Woher kommt eigentlich das Grauen in diesem postapokalyptischen Kammerspiel? Die Familie, die in einem mit notdürftigen Materialien zur Burg umgebauten Häuschen irgendwo in einem einsamen Wald wohnt, steckt jedenfalls voller Paranoia. Denn ein Virus hat den Planeten entvölkert. Wer von diesem Virus befallen ist, stirbt auf erbärmliche Weise. Blut kotzend. Klarheit über die Funktionsweise, Virulenz oder Inkubationszeit herrscht aber nicht, lediglich: Das Virus birgt eine unglaublich hohe Ansteckungsgefahr und wird vermutlich auch über Berührung übertragen.
In Trey Edward Shults IT COMES AT NIGHT herrschen Angst, Verzweiflung, Klaustrophobie und ein großes Misstrauen vor der Außenwelt. Unsere Kleinfamilie ist völlig auf sich allein gestellt, abgeschnitten von einer – möglicherweise nicht mehr existierenden – Außenwelt. Paul (Joel Edgerton), Sarah (Carmen Ejogo) und Sohn Travis (Kelvin Harrison Jr.) haben eben erst Travis’ Großvater verloren. Sie haben ihn getötet, um zu überleben. Gasmasken tragend stoßen sie ihn in einer Schubkarre vors Haus, kippen ihn in ein Grab und verbrennen ihn. So funktional beerdigt man die geliebten Nächsten. Sarah ist sich später nicht sicher, ob es gut war, dass der 17jährige Travis die Exekution und die Beerdigung des Großvaters mitbekommen musste. Tatsächlich wird Travis in der Folge von Alpträumen und Visionen geplagt, die in Shults’ Film visualisiert werden. Die Filmerzählung speist sich zu einem großen Teil aus Travis’ eingeschüchterter Perspektive. Eine Perspektive, die auch zu dem Zeitpunkt Neugierde vermittelt, als sich das „Fremde“ hinzugesellt. Das Fremde in Gestalt einer anderen, durchaus vertrauenswürdigen Kleinfamilie.
Wie in Romeros Zombiefilmen oder seinem CRAZIES erhält auch hier das Virus ein psychologisches Moment: Das „Es“ („it“) im Titel ist so zu verstehen. Travis’ Leben besteht nur aus den Über-Ichs von Vater und Mutter und aus rationalem Handeln („Ich“-Handlungen). Als nachts ein Fremder ins Haus einsteigt und sich als Vater einer Kleinfamilie knapp vor Pauls Schüssen retten kann, öffnet sich die verstockte Ordnung ein wenig. Eine zweite Familie zieht ein. In Travis weckt das Lebensgeister, die sich gegen Vaters Credo „You can’t trust anybody but family“ aufbäumen. (Überhaupt: Der ganz im Überlebenskampf agierende, die Familie schützende Paul hält seine Familie so patriarchal zusammen wie ein Siedler aus der Pionierzeit der USA.) So bahnt sich bereits eine Art von „Lebenslust“-Virus den Weg in die geschlossene Gesellschaft (Travis empfindet auch Begehren für die „fremde“ Ehefrau Kim (Riley Keough)), und das Andere, die vernichtende Gewalt des Es folgt – wie zu erwarten – auf dem Fuß. Travis fantasiert von Körpervereinigungen und –flüssigkeiten, die sexuell aufgeladen sind, aber immer auch Kontroll- und Lebensverlust beinhalten.
Regisseur Trey Edward Shults hat nach seinem hochgelobten, deprimierenden Erstling, dem Familiendrama KRISHA (2015), versucht, die Schrauben des Ausweglosen noch etwas mehr anzuziehen. So ist ihm ein interessanter kleiner Outbreakfilm gelungen, der Horror und klaustrophobe Familienstrukturen gekonnt verbindet. Doch das Virus lauert überall.
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It comes at night | USA 2017 | Regie: Trey Edward Shults | Drehbuch: Trey Edward Shults | Darsteller: Joel Edgerton, Christopher Abbott, Carmen Ejogo, Riley Keough | 91min.
Anbieter: Universum