Das ländliche Montana ist nicht mehr, was es war. Oder kann man den „Fortschritt“ aufhalten, einen Flughafen, Hotels à gogo etc.? Die Herausforderungen an die Dutton-Familie sind in der dritten und vierten Staffel ähnlich wie in der zweiten: Aus den städtischen Zentren der USA kommen große Unternehmen, viel reicher als die alteingesessene Farmerfamilie der Duttons, und sie wollen das Land kaufen und umnutzen. Nicht nur die beinahe unberührte Landschaft würde eine andere, auch der gesellschaftliche Vertrag unter den Bewohnern würde sich grundlegend ändern. Die Machtfülle und der politische Einfluss der Duttons wäre gebrochen, und die Indianerstämme der Confederated Tribes of Broken Rock unter Chief Thomas Rainwater (Gil Birmingham) würden wahrscheinlich weiter an Einfluss verlieren. Mehr als in den ersten beiden Staffeln steht hier auch die Heldenfamilie, die Duttons, als Bewahrer des Regionalismus vor dem (nationalen/globalen) Kapitalismus da. John Dutton (Kevin Costner) kandidiert als Gouverneur mit der Losung: „Ich bin das Gegenteil von Fortschritt.“ In dieser Rolle zeigen sich die Rancherfamilie wie die erfolgreiche Fernsehserie allerdings von einer immer zweifelhafteren Seite.
Die Story lässt sich – wie bereits in der ersten Staffel – viel Zeit damit, die familiären Probleme der Farmerfamilie und ihres Umfelds auszuloten, was bisweilen etwas träge wird. Die Geschichte kümmert sich mehr um die kleinen und mittleren Sorgen der Ranchbewohner. Dabei ist die Organisation der Ranch einem klaren Oben und Unten unterworfen, eine Klassengesellschaft, geleitet vom gütigen Patron John Dutton (also auch hier: old style Kapitalismus). Wer oben nicht spurt, muss im Cowboyquartier strafwohnen, einer Gruppe Männer und Frauen, die abends Karten spielen, sich manchmal streiten und mit großer Dankbarkeit unhinterfragt jeden Befehl der Duttonfamilie ausführen. Jimmy, der unterklassigste der Mitarbeiter, wird erst akzeptiert, nachdem er in Texas gelernt hat, das Lasso richtig zu schwingen. Die Cowboys und -girls der Dutton-Ranch haben keinen Einfluss auf die Geschichte, sondern verklären in besonderem Maß eine alte Hierarchiestruktur, die sich vermeintlich an guten, alten Werten orientiert. Vor allem die unnachgiebige autoritäre Ordnung (und Erziehung, im Fall eines kleinen adoptierten Jungen). Politisch bleibt die Unterklasse ohne einen Beitrag oder Relevanz.
Familienoberhaupt John ist des Kämpfens um die seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts angeeignete Ranch müde, zieht zwar noch einige Fäden, doch versucht er, seine beiden Söhne und die Tochter so einzuspannen, dass die Ranch und das Erreichte erhalten bleiben. Er setzt die Söhne Kayce und Jamie in bedeutende regionalpolitische Ämter ein, belässt Tochter Beth als Leiterin eines Finanzinstituts und kümmert sich selbst fast nur noch um Enkelsöhnchen Tate. Die früher polygame, saufende Beth (Kelly Reilly) wird häuslich und liiert sich mit ihrer uralten Liebe Rip (Cole Hauser), dem Vorarbeiter, der kraft seiner bedingungslosen Loyalität zu den Duttons ein eigenes kleines Häuschen bewohnen darf. Da er seinen Kindern dann doch nicht totale Handlungsfreiheit geben kann, muss er in der vierten Staffel als Gouverneurskandidat und mit seinen Beziehungen massiv selbst in die politischen Geschehnisse eingreifen – vor allem Beth und Jamie drohen die Gleichgewichte in Montana in den Abgrund zu reißen, während sich Kayce aus dem Geschehen immer mehr herausnimmt. Ausgerechnet er, der liberale Geist mit einer liberalen Ehefrau, der Montana modernisieren könnte.
Obwohl die vierte Staffel dann mit einem Paukenschlag beginnt und der geneigte Zuseher denkt: Jetzt geht‘s endlich los (und wird so spannend wie die zweite Staffel von YELLOWSTONE), versandet das Spektakel schnell wieder. Staffel 3 und 4 sind geprägt von sehr vielen Nebengeschichten ohne wirkliche Relevanz. Monica, gender- und ethnienbewusste Unidozentin, kritisiert ihre Studentinnen wegen deren sinnlosem Smartphonekonsum. Eine überhebliche und gewalttätige Rockergang aus Kalifornien campiert unbefugt auf den Weiden der Dutton-Ranch – dafür erhalten sie ihre Lektion. Als sich Jimmys Exfreundin und seine aktuelle einen Catfight liefern, landen die anfangs so sensitiven Charakterisierungen der Verhältnisse endgültig im Keller.
Geboten werden also sehr viel free-floatende Geschichtchen ohne Bezug zum Haupt-Handlungsbogen, wodurch die Serie nie richtig Fahrt aufnimmt. So endet Staffel 4 schließlich nicht in der Auflösung der politischen Konflikte, sondern in einer Familienfehde griechischen Ausmaßes. Die Montana-„Aristokratenfamilie“ streitet unter sich um Verletztheiten, Vormachtstellung, blinden Hass.
Leider langweilig und rückschrittlich. Macher Taylor Sheridan, der auch für diese Staffeln noch einige der Drehbücher schrieb, gibt also auch nach seinem eher missglückten Film THEY WANT ME DEAD auch im Serienbereich ab. Kommerziell erfolgreich bleibt das Format allerdings: Mit „1883“ hat Sheridan bereits eine Prequel-Serie abgedreht (mit Sam Elliott) und mit „1923“ wird in den USA im Dezember ‘22 gar eine zweite Prequel-Serie zu YELLOWSTONE ausgestrahlt (mit Helen Mirren und Harrison Ford). Geplant ist außerdem ein Spin-Off über die texanische „Four Sixes Ranch“, die Serie „6666“, auf der Jimmy seine Cowboyausbildung absolviert hat.
Yellowstone, 3 & 4
USA 2020/21
Regie: Stephen Kay, Taylor Sheridan u.a.
Drehbuch: Taylor Sheridan, John Linson
Musik: Brian Tyler, Breton Vivian
Darsteller: Kevin Costner, Luke Grimes, Kelly Reilly, Wes Bentley, Cole Hauser, Kelsey Asbille
Laufzeit: 20 x 37 – 92 min.