRONOMICON – GETRÄUMTE SÜNDEN (1967) über’n Schellenkönig lobte, mochte Hesslers Werk. Insbesondere die unsichtbare Macht eines an fremdem Ort gelegenen, diktatorischen Systems (dessen graphische Analogien mit dem Nationalsozialismus wohl nicht zufällig waren) dürfte Lang ‚gefallen‘ haben. Da macht es auch gar nichts, dass die deutsche Titelverortung im Reigen um den Superverbrecher Dr. Mabuse natürlich ein Windei und den Werbestrategen des Verleihs geschuldet ist.
Vielen Fans gilt DIE LEBENDEN LEICHEN DES DR: MABUSE als bester, weil eigenständigster und insgesamt ausgefallenster Streifen des Gespanns Hessler-Wicking. Drei Stories zum Preis von einer, drei Filmstars des Sujets mehr oder minder traut vereint – das mag überdosiert klingen, doch wer sich darauf einlässt, wird mit feschem Genrekino belohnt. Ein Film für Connaisseure des Ausgefallenen.
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Scream and Scream Again | GB 1970 | Regie: Gordon Hessler | Darsteller: Vincent Price, Christopher Lee, Peter Cushing, Alfred Marks, Marshall Jones, Christopher Matthews u.a.
Anbieter: : Wicked Vision