Bondgirl an Bord.

Der dritte 077-Film ist der beste. Der versierteste. Der unterhaltsamste. Und dabei waren bereits die beiden Vorläufer vielseitig, bunt und unterhaltsam. Was IM NETZ DER GOLDENEN SPINNE (der gängige englische Titel ist SPECIAL MISSION LADY CHAPLIN) den beiden Vorgängern VOLLMACHT FÜR JACK CLIFTON und OPERATION BLOODY MARY voraus hat, ist – vereinfacht gesagt – Daniela Bianchi als weiblicher Lead und Alberto de Martino als Regisseur.

Daniela Bianchi erfuhr ihre Adelung vor allem als Bondgirl Tatiana Romanova in LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU (1963) und sie hinterließ dort einen so großen Eindruck, dass sie auch heute noch für viele Bondfans unter den Top 5 der Bondgirls ist. Für ein Eurospy-Bond-Rip-off ist so ein weiblicher Lead natürlich von höchster Güte und – abgesehen davon, dass sie eine gute Schauspielerin ist – wussten die beiden Regisseure natürlich auch, dass sie mit Bianchi echte Spionagefilm-Credibility an Bord hatten. Das nutzen sie auch weidlich aus: Bianchi hat eine um einiges größere Präsenz als alle die „Dick-Malloy-Girls“ der Vorgängerfilme. So sehr, dass sie dem Helden in Sachen Leinwandpräsenz Konkurrenz macht.

Alberto de Martino übernimmt die Regie (oder die Co-Regie mit Sergio Grieco – im Vorspann ist Grieco als Regisseur allerdings nicht aufgeführt) und man bemerkt gleich das Talent des bereits damals durch und durch versierten Regisseurs, der seit 1961 spaghettiwestern-, sandalen- und horrorfilmgestählt gute Qualität abdrehte. Er lässt die Story nicht so sehr auf dem Helden fokussiert laufen, sondern arbeitet viel mit Parallelmontagen zu Bösewichtern (die von Anfang klar sind) und schafft damit Tempo, Dynamik und Spannung.

Der Film beginnt in größtmöglicher Unschuld. Ein Kloster irgendwo am Arsch der Welt. Eine Nonne fährt im Citroën Deux-Cheveaux-Lieferwagen durch die Bilderbuch-Wüstenregion am Meer (notabene 15 Jahre bevor der Deux-Cheveaux bei James Bond in FOR YOUR EYES ONLY eine tragende Rolle erhält). Die Nonne liefert die Wäsche ab, entsperrt ein Maschinengewehr und dann, nach getanem Mord an Agenten in Mönchskutten, kippt sie das Auto ins Meer und zieht sich einen Bikini an (und natürlich erst mal die Mönchskutte aus). Willkommen in der neuen Welt der smarten, sexy Spionage-Frauen.

An Bianchi lässt sich das schön veranschaulichen. Während sie in FROM RUSSIA WITH LOVE noch eine recht passive Rolle spielte, tritt sie drei Jahre später als eigentlich cleverste und aktivste Figur des Films auf. Sie fungiert als Komplizin des großen Gangsters Ken Zoltan (Jacques Bergerac), eines reichen Reeders, der die Polaris-Atomwaffen eines versunkenen US-U-Boots gestohlen hat. Zoltan ist im Besitz eines neuartigen Materials namens „Propellan“, das in Wasser aufquillt und somit das Aufschwimmen auch großer versunkener Gegenstände ermöglicht. Als CIA-Agent Dick Malloy (Ken Clark) sich in Spanien an Zoltans Spuren heftet, lernt er dessen Verbündete kennen, Lady Arabella Chaplin (Bianchi). Sie ist weit mehr als Befehlsausführende oder Juniorpartnerin des großen männlichen Kapitalisten Zoltan: Sie ist erfolgreiche Modemacherin (also selber Kapitalistin), die die atemberaubenden Sixties-Kreationen meist selber trägt, und sie ist passenderweise große Verkleidungskünstlerin. Sie gibt nicht nur die Nonne mit Bravour, sie kommt auch als alte Gräfin durch, die einen Zeugen aus dem Rollstuhl heraus erschießt. In gewisser Weise kommt hier die Femme Fatale wieder zum Vorschein, die in den frühen Vierzigern von der Kinoleinwand her zu schockieren wusste. (Wobei es da natürlich signifikante Unterschiede gibt, die an anderer Stelle besprochen werden sollen.)

Interessant ist jedoch, dass die neue böse Frau in Eurospy-Filmen selten allein auftaucht. Lady Chaplins Partnerin in Crime ist Constance Day (Evelyn Stewart aka Ida Galli), streckenweise bilden sie ein ähnliches Gespann wie Elke Sommer und Sylva Koscina in DEADLIER THAN THE MALE. Interessant an dieser Verdoppelung der sexy Agentin ist, dass es sie in Bond-Filmen nicht gibt. Während diese Doppel noch sehr eigenständig und grausam sind, setzt auch sonst Mitte der sechziger Jahre eine Vervielfachung von Frauenkörpern ein. In der Bond-Parodie CASINO ROYALE (1967) genau so wie im echten Bond YOU ONLY LIVE TWICE (1967). Als müssten eine große Menge Frauenkörper die Gefahr der neuen Frauenmacht bannen. Dementsprechend erwies sich YOU ONLY LIVE TWICE mit den vielen, servilen Japanerinnen als Tiefpunkt der Serie.

Ganz anders Lady Chaplin. Am Ende des Films überrascht sie noch einmal mit einer ihrer Modekreationen. Ihre Flucht aus dem Flugzeug überlebt sie dank einem Kleid, das sie zum Fallschirm umfunktionieren kann – natürlich eine überaus schöne Überraschung. Just in dem Moment zieht sie noch ein Maschinengewehr und beginnt, die Menschen unter ihr zu töten.

Jacques Bergerac als Zoltan liefert dagegen nicht die beste Verkörperung eines Bösewichts ab, doch angelegt ist seine Rolle ganz Bond-klassisch. Im Sternzeichen Skorpion geboren, liebt er es, Skorpionkämpfen zuzusehen und nicht zuletzt stirbt er auch an einem Skorpionbiss. Weshalb allerdings eine Spinne den deutschen Titel ziert, mag ein Geheimnis bleiben.

Missione speciale Lady Chaplin
Frankreich / Italien / Spanien 1966
Regie: Alberto de Martino, Sergio Grieco
Kamera: Federico G. Larraya, Alejando Ulloa
Musik: Bruno Nicolai, Giovanni Simonelli
Darsteller: Ken Clark, Daniela Bianchi, Helga Liné, Jacques Bergerac, Mabel Karr, Alfredo Mayo u.a.
Laufzeit: 99 Min.

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