Im mechanischen Labyrinth des Minotaurus. Von Caroline Lin

Von Caroline Lin

Ein Aufzug bringt Thomas, der sich nur noch an seinen Namen erinnert, auf eine große Waldlichtung, wo sich Dutzende anderer Jugendlicher bereits seit zwei Jahren selbst versorgen und nur wissen, dass sie Teil eines Großversuchs sind. Sie sind von den hohen Mauern eines Labyrinths eingeschlossen, dessen mechanische Monster schon einige Opfer gefordert haben.

Ein weitere annehmbare Teenie-Dystopie: Effektspezialist Wes Balls erster Regiejob setzt James Dashners Young-Adult-Fantasy von 2009 als High-Concept-Thriller um, breitet als visionäres Abenteuer (mal wieder) mit strukturellen Einflüssen von DIE TRIBUTE VON PANEM (bzw. BATTLE ROYALE) ein großes Experiment mit Anleihen beim Minotaurus- und Orpheus-Mythos aus. Nur: Je mehr er enträtselt und erklärt, desto schlechter wird’s.

maze.runner.2014.cover Weshalb es ein echter Vorteil ist, dass sich die Exposition gemächlich gestaltet, sich in einem ruhigen Rhythmus – von wenigen Actionsequenzen unterbrochen – eine qualitativ ansprechende Mystery entfaltet. 50 Jungs (und später ein Mädchen – Kaya Scodelario aus dem fabelhaften LINDA’S CHILD, die mit zarten und komischen Tupfer die Zielgruppe erweitert) bilden eine Schicksalsgemeinschaft, umringt von den mechanischen Mauern Jerichos.

Halb realistisch, halb symbolisch sind sie in der metaphysischen Konstruktion eines CUBE gefangen, ein kleines Idyll im Schatten eines dunklen Grenzwalls. Im Rumoren des sich selbst verschiebenden Labyrinths wie dem Grollen der Kreaturen darin sind griechische Mythologiemotive latent vorhanden, werden aber nicht vertieft. Und auch die sehenswerten biomechanischen Monster, ein wenig anders als bei H.R. Giger, wären interessanter als die Sozialdynamik.

Die orientiert sich weidlich an HERR DER FLIEGEN, bietet einen Regelsatz THE VILLAGE-Tabus, öde Machtkämpfe zwischen Thomas (Dylan O’Brien, der TEEN WOLF) und Anführer Ben (Chris Sheffield), weil sich ein Neuling zunächst in die Pfadfinder-Gemeinschaft eingliedert, dann mit seinem Mut die bestehende Ordnung aus den Angeln hebt. Der Status Quo: ein Leben in ständiger Angst vor den Morlocks (hier heißen sie „Grievers“).

Im Appell an den Wagemut bleibt Neugier indes die einzige Rettung. Das Ringen von Konservatismus und Revolution führt dazu, die Welt hinter den Mauern zu entdecken, ein aufklärerischer Schritt in die Moderne einer Stammeskultur, die sich ihren eigenen Blutdämonen stellen muss. Derweil kommen existenzphilosophische und pragmatische Einsichten, was das Labyrinth aus seinen Bewohnern gemacht hat, zumindest marginal auf.

Je mehr das Mysterium entschlüsselt wird, desto absehbarer fügt es sich zu einem hanebüchenen postapokalyptischen Quatsch zusammen. Alles hat einen Sinn – und der ist total bescheuert. Ball unterstreicht den ärgerlichen Niveauabfall mit einem die Binnenlogik torpedierenden Soap-Drama-Ende, das sehr komisch gerät, aber leider so unfreiwillig wie DIVERGENT. Bessere Figuren und Emotionen bot THE GIVER. Bitte keine Fortsetzung!

Erschienen auf Komm & Sieh

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The Maze Runner (Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth), USA 2014 | Regie: Wes Ball, Buch: Noah Oppenheim, Grant Pierce Myers, T.S. Nowlin, Buchvorlage: James Dashner | Mit: Dylan O’Brien, Kaya Scodelario, Will Poulter, u.a. | Laufzeit: 101 Minuten, Verleih: Fox (Kinostart: 16.10.2014).

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