Die Blockbusterbibel für Agnostiker. Von Thorsten Krüger

Von Thorsten Krüger

Gott ist ein Kind und hat verdammt schlechte Laune. In Ridley Scotts Bibelepos um Moses und den Auszug der Juden aus ägyptischer Sklaverei ist er kein sanfter Gebieter, sondern ganz alttestamentarisch zornig und rachsüchtig. Düsterer Höhepunkt: Er raubt den Atem aller Erstgeborenen, weil Ramses das geknechtete Volk nicht ziehen lassen will. Ansonsten dominiert die kühle Rationalität von Christian BATMAN Bale, der 1300 vor unserer Zeitrechnung als pragmatischer Skeptiker zwar mit einem nur ihm sichtbaren Schöpfer Zwiegespräche führt und dessen Auftrag erledigt, aber kein bisschen missioniert. Das ist für ein Quasi-Remake von Cecil B. DeMilles DIE ZEHN GEBOTE schon verblüffend.

exodus.goetter.und.koenige.2014.cover In seinem monumentalen, epischen Drama navigiert Scott zwischen GLADIATOR (abzüglich der Splatter-Kämpfe) und KÖNIGREICH DER HIMMEL (minus des Religiös-Politischen). Lange verfolgt er die Biografie von Moses, der als Waffenbruder von Pharao-Filius Ramses (Joel Edgerton, WARRIOR) diesem das Leben rettet, dann seine jüdische Herkunft entdeckt und durch eine Palast-Intrige in die Wüste zwangsexiliert, aus der er Jahre später zur Rebellions-Anstachelung zurückkehrt. Erst, wenn die sieben Plagen in ausgeprägter Action-Fantasy die Rechner zum Glühen bringen, verlässt Scott das erwachsene Drama-Terrain zugunsten eines Katastrophenspektakels – dem Blockbuster, den man von Beginn an erwartet hatte.

Wie aus amerikanischer Perspektive auf die Historie üblich, ist der Heros ein loyaler und fähiger General – egal, ob bei Griechen, Römern oder nun Ägyptern. Immerhin schüttelt Scott jede Kostüm- und Antiquitäten-Show ab. Die Darsteller sind natürlich und gewandt, wenn auch viel zu hellhäutig für die Region (und Moses glutäugige Beduinenflamme María Valverde kommt aus Spanien). Die Antagonisten sind giftschlangig bis prunksüchtig (Ramses) oder verschlagen bis effeminiert, doch nie so offensichtlich böse wie in GLADIATOR. Es erstaunt ohnehin, dass Scott ohne Pathos, großes Drama und religiöse Wallungen auskommt.

Damit driftet EXODUS: GÖTTER UND KÖNIGE nie ins unfreiwillig Komische wie Aronofskys Flut-Fantasy NOAH ab, aber es fehlt auch das Gefühl für das Heilige. So kann einen der extensive Machtkampf zwischen Moses und Ramses (samt allen Plagen) weder richtig mitreißen noch emotional beteiligen, nicht zuletzt, da außer den beiden Rivalen niemand intensiv charakterisiert wird: Ben Kingsley (DER MEDIUCS), Hiam Abbass und Sigourney Weaver haben knappe Auftritte, John Turturro (PLÖTZLICH GIGOLO) punktet als schiefmäuliger Seti noch am meisten.

Nach züchtiger Zügelung aller Sinnesfreuden und Blasphemien (gegenteilig zu FLESH + BLOOD und DIE LETZTE VERSUCHUNG CHRISTI) kann man sich zumindest an den hervorragenden Production Values uneingeschränkt delektieren. Die schiere klassizistische Monumentalität in raumgreifenden 3D lässt einen schwindeln. Massenaufmärsche aus Vogelperspektive und authentische – postkartenferne – Wüstenlandschaften sind vorzüglich, die CGI-Lastigkeit tritt erst bei Wirbelstürmen und der finalen Naturgewalt eines Tsunami hervor. Dies sind optische Leckerbissen – die sich hinziehende Bibeladaption für Agnostiker ist bei passablem Soundtrack lediglich respektabel.

Erschienen auf Komm & Sieh

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Exodus: Gods and Kings (Exodus: Götter und Könige), Großbritannien/USA/Spanien 2014 | Regie: Ridley Scott, Buch: Adam Cooper, Bill Collage, Jeffrey Caine, Steven Zaillian | Mit: Christian Bale, Joel Edgerton, Ben Kingsley, u.a. | Laufzeit: 150 Minuten, Verleih: Fox (Kinostart: 25.12.2014).