Krake am Abend erquickend und labend.

Amerika in den 1950ern – auch in seinem Umgang mit der atomaren Kraft ein zweigeteiltes Land. Einerseits lancierten die Befürworter aus heutiger Sicht reichlich skurrile Kampagnen, um „Dein Freund, das Atom“ als Allheilmittel in der Gesellschaft zu verankern – von Bauvorhaben bis Zahnpasta war alles dabei – andererseits formierten sich die Kritiker und verwiesen auf die tödlichen Folgen und die Bedrohung eines atomaren Krieges, der die gesamte Menschheit auszulöschen drohte. Robert Gordons DAS GRAUEN KAM AUS DER TIEFE setzt sich auf putzige Art und Weise zwischen diese Fronten und spielt zu vier Händen auf beiden Klaviaturen. Denn zuvorderst ist der Low-Budget-Film ganz Kind seiner Zeit und setzt die Linie jener Streifen fort, in denen durch den Einfluss atomarer Strahlen auf imposante Größe herangewachsene Tiere sich auf die Jagd nach Menschen und an die Zerstörung der Städte machen. Nichtsdestotrotz wird dadurch auf die Risiken der amerikanischen Fortschrittsgläubigkeit hingewiesen, dauerhafter Raubbau an der Natur geht schlussendlich zu Lasten der Menschheit in Gänze.

Doch schlussendlich will DAS GRAUEN KAM AUS DER TIEFE nicht mehr sein als ein hervorragend gemachter und mit schmalen Mitteln hergestellter, dabei hochunterhaltsamer SF-Horror-Monster-Film. Regisseur Robert Gordon erweist sich als patenter Inszenator, wobei es schon einer unbestreitbaren Kunst gleichkommt, aus einem Drehbuch – welches bereits nicht mehr leisten muss, als zwischen Monsterszenen und einer etwas aufgesetzt wirkenden Liebesgeschichte noch einen dünnen Handlungsfaden zu spinnen – und den sauber gespielten Dramaszenen nebst reichlich Stock-Footage-Material einen durchgängig flüssig erzählten Streifen mit breit ausgespieltem, dokumentarischem Stil hinzubekommen. Dass dem Film reichlich Unterstützung durch das zuständige PR-Department der US-Marine zuwuchs, lässt sich indes nicht leugnen – Werbung in eigener Sache wurde über den Umweg Hollywood immer gerne mitgenommen.

Das Ergebnis lässt sich auch heute noch sehen, DAS GRAUEN KAM AUS DER TIEFE ist ein gelungener und spannender Streifen, der die von Ray Harryhausen später als Dynamation bezeichnete Stop Motion-Technik voll zur Geltung bringt. Harryhausen, der die Monstersequenzen selbstredend eigenverantwortlich inszenierte und daher fast als Ko-Regisseur zu bezeichnen ist, zeigt sich früh vollendet und liefert beeindruckende Bilder und Effekte. Gegenüber vergleichbaren Streifen aus diesen Jahren, in denen das heute etwas abschätzig betrachtete ‚Macho-Movie-Genre‘ in voller Blüte stand – mit Kenneth Tobey, der seit seiner Mitwirkung in DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT (THE THING FROM ANOTHER WORLD / 1951) in gewissem Sinne ein Star dieses Genres war, hatte man auch hier einen Archetyp des vorwärtsschreitenden Helden an Bord – zeigt sich DAS GRAUEN KAM AUS DER TIEFE ausgesprochen modern; die einzige Frauenfigur präsentiert sich erstaunlich emanzipiert und weist die alles bestimmenden Männer mit Kenntnis und Charme in die Schranken.

All das schmiert der unverwüstliche Mischa Bakaleinikoff mit seinen unter Genrefreunden berühmten Blechbläserausbrüchen und dramatischem Streicherpathos; neben seinen eigenen Partituren kommen recycelte Musiken von Großmeistern wie Miklós Rózsa und Werner Richard Heymann, aber auch den üblichen Verdächtigen aus dem damaligen Studiosystem wie Daniele Amfitheatrof, Ross DiMaggio, Herschel Burke Gilbert und Heinz Roemheld zu Gehör.

Gerade ist DAS GRAUEN AUS DER TIEFE als mittlerweile 16. Veröffentlichung der Reihe „Fantastische Filmklassiker“ beim Anolis-Label erschienen – und wiederum sei der liebevolle Release im schicken, mit mehreren Covervarianten versehenen Mediabook nicht nur den eingefleischten Fans des Genres, sondern auch den Komplettisten schwer ans Herz gelegt. Der Breitwand-Film in scharfem Schwarzweiß macht auch auf großen Diagonalen einen souveränen Eindruck und lässt vergessen, dass sowohl der Streifen mittlerweile viele Jahrzehnte auf dem Buckel hat, als auch es sich damals nicht gerade um ein A-List-Produktion handelte. Die deutsche Synchronfassung, 1995 in Hamburg für das Fernsehen entstanden, punktet mit aus unzähligen Fernsehserien bekannten Stimmen wie Harald Pages, Hans Sievers oder Henry König und versieht den Film mit zeitgenössischem Flair – der englische Originalton ist ebenfalls mit an Bord und bekam sogar eine räumliche 5.1-Abmischung spendiert. Ein sehr feines Goodie ist die alternative und unter Hinzuziehung des Beistandes Harryhausens selbst entstandene Farbfassung des ursprünglich schwarzweiß gedrehten Streifens – sie stammt aus jener Zeit, als nachträgliche Kolorierungen groß in Mode schienen.

Bei den obligatorischen Audiokommentaren stellt die Tonspur mit ‚Dr. Horror‘ Rolf Giesen den Filethappen dar, da der Altmeister in bewährter Weise und hochkompetent mit seinem immensen Fachwissen aus erster Hand wuchern kann. Unterhaltsam gestaltet sich auch der Audiokommentar der beiden Genrekenner ‚Ingojira‘ Ingo Strecker und ‚Dr. Monkula‘ Alexander Iffländer. In der Featurette “Erinnerungen an IT CAME FROM BENEATH THE SEA“ lassen uns Ray Harryhausen himself sowie Visual Effects Supervisor John Bruno an ihren Geschichten über die damaligen Produktionsumstände teilhaben, während in „A Tidal Wave Of Terror“ Regisseur Joe Dante sich als Fan des Films outet. Neben dem US-Kinotrailer, der mittlerweile gewohnten Episode „Trailers From Hell“ – diesmal mit Regisseur und Kameramann Ernest Dickerson – findet sich neben der alten deutschen Super-8-Fassung auch eine Vintage Super-8-Trailerrolle, in der wir es mit den zeitgenössischen Ankündigungen zu FLIEGENDE UNTERTASSEN GREIFEN AN (EARTH VS. THE FLYING SAUCERS / 1965) und DIE BESTIE AUS DEM WELTENRAUM (20 MILLION MILES TO EARTH / 1957) zu tun bekommen. Eine Bildergalerie sowie ein zweiunddreißigseitiges Booklet, ebenfalls geschrieben von Dr. Giesen, runden das randvolle Zusatzpaket ab.

DAS GRAUEN KAM AUS DER TIEFE ist noch heute, was er immer war: flink gedreht, handwerklich sauber, nicht unnötig gestreckt, straff im Stil. „Filmischer Schnellimbiss“ wie es Dr. Giesen in seinen Ausführungen bezeichnet; ein Hamburger in Schwarzweiß – dank Kraken vegetarisch. Wer sich die kindliche Begeisterung für Ray Harryhausens wundervolle Monsterinszenierungen erhalten hat, wird hier auf seine Kosten kommen. Ich wünsche guten Appetit!

It Came from Beneath the Sea
USA 1955
Regie: Robert Gordon
Darsteller: Kenneth Tobey, Faith Domergue, Donald Curtis, Ian Keith, Dean Maddox junior, Chuck Griffiths u.a.