Der dritte OSS 117-Streifen von André Hunebelle ist der bunteste und bondeste der OSS-Serie. Eine kurze Eingangsszene in einem europäischen Skiort bereitet die Reise ins exotische Südamerika gut vor. Die Skiferien unseres Helden Hubert Bonnisseur de la Bath werden abrupt unterbrochen, weil in Brasilien mehrere wichtige Regierungsbeamte von Selbstmordattentätern ermordet werden. Was heute leider ein bekanntes Phänomen ist, war damals wohl eher neuartig. „Die Täter gehen alle selber drauf“, jedoch noch nicht freiwillig, sondern – so vermutet der Geheimdienst – unter Hypnose oder Drogen. Klar, OSS 117 fliegt sofort nach Rio.
Frederick Stafford ersetzt Kerwin Mathews als Hubert Bonnisseur de la Bath alias OSS 117. Staffords Aussehen entspricht etwas mehr der Sixties-Vorstellung eines smarten Macher-Typen der USA à la John F. Kennedy, also dem „Man who has it all“. Das ist übrigens eine der Schwächen des Eurospy-Genres: Mit Ausnahme des Originalcharakters James Bond, der dank Sean Connery auf souveräne Art das steife Britische mit dem prolligen Brit-Lad verknüpft, entsprechen praktisch alle Eurospy-Agentenhelden einem slicken amerikanischen Schönheitsideal, das (schon vom Aussehen her) niemals irgendwelche Widersprüchlichkeiten oder Tiefe zum Ausdruck brachte. (Das scheint übrigens ein Problem von Actionhelden überhaupt zu sein: Oft repräsentieren sie die eindimensionale, typische Persona einer bestimmten sozialen Klasse, wie z.B. „der Muskelprotz“, und werden nicht durch bereits eingeschriebene Widersprüchlichkeiten wie bei Bond/Connery interessanter und komplexer – Stallone in ROCKY 1 ist eine der Ausnahmen). Trotzdem spielt der Österreicher Stafford seine Rolle durchaus souverän und mit einem Anflug an Ironie, und es darf vermutet werden, dass dieser und der folgende OSS 117-Film Hitchcocks Interesse an ihm geweckt haben, als er ihn für die Hauptrolle in TOPAS (1968) castete. Leider verstarb Stafford 1979 bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Lugano.
Am Flughafen in Rio hält er einer ausnehmend schönen jungen Mutter das Baby und tarnt sich so als Vater, um nicht von (noch unklaren) Gegnern entdeckt zu werden. Später wird ihn eine der Frauen, die ihn attraktiv finden, fragen, ob er Kinder mag. „Ja, wenn sie eine hübsche Mutter haben“, lautet seine lakonische Antwort. Eine klare Absage an das Familienideal der fünfziger Jahre hin zum eigenen Ausleben des Kindseins. Denn so sind Sixties-Agenten: Sie sehen etwas und wollen es sofort. Gemeint ist natürlich meist das andere, das weibliche Geschlecht. An anderer Stelle, im Auto auf der Flucht, schwärmt ihn seine Mitfahrerin an: „Sie haben richtig Tempo drauf. Ich glaube, mit Ihnen ist das Leben nicht langweilig.“ Worauf unser Held unverschämt auf ihren Ausschnitt starrt, und antwortet: „Ich glaube, mit Ihnen auch nicht.“
Frauen und OSS 117 (der übrigens dieses Mal inkognito als Journalist Hubert Delacroix unterwegs ist) bleiben ein spannendes Thema. In PULVERFASS BAHIA werden sie quasi verdoppelt. Abgeholt wird er von einer weiteren hübschen Lady, die sich als Consuela Moroni zu erkennen gibt (Perrette Pradier), Assistentin von OSS 117’ Kontaktmann Thomas Ellis (Claude Carliez). Zwei Fallen später lernt er dann die andere, wahre Consuela in Ellis’ Büro kennen (Annie Anderson). Ironischerweise schläft OSS 117 dann aber erst mal mit der „falschen“ Consuela, um sie am nächsten Tag der Polizei auszuliefern, während die „richtige“ Consuela, mit der er kein Schäferstündchen hatte, von zwei Gangstern ermordet wird. Er ist zu spät, tötet die beiden Gangster aber in einer aufsehenerregenden Actionszene, in der er in Ellis’ Büro mit Flammenwerfern angegriffen wird. Großartig.
Etwas früher lernt er in einem Spital, in dem Ellis just von einem verkleideten Arzt erschossen wird, eine attraktive Blondine kennen. Anna-Marie (Mylène Demongeot) wird zum Treiber der Story. Unwissend führt sie OSS 117 zu den Hinweisen, die die Morde an führenden Politikern aufklären. Und natürlich wird sie sein Love-Interest: Nachdem er sie in ein Restaurant hoch über Rio ausgeführt hat und die beiden sich in ihrer Wohnung küssen, zieht sie eine Handgranate. Doch im Gegensatz zu Fake-Consuela steht Anna-Marie unter Selbstmordattentat-Drogen – und OSS 117 weiss das Attentat zu verhindern.
Als die beiden nordwärts in den Bundesstaat Bahia fahren, werden sie von Feuerwänden als Straßensperren aufgehalten, die sie spektakulär durchbrechen. Eine weitere coole Actionsequenz also (auch wenn sie nicht mit heutigen Actionstandards mithalten kann). Schließlich fliegen die beiden im Privatjet zur Ranch von Anna-Maries Bruder, einem Großgrundbesitzer. Abgeholt werden sie im Rolls Royce Phantom mitten im Amazonasgebiet, wo sie vor allem von einem reichen Freund, Leandro (Raymond Pellegrin) bewirtet werden – und der sie in eine abgelegene Indiogegend fliegt, die es in sich hat.
Dort befindet sich das Hauptquartier einer faschistischen Organisation, die in Brasilien einen Putsch durchführen will. Ganz spymovie-klassisch mit grossem Aufgebot an Milizionären und mit einem in den Berg gebauten Trainingscenter. Tatsächlich geht es hier nicht nur um die in den 1960er Jahren noch sehr präsenten Grauen der Nazis: Hunebelle nimmt in seinem Film relativ zeitnah die politische Situation in Brasilien ins Visier. Im März 1964 putschte das Militär mit Hilfe der CIA die demokratische Regierung, bereits im Juli 1965 hatte der Film in Frankreich Premiere. Mehr noch, Hunebelle ändert auch den Lauf der Geschichte: In PULVERFASS BAHIA wird der Umsturz verhindert! Alternative Geschichtsschreibung im Kino wurde also nicht erst von Tarantino erfunden (INGLORIOUS BASTERDS, ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD).
Und natürlich erzählt Hunebelle auch eine skandalöse europäische bzw. deutsche Geschichte, auch wenn er es nicht explizit erwähnt: Die Nazis sind alle nach Südamerika abgehauen, also entstehen dort faschistische Gruppierungen. Deshalb auch ist Anna-Marie blond, obwohl sie – im Gegensatz zu ihrem Umfeld – zu den Guten gehört.

Furia à Bahia pour OSS 117
Frankreich 1965
Regie: André Hunebelle
Drehbuch: Pierre Foucaud, Jean Halain, André Hunebelle
Kamera: Marcel Grignon
Musik: Michel Magne
Darsteller: Frederick Stafford, Mylène Demongeot, Raymond Pellegrin, Perrette Pradier, François Maistre, Annie Anderson u.a.
Laufzeit: 102 min.