Vom Tabledance zur Millionärin.

Immer wieder gut, wenn Filme Aufklärungsarbeit leisten und ökologische oder soziale Debakel aufdecken, wie etwa Todd Haynes’ DARK WATERS auf den kaum bekannten DuPont-Skandal aufmerksam machte. In einer Weise, die wie ein Thriller immer mehr Wahrheiten zutage brachte und gleichzeitig immer mehr zu skandalisieren vermochte. Während der Dauer des Films wird es immer unfassbarer, dass sich kaum jemand gegen eine ökologische und vor allem die Gesundheit aller Menschen betreffende Katastrophe wehrt.

David Yates’ Netflix-Produktion PAIN HUSTLERS nimmt sich die Opioidkrise in den USA vor und scheitert einigermaßen, trotz Emily Blunt. Die Opioidkrise bezeichnet die epidemische Häufung von Todesfällen wegen Missbrauchs von Opioiden, d.h. Schmerzmitteln, die wie Morphium oder Heroin an Opioidrezeptoren wirksam sind. Das bekannteste davon ist Fentanyl. Als Anfang der Krise, in der zwischen Juli 2021 und Juni 2022 allein 107.000 Menschen starben, gilt die Zulassung von Oxycontin des Unternehmens Purdue Pharma im Jahr 1996: Unter dubiosen Umständen, Lobbyarbeit, mit krassen Falschbehauptungen zur Suchtgefahr, aggressiver Werbung und einem gigantischen Budget für Essenseinladungen an (verschreibende) Ärzte begann die Epidemie, die in vielen Altersklassen inzwischen zur häufigsten Todesursache der Amerikaner geworden ist.

Die Geschichte der talentierten Verkäuferin Liza Drake (Emily Blunt) ist erfunden, bedient sich aber einiger Vorgänge der Firmengeschichte von Insys Therapeutics. Liza ist alleinerziehende Mutter einer rebellierenden, aber auch epileptischen Tochter und schafft den Ausstieg als Tabledancerin, nachdem sie in der Strip-Bar den Pharmastartup-Angestellten Pete Brenner (Chris Evans) argumentativ von ihrer Cleverness überzeugte. Mit Hartnäckigkeit, Spontanität und Ideenreichtum schafft sie es, Ärzten das Opioid für Krebskranke mit angeblich geringer Suchtgefahr anzudienen. Der aufgeweckte Pete und die Master-Salesperson Liza steigen schließlich bis in die Geschäftsleitung auf – und beugen sich dem Druck ihres CEOs Jack Neel (Andy Garcia) und des Börsenkurses, das Medikament auch für Nicht-Krebspatienten einzusetzen.

Leider spult Regisseur David Yates die Story der Liza Drake etwas emotionslos ab, keine Hooks oder gute Einfälle – auch nicht visuell. Selbst Emily Blunt wirkt etwas farbloser als üblich, die exaltierten Parties mit Ärzten und die ausgiebigen Drogenexzesse sind schnell vergessen, weil Yates – im Gegensatz z.B. zu einem Scorsese-Film wie THE WOLF OF WALLSTREET (erklärtes Vorbild von Yates) – keine Highlights setzen kann. Der skrupellos-kapitalistische Wahnsinn bleibt flach.

Liza kann ihrer Mutter ein Auto, sich selbst eine tolle Wohnung und der Tochter Phoebe eine gute Schule und gute medizinische Behandlung kaufen: Das alles, weil sie daran glaubt, dass sie den Krebspatienten etwas Gutes tut. Sie lebt den Enthusiasmus und den Erfolg des amerikanischen Traums (bis zum jähren Ende), doch Yates’ Film schafft es nicht, eine unterschwellige Beziehung von der kranken Tochter zu ihrem Job oder von der Armut zum plötzlichen Reichtum aufzubauen. Und auch nicht, die Widersprüchlichkeit der nichtsahnenden Medikamenten-Verkäuferin aufzudecken, die nicht ahnt, was sie Schlimmes tut, den amerikanischen Traum lebt. Da steht auch Emily Blunt auf verlorenem Posten.

Pain Hustlers

USA/Grossbritannien 2023

Regie: David Yates

Drehbuch: Wells Tower, nach Evan Hughes

Kamera: George Richmond

Musik: James Newton Howard, Michael Dean Parsons

Darsteller: Emily Blunt, Chloe Coleman, Chris Evans, Catherine O’Hara, Andy Garcia, Jay Duplass u.a.

Laufzeit: 122 Minuten

Fotos: ©
Netflix

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Netflix