Zum 50. Geburtstag des Schlockthropus.

Laut John Landis’ SCHLOCK stammt der Mensch vom Affen ab. Diese gewagte These ist zwar wissenschaftlich nicht haltbar, doch zumindest sind beide genetisch eng miteinander verwandt. Und auf der Kinoleinwand sind sie seit jeher gemeinsam präsent: Von den 1930er Jahren, mit dem dressierten Schimpansen „Cheetah“ in diversen Tarzan-Verfilmungen, bis hin zu GODZILLA VS. KONG (2021), der mit einem computeranimierten Riesengorilla aufwartet. Oft nehmen Affen als unterhaltsame Sidekicks einen komödiantischen Part ein (DER MANN AUS SAN FERNANDO u.a.), sie können aber auch im Verlauf des Films vom friedlichen Gefährten zum lebensbedrohlichen Angreifer mutieren wie in LINK – DER BUTLER (1986) und DER AFFE IM MENSCHEN (1988). Manchmal sind sie sogar gleich von Beginn an als tödliche Gefahr konzipiert, vgl. IM SCHATTEN DES KILIMANDSCHARO (1986) und SHAKMA (1990).

Im Sommer 1971, einige Jahre bevor Hollywood unter der Regie von John Guillermin ein erstes aufwändiges Remake von KING KONG UND DIE WEISSE FRAU (1933) produziert, dreht John Landis seine eigenwillige „Monkey-on-the-loose“-Variante SCHLOCK – DAS BANANENMONSTER. Neben Anleihen bei KING KONG dient der britische Monsterfilm TROG – DAS UNGEHEUER (1969) als Inspirationsquelle. (Nebenbei bemerkt: Wenn man sich die Fleischerhaken-Szene in der Metzgerei gegen Ende des Films ansieht, liegt der Verdacht nahe, dass sich auch Regiekollege Tobe Hooper für sein texanisches Blutgericht dort bedient haben könnte). Die Grundidee von TROG, die Entdeckung eines Ungeheuers in einer Höhle, das sich als fehlendes Bindeglied zwischen Affe und Mensch entpuppt, übernimmt Landis unverändert für sein Erstlingswerk, das in knapp zwei Wochen größtenteils ‚on location‘ im kalifornischen Agoura, nordwestlich von Los Angeles, entsteht. John Landis ist die Gegend bestens vertraut, hatte er hier doch die private „The Oakwood Secondary School“ zusammen mit den Kindern berühmter Komponisten wie Jerry Goldsmith und Elmer Bernstein besucht.

Eine große Herausforderung vor Drehbeginn ist das Design des Monsters, mit dem das Projekt steht oder fällt. Da ein professionell erstellter Affenanzug bei dem knappen Budget von nur 60.000 Dollar nicht in Frage kommt, stößt Landis über Umwege auf den damals noch recht unbekannten späteren Oscar-Preisträger Rick Baker. Dieser wohnt zu jener Zeit bei seinen Eltern und erweist sich als absoluter Glücksgriff. So fertigt er – sehr zur Freude seiner Mutter – die detailreiche Gummimaske des Schlock kostengünstig im heimischen Backofen an. Anders als in TROG, wo das „Kostüm“ des Ungeheuers bloß ein Überbleibsel aus dem Fundus von Kubricks 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM (1968) ist, verleiht Bakers außergewöhnliches Talent dem Schlockthropus Charakter und macht ihn zur Hauptattraktion des Films, die man dem Zuschauer auch gleich von Beginn an präsentiert. Auf diese Weise grenzt sich SCHLOCK deutlich von anderen Genreproduktionen ab, die traditionell auf Retardation vor der Demaskierung (des Bösen) setzen. Spannung entsteht dann dadurch, dass die visuelle Manifestation des Schreckens, etwa das vollständige Sichtbarwerden des Monsters, bis zum Finale aufgeschoben wird. Diese Verzögerungstechnik findet sich in unzähligen Horrorfilmen und wird beispielsweise im Blockbuster DER WEISSE HAI (1974) äußerst virtuos eingesetzt. Auch das Whodunnit-Konzept der italienischen Gialli und US-Slasher-Filme basiert auf dieser erfolgreichen Methode.

Landis indes hält nichts von derartiger Verlangsamung, sein Einstieg in die Geschichte ist abrupt und im Vergleich zum Rest des Films relativ drastisch. Zu den pinken Opening Credits fängt der erste Kameraschwenk den mit Leichen übersäten Kinderspielplatz des Kablonski Friedensparks ein und endet bei dem mit den Ermittlungen betrauten Sergeant Wino (Saul Kahan). Dieser pflegt wie seine Kollegen einen wenig pietätvollen Umgang mit den massakrierten Opfern. Die Polizisten stolpern über herumliegende Leichen, stapeln sie in einer Schubkarre zum Abtransport und verhalten sich infantil und der Situation am Tatort unangemessen. Diese spöttisch-ironische Darstellung der Polizeiarbeit zieht sich durch den gesamten Film – wenn selbst banale Belanglosigkeiten wie die Aktendurchsicht mit heroischer Musik unterlegt werden – und kann als subversive Kritik an der Exekutive des Staates und seiner Autoritäten gelesen werden. Insofern stellt SCHLOCK einen frühen Gegenentwurf zum reaktionären Kino der 1970er Jahre dar, das durch Clint Eastwood oder Charles Bronson verkörpert wird. Ein Film wie DIRTY HARRY (1971), der zeitgleich im nahe gelegenen San Francisco entsteht, greift das damals in weiten Teilen der US-Gesellschaft vorhandene Unbehagen gegenüber Hippies (bzw. Andersartigkeit generell) auf und verleiht ihm Ausdruck. Protagonist Inspektor Callahan repräsentiert die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und seine .44-er Magnum bekräftigt die notfalls auch gewaltsame Durchsetzung bürgerlicher Normen. Damit ist der zynische Law-and-Order-Verfechter das exakte Gegenteil des chaotischen Anarcho-Schlock, den Optik und Habitus selbst als sozialen Außenseiter klassifizieren. Kein Wunder also, dass der langhaarige Affe recht schnell zu hören bekommt: „Why don’t you get a haircut?!“, was nichts anderes bedeutet als: „Pass’ dich gefälligst an!“ Die unfreundliche Bemerkung macht eine Komparsin, die von Landis‘ Mutter gespielt wird. Ironischerweise steckt ihr eigener Sohn im Affenkostüm und wird nun indirekt zum Adressaten. Als die Polizei am Ende nicht mehr weiter kommt und die Bürgerwehr zu Hilfe ruft, hat deren Redneck-Anführer natürlich auch etwas gegen „langhaarige Gammler“. Womöglich ist diese Abneigung jedoch rein beruflich bedingt, denn er entpuppt sich als der örtliche Barbier und diskutiert mit Sergeant Wino zunächst einmal seelenruhig über dessen Haarschnitt und einen geeigneten Friseurtermin, statt sich um das randalierende Affen-Problem zu kümmern.

Dass groteske Karikaturen bei Landis nicht ausschließlich Unterhaltungszwecken dienen, sondern mitunter eine gesellschaftskritische Note aufweisen, legt auch die Darstellung des Medienvertreters Joe Putzman (Eric Sinclair) nahe. Sein Pendant in TROG wird übrigens von David Warbeck gespielt und ist eine der ersten Filmrollen des gebürtigen Neuseeländers, der später mit Lucio Fulci ÜBER DEM JENSEITS (1981) wandelt. Putzman, alles andere als ein Saubermann, ist kein seriöser Journalist. Er instrumentalisiert seine Gesprächspartner und führt sie vor. Die immanente Medienkritik der satirischen Überzeichnung dieser Figur wird evident, wenn der TV-Reporter ein geschmackloses Quiz zur Anzahl gefundener Leichenteile veranstaltet, bei dem die Zuschauer ein Kentucky-Hähnchen-Dinner gewinnen können. Oder wenn er reißerische Interviews führt und das kommende Fernsehprogramm bewirbt, statt sich um Schwerverletzte zu kümmern. Schamlosigkeit und mangelnde Empathie werden hier bewusst übertrieben und wirken unrealistisch. 50 Jahre später hingegen ist es in den Massenmedien aufgrund ökonomischer Zwänge an der Tagesordnung, ethische Bedenken den Einschaltquoten und Klickzahlen unterzuordnen. Ob es sich an dieser Stelle also um prophetische Weitsicht des Drehbuchs handelt oder nur um einen Gag, der im Nachhinein zufällig ins Schwarze trifft, bleibt offen.

Mit SCHLOCK kreiert Landis einen absurden Nonsens-Humor, der unter Mitwirkung des ZAZ-Trios in KENTUCKY FRIED MOVIE (1977) weiterentwickelt wird und anschließend in deren Werken DIE UNGLAUBLICHE REISE IN EINEM VERRÜCKTEN FLUGZEUG (1980), der POLICE SQUAD-Serie (1982) und ihrer Kinoadaption DIE NACKTE KANONE (1988) zur Perfektion gereift. Retrospektiv betrachtet, erinnert SCHLOCK an Landis‘ spätere Episodenfilme, ja, er könnte ohne weiteres selbst ein längeres Segment eines solchen sein. Denn typische Merkmale eines Spielfilms wie Figuren- bzw. Plotentwicklung sucht man vergeblich. Statt inhaltlicher Stringenz herrschen klamaukiger Tumult und Unberechenbarkeit, die vor allem in der Interaktion der Figuren mit dem Schlockthropus zu Tage treten. Das Spektrum reicht dabei von atypischem Verhalten (wenn Reporter Putzman versucht das Wesen zu interviewen oder Sergeant Wino ihm wie einem menschlichen Delinquenten seine Rechte vorliest) über Ignorieren (die Kinobesucher am Snackautomaten schenken dem haarigen Affen trotz seiner auffälligen Erscheinung keine Beachtung) bis hin zu Massenpanikszenen (Flucht der Menschen aus einem Eiscafé), wie man sie aus japanischen Kaijū Eiga kennt. So unterschiedlich wie die Menschen auf das Monster reagieren, so unvorhersehbar verhält es sich auch selbst. Mal freundlich und sogar hilfsbereit (es bringt im Kino einen kleinen Jungen zur Toilette), mal blutrünstig wie in der Eröffnungssequenz. Das bekommt auch eine Hausfrau zu spüren, die dem Schlock, nachdem er zuvor höflich angeklingelt hatte, unbedarft hereinbittet. Weitere Besucher wird die Dame nicht mehr empfangen.

Die Sprunghaftigkeit der Hauptfigur passt zum Chaos auf der Leinwand, das die filmische Sozialisation des Regisseurs widerspiegelt. Landis, der sich selbst als von allem beeinflusst bezeichnet, ist mit einem bunten TV- und Kino-Potpourri aus Cartoons, Buster Keaton, den Marx Brothers und The Three Stooges aufgewachsen. In SCHLOCK vermengt er all diese Einflüsse zu einer wilden Mixtur und schert sich dabei wenig um die Erwartungshaltung des Publikums, das von ähnlichen Genrevertretern einen stetigen Spannungsbogen bis zur Klimax mit finaler Held-Monster-Konfrontation gewohnt ist. Konventionelle Muster wären aber auch kaum mit dem anarchischen Grundton des Films vereinbar und so sitzt SCHLOCK zwischen allen Stühlen: Für eine Familienkomödie ist er trotz des Verzichts auf blanke Brüste, um das PG-Rating nicht zu riskieren, zu schräg, für einen Horrorfilm wiederum zu blutleer und spannungsarm. Für einen Amateurfilm ist er trotz Laiendarstellern handwerklich zu gut, für den Mainstream zu bizarr. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Vermarktung. Verschiedene Verleiher winken dankend ab und erst als Fernsehlegende Johnny Carson Ausschnitte in seiner Talkshow zeigt, sorgt das eineinhalb Jahre nach Fertigstellung für die nötige Publicity, die dem Film im März 1973 einen Kinostart beschert. In West-Deutschland dauert es mit dem Release sogar noch bis September 1982. Die zeitgenössische Kritik im Katholischen Filmdienst ist dafür durchaus wohlwollend: „Erstlingsfilm, der alte Horror-Filme persifliert und liebevoll Filmzitate aneinanderreiht; in erster Linie für Filmkenner eine vergnügliche Unterhaltung.“ Landis muss sich allerdings auch nach der Veröffentlichung seines Films erst einmal weiterhin mit kleineren Jobs begnügen. Unter anderem wird er als Stuntman in der Corman-Produktion FRANKENSTEINS TODESRENNEN (1975) eingesetzt und in seiner Rolle als Mechaniker von Sylvester Stallone erschossen. 1978 gelingt ihm dann mit ANIMAL HOUSE der Durchbruch als Regisseur, der Rest ist Geschichte.

Mit seinem rasanten Tempo, den Slapstickeinlagen und der unverkennbaren Liebe zum Genrekino nimmt SCHLOCK vieles vorweg, was sich in Landis‘ späterer Karriere als Markenzeichen etablieren wird: Querverweise zwischen den Werken (in Michael Jacksons Thriller-Video hängt ein SCHLOCK-Plakat im Kino, alberne Affenkostüme in KENTUCKY FRIED MOVIE oder DIE GLÜCKSRITTER, 1983, etc.), zahlreiche Cameos befreundeter Regisseure und der legendäre Running Gag über den fiktiven Film „See you next Wednesday” kennzeichnen Landis‘ Œuvre. Und erinnern plötzliche Schockeffekte wie der Werwolf-Nazi-Traum in AMERICAN WEREWOLF (1981) oder die cholerischen Iraner in der wunderbar melancholischen L.A.-Hommage KOPFÜBER IN DIE NACHT (1985) nicht an die unvermittelten Gewaltausbrüche des Schlockthropus? In späteren Hollywood-Produktionen hat der Affe Spuren hinterlassen, die ihren Ursprung im Jahr 1971 in der staubigen Hitze Kaliforniens haben.

Verwendete Literatur:
– D’Agnolo Vallan, Giulia: John Landis. M Press, Milwaukie, Oregon (2008)
– Schobert, W., Berger, J. (Hrsg.): Fischer Film Almanach 1983: Filme, Festivals, Tendenzen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt (1983)

Schlock
USA 1973
Regie & Drehbuch: John Landis
Kamera: Bob Collins
Musik: David Gibson
Darsteller: The Schlockthropus, Saul Kahan, Eric Sinclair, Susan Weiser, Forrest J. Ackerman, u.v.a.
Laufzeit: 80 min.