Unter mysteriös-rhapsodischen Klängen tastet die Kamera Interieurs ab: Kellergewölbe, Bibliotheksbücher, Kaminfeuer. So sieht sie aus, die Mörderklinik; so klingt sie. Dazwischen erscheinen die Credits, immer etwas flackernd und verwaschen. So, als ob sich der Zuschauer zunächst daran gewöhnen müsste und sich die Augen reibt. Bis dahin nur etwas unbehaglich, schürt sich plötzlich Angst: eine vermummte Gestalt wird sichtbar, ein knackender E-Bass ahmt die schlurfende Bewegungen nach. Ein Rasiermesser blitzt auf, ein nackter Frauenkörper im fahlen Licht. Ein Todesschrei! Und zeitgleich erscheint der Titel auf der Leinwand: DIE MÖRDERKLINIK.
1870 auf Schloss Morley. Dr. Robert Vance (William Berger) betreibt hier eine Klinik. Nervenheilanstalt nennt er es, Irrenhaus heißt es das gemeine Volk. Doch unter barocken Wandmalereien und im schummernden Kerzenlicht ist einiges im Argen – Vance hat nicht nur mit seinen Patienten den Kopf voll. Neben den Insassen haben auch die Bediensteten so ihr Leid mit dem reinen Gewissen. Denn das Schloss birgt in seinen Winkeln eine jahrelang vergessene Tragödie. Als ein Mörder in schwarzer Kutte sich anschickt für freie Betten zu sorgen, kommt es zu einem Inferno aus Tod und Terror.
Dass Elio Scardamaglia sich sonst eher als Produzent umtat und außer DIE MÖRDERKLINIK keinen weiteren Spielfilm inszenierte, ist bei Betrachtung dieses Werkes nicht weniger als eine Unterlassungssünde. Denn der einst in Deutschland unter dem reißerischen und an erfolgreiche Wallace-Krimis erinnernden Titel DAS MONSTER AUF SCHLOSS MOORLEY erschienene Streifen, zeigt Scardamaglias ganzes Repertoire an Fähigkeiten. Richtig ist zwar, dass die Autoren Ernesto Gastaldi und Luciano Martino sich sowohl Bezüge zur klassischen Schauergeschichte suchen, als auch Grundlagen in den erfolgreichen Produktionen aus der britischen Schmiede der Hammer Films verwenden. Dennoch darf man Scardamaglia dafür loben, all das filmisch unter einen passenden Hut zu bekommen. Die Außenaufnahmen atmen in ihrem Farbenspiel und gekonntem Einsatz von Licht und Schatten Bava’eske Atmosphäre – ein Meisterwerk wie BLUTIGE SEIDE (1964) lugt speziell im ersten Drittel des Filmes öfter mal um’s Eck – und die Kamera versteht es, aus dem morbiden Charme des alten Schlosses ein Maximum an Gothic-Horror zu generieren. Dass die Produktion über ein durchaus erkennbares Budget verfügte, macht sich an der Gestaltung deutlich: weder an Kostümen wurde gespart, noch an der schmuckvollen Ausstattung des Gemäuers. Die Spannungssequenzen lassen an Terrence Fisher denken, während die Rasiermessermorde der Zeit entsprechend zwar zurückgenommen, jedoch spannungsreich fabriziert werden.
Auch wenn die Figurenzeichnung den sattsam bekannten Klischees entspricht und den Darstellern keine Überarbeitungserscheinungen anzusehen sind, ist William Berger natürlich ein Pfund jeden Italofilmes. Gleiches gilt für die mit Grandezza gesegnete Brünette Françoise Prévost, die im gleichen Jahr sogar für die deutschsprachige Produktion MAIGRET UND SEIN GRÖSSTER FALL an der Seite Heinz Rühmanns brillierte. Ihre laszive Erscheinung gepaart mit tückischem Eigennutz ergibt einen wunderbaren Gegensatz zur blonden Mary Young, die von Naivität und Herzenswärme geprägt sogar Berger für sich gewinnt. Young darf sich in dieselbe Reihe stellen wie viele junge Schauspielerinnen der damaligen Zeit, denn nach dem in Deutschland nicht erschienenen Euro-Spy-Flick AGENTE SEGRETO 777 – OPERAZIONE MISTERO (1965) war DIE MÖRDERKLINIK bereits ihr letzter Film. Nie wieder trat sie in Erscheinung, nie wieder durfte ein Meter Zelluloid sie abbilden. Die deutsche Synchronbearbeitung aus dem Hause Hermes präsentiert neben ‚alten Hasen‘ der Branche (Rainer Brandt, Michael Chevalier) mit Paul Edwin Roth oder Maria Körber auch Stimmen, die nicht oft den Weg ins Tonstudio fanden und dem Film auch in dieser Hinsicht Seltenheitswert verleihen.
DIE MÖRDERKLINIK entstand zu jener Zeit, als Pseudonyme en vogue und speziell die Italiener ganz groß darin waren. So verbarg sich Regisseur Scardamaglia hinter Michael Hamilton, die Autoren Gastaldi und Martino zeichneten unter Julian Berry und Martin Hardy, Kameraoperator Marcello Masciocchi machte seine Bilder als Marc Lane und Frank Mason stellte keinen geringeren als Francesco De Masi dar. Retrospektiv mag man das als verkrampft empfinden, doch damals firmierte selbst eine Regielegende wie Sergio Leone als Bob Robertson oder Melodiengenius Ennio Morricone tauchte als Dan Savio in den Credits auf – von radebrechenden Ausrutschern wie dem eingedeutschten ‚Emil Morik‘ erst gar nicht zu reden.
Wie so häufig ist es auch bei DIE MÖRDERKLINIK wieder einmal der Soundtrack, der die Stimmung des Filmes gekonnt ausbaut und vertieft. Ganz in der spätromantischen Tradition fährt Francesco De Masi großes Orchester auf, wobei für den Komponisten typisch speziell die Blechbläser in tiefen Lagen hervortreten dürfen. Neben den obligaten Streicherglissandi ist es vor allem die mit Hallgerät verstärkte Bassgitarre, die den Zuhörer erschauern lässt und schon durch die Filmmusik in jene italophile Trance versetzt, die dem römischen Film einst innewohnte. Dankenswerterweise ist der komplette Soundtrack vor kurzem bei Digitmovies auf CD erschienen.
Innerhalb der in stilechten, gelben Amarays verpackten “Giallo Edition” erschien vor kurzer Zeit DIE MÖRDERKLINIK als #007, in einer Komboveröffentlichung auf DVD-/Blu-ray präsentiert. Der Breitwandfarbfilm präsentiert sich von einem deutschen Kinoprint remastered in sehr guter Verfassung, gleiches gilt für die in Deutsch, Englisch und Italienisch vorliegenden Tonspuren. Als Extras kann man den Film in seiner unrestaurierten Fassung ‚bewundern‘, was im direkten Vergleich wieder einmal beweist, auf welchem Niveau solche Genrefilme mittlerweile genossen werden kön¬nen. Als interessante Dreingabe können ‚Szenen ohne Rollenrisse/Jumpcuts‘ und ‚Szenen ohne Nachtfilter‘ herangezogen werden. Der deutsche Kinotrailer sowie eine Trailershow über weitere Produkte aus dem Hause filmArt ist ebenso vorhanden wie ein sehr opulentes Booklet, dass – als Artbook bezeichnet – neben Abbildungen von Aushang- und Setfotos auch den kompletten Werberatschlag und das Filmprogramm enthält.
Hammer Horror goes Villa Borghese – so könnte man dieses Filmwerk kurz und treffend subsumieren. In poppigstem Technicolor ist spannendes ’sich bethrillen lassen‘ garantiert. Zum Abschluss sei aus dem Werberatschlag zitiert, der damals an die Filmtheaterbesitzer verschickt wurde: „Hier tropft das Blut von der Leinwand – dieser Schocker lehrt Sie das Grauen!“
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La lama nel corpo, I/F 1966, R: Elio Scardamaglia, D: William Berger, Mary Young, Françoise Prévost, Barbara Wilson, Harriet Medin, Germano Longo
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