Zu Gast beim Satanistenpärchen.

Das Spanischlexikon übersetzt den Titel dieses Filmes mit „Schauder“ oder „Schüttelfrost“, die beiden deutschen VHS-Labels, die ihn in den 80er Jahren hierzulande auf den Markt brachten, legten noch eine Brikette drauf: SCHOCK! SATAN’S BLOOD war der englischsprachige Titel des Filmes, den das Ostalgica-Label jetzt auch für seine rundum gelungene deutsche DVD- und Blu-ray-Premiere als Untertitel gewählt hat. Als Regisseur steht Juan Piquer Simón, bekannt durch spanische Horror-Heuler wie PIECES, SLUGS und CTHULHU MANSION, ganz oben auf dem Cover, obwohl die Film-Credits und alle verfügbaren Quellen seinem Kollegen Carlos Puerto die Regie zuordnen und Simon lediglich produziert und sich um die Ausstattung gekümmert haben soll.

Escalofrio_Poster Mit dem Tod von Diktator Franco im Jahre 1975 erlebte Spanien auch in den Bereichen Kunst und Kultur eine Lockerungswelle. Unter dem Zeichen „S“ waren jetzt auch Filme mit Sex- und Gewaltdarstellungen erlaubt, was viele Produktionsfirmen freudig in die Tat umsetzten. ESCALOFRIO hat sich offensichtlich vorgenommen, das seit Ende der 1960er Jahre angesagte Satanisten-Genre in Nachfolge von Filmen wie ROSEMARY’S BABY mit Softsex-Elementen zu einem leckeren Schock-Cocktail zu mixen. Nach einer „wissenschaftlichen“ Einführung durch den in Spanien recht bekannten Psychologen und Journalisten Fernando Jiménez del Oso („wo es das Gute gibt, muss es auch das Böse geben“), wird der Zuschauer Zeuge, wie sich ein weiterer zottelbärtiger Protagonist, diesmal ein Satanspriester, im Rahmen einer schwarzen Messe an einer jungen Dame vergeht und sie zum Dank am Ende erdolcht. Diese recht drastische Szene ist interessanterweise die einzige des Filmes, die Sexualität und rituelle Gewalt derart offen vermengt, mit der daraufhin einsetzenden Handlung des Filmes hat sie im Übrigen auch nicht viel zu tun.

Escalofrio_4 Vorhang auf, wir treffen Anna und Andreas, ein frischgebackenes Ehepaar. Beide verbringen einen beschwingten Sonntagnachmittag in Madrid, man tollt mit Schäferhund Blacky im Park herum (zu flotter Filmmusik von Librado Pastor, einem spanischen Studio-Pianisten, der hier klingt wie der verlorene Bruder von Stelvio Cipriani), geht ins Kino (Star-Wars-Poster!) und fährt ein bisschen mit dem Kleinwagen herum. An einer Ampel werden beide von einem anderen Pärchen, Bruno und Berta, angesprochen. Bruno gibt sich als Schulfreund von Andreas aus, und obwohl dieser sich beim besten Willen nicht an ihn erinnern kann, nehmen Anna und Andreas die Einladung auf ein Gläschen Wein im Hause der beiden an.

Was sie allerdings schon bald bereuen, denn nach einer überraschend langen Fahrt kommen sie schließlich bei einer einsam gelegenen, düsteren Villa an. Aber man will ja nicht unhöflich sein, und so nimmt das Böse seinen Lauf. Schon bald findet man sich in einer spirituellen Sitzung wieder, ein Sturm kommt auf, der eine Übernachtung im fremden Haus erzwingt, und die Merkwürdigkeiten und erschreckenden Zwischenfällen häufen sich. Wird es Anna und Andreas am Ende gelingen, das Haus lebend zu verlassen?

Escalofrio_2 In seinem Booklettext trifft Christian Ade mit einer Beobachtung den Nagel auf den Kopf: in diesem Film geht es nicht darum, warum etwas passiert, sondern was passiert. Und es passiert quasi alle paar Minuten etwas: seltsame Männer schleichen ums Haus, Hund Blacky verschwindet, eine gruselige Puppe entwickelt ein Eigenleben, das Auto will nicht mehr anspringen, und so weiter. Am Anfang scheint ESCALOFRIO noch psychologische Akzente setzen zu wollen, zum Beispiel in einer gelungenen Szene während der spirituellen Sitzung, bei der unangenehme Geheimnisse der Teilnehmer (Suizidversuch! Fremdgehen!) ans Tageslicht kommen, oder im Thematisieren des Schuldgefühls nach einer rauschhaften Gruppensex-Session. Aber schon kurz darauf verflüchtigt sich mehr und mehr jede auch noch so konstruierte Logik und macht Platz für eine Nummernrevue immer schrecklicherer Zwischenfälle, die unser naives Pärchen mit erstaunlicher Nervenstärke durchsteht. Erst am Ende wird die Villa zu einer Art Geisterhaus und beide nehmen schreiend Reißaus. Der Film hat dann allerdings noch zwei völlig absurde Twist-Endings für sie auf Lager, die absolut keinen Sinn ergeben, aber wer im Laufe der Story der Logik fröhlich „goodbye“ gesagt und in den Geschehnissen nur noch einen sich beständig steigernden Albtraum gesehen hat, dürfte bis zum Ende hin großen Spaß an ESCALOFRIO gehabt haben.

Escalofrio_1 Spaß macht auch die fabelhafte Bildqualität dieser Abtastung, die herrlich auf die Tube drückende 1980s-Videosynchro und die hinter die Kulissen blickende Bildergalerie im Bonusmaterial. Das vierundzwanzigseitige, kleine tiefschwarze Booklet beinhaltet interessante Texte von Christian Ade und Carsten Henkelmann, die sich allerdings teilweise inhaltlich doppeln. Das Wendecover der in einem schmucken Schuber steckenden DVD beziehungsweise Blu-ray hat als alternatives Artwork das Cover einer der beiden damaligen deutschen VHS-Cassetten zu bieten. Das war zwar ziemlich grässlich, sorgt aber für zusätzliches nostalgisches Flair.

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Escalofrio, Spanien 1977 | Regie: Carlos Puerto | Darsteller: Ángel Aranda, Sandra Alberti, Mariana Karr, José María Guillén, Manuel Pereiro, Luis Barboo u.a.

Anbieter: Ostalgica / Media Target Distribution

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