Matt im Watt. Von Tobias Baumgartner und Heiko Hanel

Von Tobias Baumgartner und Heiko Hanel

Ausgerechnet auf dem Tokyo International Film Festival randalierte ein niederländischer Film durch das wie üblich sehr gemischte Programm: SCHNEIDER VS. BAX, Alex van Warmerdams eigenwillige Fusion aus funktionalem Thriller und schwarzer Komödie. Auftragskiller Schneider nimmt an seinem Geburtstag widerwillig einen Job an. Nur das hartnäckige Insistieren seines Auftraggebers Mertens bewegt ihn dazu, Frau und Töchter auf die abendliche Party zu vertrösten. Schriftsteller Ramon Bax soll in seinem Ferienhaus am Meer erledigt werden.Schneider_vs_Bax-poster Was wie ein Routineauftrag beginnt, entwickelt sich bald zu einem komplizierten Unterfangen. Bax erholt sich gerade von einer exzessiven Nacht im Drogen- und Sexrausch, als ihm der drohende Besuch seiner depressiven Tochter Francisca einfällt. Barsch setzt Bax seine Freundin vor die Tür. Als seine Tochter wie erwartet völlig niedergeschlagen eintrifft, bietet ihr Bax übriggebliebenes Speed an. Auch Bax‘ Vater, der in weißem Frack und Gesellschaft einer sehr, sehr jugendlichen Geliebten unerwartet auftaucht, wird kurzerhand mit Drogen ruhig gestellt, während die Enkelin durchs Schilf irrt. In ihrer Hilf- und Zügellosigkeit gewinnt die dysfunktionale Familie Bax’ zunehmend die Sympathie des Zuschauers. Demgegenüber wirkt Schneider, der seine häusliche Abwesenheit telefonisch mit immer abenteuerlicheren Lügen begründet, immer würdeloser. Geschieht ihm also irgendwie recht, dass Mertens Bax ebenfalls mit einem Auftragsmord beauftragt hat: Zielperson ist Schneider. Nach einer fehlgeleiteten SMS liegen die Karten auf dem Tisch und ein gnadenloses Duell beginnt. Wenn nur nicht so viele Unbeteiligte in die Schusslinie kämen.

Schneider_vs_Bax01_c_Fortis Schon in Warmerdams sarkastischem Home Invasion Thriller BORGMAN gingen alle Protagonisten mit einer suizidalen Zielstrebigkeit vor. Auch Bax, Schneider, Mertens und alle anderen wissen sofort, wie sie auf jede noch so unerwartete Situation reagieren müssen. Es wird aber schnell klar, dass die Ergebnisse ihres Handelns nicht unbedingt den Erwartungen entsprechen und so fließt viel Blut auf beiden Seiten. Wobei man nach kurzer Zeit gar nicht mehr von Seiten sprechen kann. Es bilden sich ständig neue Seilschaften: zwischen Schneider und Zufallsbekanntschaften bzw. Entführten wie einer alternden Prostituierten, die er vor ihrem Zuhälter rettet. Zwischen Bax und seiner Tochter, die sich angesichts drohender Lebensgefahr nicht nur mit sehr unangenehmen Familiengeheimnissen, sondern auch mit der Entourage von Bax’ erboster Freundin konfrontiert sieht. Abhilfe schafft in allen Fällen physische Gewalt.

schneider-vs-bax Obwohl SCHNEIDER VS. BAX auf dem Papier unglaublich kompliziert klingt, inszeniert ihn van Warmerdam wie einen straighten Thriller mit zugegeben unvorhersehbaren Wendungen. Aber das war in BORGMAN auch schon so. Wie macht er das? Er konzentriert sich auf eine bemerkenswerte Location. War es in BORGMAN ein von allen Seiten einsehbarer Bungalow mit umgebenden Bäumen, ist es hier Bax’ Ferienhaus, das sich in einer scheinbar unendlichen Schilflandschaft befindet. Höchstens mal ein verrotteter Schuppen im Sumpf, in dem sicher auch mal etwas Schlimmes passiert ist (und auch passiert). Die komplette Umgebung scheint überzogen zu sein von Geheimnis. Insofern akzeptiert man dann auch die Handlungssprünge.

SCHNEIDER VS. BAX ist perfektes Kino: schnell, physisch, tragisch, lustig, und voller komplexer Charaktere.

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Schneider vs. Bax, Niederlande 2015 | Regie, Drehbuch und Musik: Alex van Warmerdam | Kamera: Tom Erisman | Darsteller: Tom Dewispelaere, Alex van Warmerdam, Marina Kraakman, u.a. | Laufzeit: 96 Minuten, noch ohne deutschen Verleih