Das Leben des amerikanischen Jazztrompeters Chet Baker war ein ständiges Auf und Ab. In den 1950er Jahren konnte er sich frühzeitig einen Namen als herausragender Musiker machen, doch verfiel er schon damals den Drogen. Diese Sucht war Ursache und Auslöser privater Abstürze und Katastrophen, aber die Musik gab ihm dabei immer wieder Halt.
Als der Fotograf und Dokumentarfilmer Bruce Weber Ende der 1980er Jahre mit dem Trompeter das Portrait LET´S GET LOST drehte, konnte er nicht ahnen, dass Chet Baker bald darauf nicht mehr sein würde. Dieser verstarb mit nur 58 Jahren in einem Amsterdamer Hotel. Allerdings deutet sich das tragische Ende des Musikers bereits in Webers Film an. Das grobkörnige Schwarz-Weiß der Dokumentarbilder wirkt rau und ungeschönt. Unter der ästhetischen Oberfläche schimmert immer wieder die zerbrechliche Seele des Trompeters durch. Vor allem berühren die Mitschnitte der Studiosessions, die den körperlich und seelisch angeschlagenen Musiker auf der Höhe seines Könnens zeigen.
Mit zunehmender Spieldauer verliert die innere Struktur des zweistündigen Films leider an Gestalt. Das liegt vor allem an den Interviews mit den zahlreichen Exfrauen Bakers, die sich untereinander weder leiden noch verzeihen können. Ebenso irritiert Webers gesuchte Nähe zu Chet Bakers Mutter. Als der Regisseur diese mit der Frage konfrontiert, ob ihr künstlerisch erfolgreiches Kind ein guter Sohn gewesen sei, verneint diese den Tränen nahe. Ebenso unangenehm wirkt ein Moment gegen Ende des Films, in dem Weber seinem Portraitierten gegenüber erwähnt, dass er sich Sorgen um ihn mache. Warum das alles vor laufender Kamera geschehen musste bleibt unbeantwortet, denn diese emotionalen Momente laufen ins Leere. Ganz bei sich ist der Film aber, wenn die Kamera kommentarlos auf Bakers Gesicht verweilt und ihn beim Spiel zusieht. Das macht den Film zu etwas Besonderem, einer einzigartigen Liebesbezeugung an den Jazz.
Im Jahr der Uraufführung sorgte LET´S GET LOST daher für Aufsehen. So gewann er 1989 den Internationalen Preis der Filmkritik in Venedig und wurde sogar für den Oscar nominiert. Danach wäre die Dokumentation fast vergessen worden, wurde vom engagierten Indielabel Pierrot le Fou aber vor diesem Schicksal bewahrt. Die vor längerer Zeit erschienene DVD gibt es in zwei hervorragenden Editionen. Neben der Standard-DVD wurde auch eine limitierte Special Edition veröffentlicht. Diese besteht neben dem Film u.a. aus einem umfangreichen Buch, dass zahlreiche eindrucksvolle Portraitaufnahmen Chet Bakers abbildet. Das Zusatzmaterial ist sehr umfangreich. So findet sich hier unter anderem der eigens produzierte Kurzfilm LOOKING FOR CHET IN ALL THE FAMILIAR PLACES wie auch ein Musikvideo. Bruce Webers LET´S GET LOST ist also auch auf DVD eine klare Empfehlung für alle Jazzliebhaber und solche, die es werden wollen.
Let´s get lost
Regie: Bruce Weber
Mit: Chet Baker, William Claxton, Russ Freeman, Carol Baker, Vera Baker u.a.