Ein Interview mit Filmproduzent und Regisseur Erwin C. Dietrich

Interview: Sven Regenstein & Thomas Schweer

erwin c dietrich

Er war einer der ungekrönten Könige deutschsprachiger Sexploitation. In den 70er Jahren ließ er die Puppen ununterbrochen tanzen, veranstaltete Berg- und Talfahrten ins Reich der Erotomanen. Schweizer können brav sein, aber auch ganz anders. Erwin C. Dietrich zeigte sich von seiner besten Seite. Als Michael Thomas war er unermüdlich, stieß einen Sexfilm nach dem anderen ab. In der Blütezeit seines Schaffens verpflichtete er dann auch noch den göttlichen Jess Franco für seine Firma ‚Elite Film‘. Gründe genug, den Mann einer näheren Betrachtung zu unterziehen.

Herr Dietrich, Sie wurden ‚mal als ‚Europas größter Filmproduzent‘ bezeichnet. Wie kommt man zu diesem Ruf?

(lacht) Das weiß ich auch nicht. Das müssen Sie die fragen, die das schreiben. Ich sehe mich gar nicht so groß. Ich habe 100 Filme produziert und das in einer Zeitspanne eines ganzen Lebens. Das finde ich eigentlich nicht so gewaltig. Die Filme sind zwar zum Teil rund um die Welt gegangen, aber sie sind zu einem großen Teil vergessen, weil sie einfach nur für eine gewisse Zeit von Interesse waren.

Wieso haben Sie sich ab DIE NICHTEN DER FRAU OBERST dem Soft-Sex-Genre gewidmet?

Ja, das kann man nur aus der Zeit heraus verstehen. Es gab damals den Ausdruck Soft-Sex noch gar nicht. Man hat einfach Filme gedreht, in denen man ‚mal irgendwo einen nackten Busen gesehen hat. Das war ja dann jedesmal ein Kampf mit der FSK um jeden nackten Busen. Also, nicht mal eine Striptease-Tänzerin durfte einen nackten Busen haben. Und dann kamen die ersten skandinavischen Filme, in denen sich irgendetwas so in schönem nordischen Gegenlicht oder der Mitternachtssonne abspielte, was man nicht so deutlich erkannte, was man aufgrund von Geräuschen und Schatten nur so erahnen konnte, und da kamen dann auch einige nackte Busen vor. Als ich dann der FSK vorgehalten habe, warum sie denn in diesen skandinavischen Filmen den Busen nicht beschneiden hingegen in den deutschen Filmen, da gab man mir dort zur Antwort, in Skandinavien gehöre halt Nacktheit zum Lebensgefühl, bei uns in Deutschland sei das Spekulation. Und dann bin ich losgezogen und habe in Skandinavien einen Film gedreht, der hieß NACKTER NORDEN, und dann haben sie mir prompt auch wieder die Busen ‚rausgeschnitten und gesagt, jaja, das gelte natürlich nur für die skandinavischen Produzenten nicht aber für die deutschen Produzenten, bei denen sei es immer noch Spekulation, wenn sie in einer skandinavischen Sauna zeigen, wie Mädchen sich nackt in der Sauna räkeln. Also, das war halt mein Kampf, nicht? Und ich habe (lacht)… ich habe mich da ja redlich bemüht, und bei NICHTEN DER FRAU OBERST kam dann eben der durchschlagende Erfolg. Der Film war ja, wie bekannt, der erfolgreichste Film des Jahres, und hat selbst den DOKTOR SCHIWAGO als zweiterfolgreichsten hinter sich gelassen. Gut, über DOKTOR SCHIWAGO spricht man heute noch, über DIE NICHTEN DER FRAU OBERST vielleicht weniger, trotzdem wird er sicher demnächst ‚mal in einem Fernsehsender gezeigt werden, verkauft ist er

Was haben Sie eigentlich vor den Sex-Filmen gedreht?

Angefangen habe ich mit Heimatfilmen. Und dann habe ich mich irgendwie zu DIE NICHTEN DER FRAU OBERST und zu den erotischen Filmen bewegt. Das war damals nicht soft-erotisch, sondern das war ja der Abgrund, das war ja das Schlimmste überhaupt. Also, da war man ja verstoßen. Ich wurde von Schweizer Gerichten für diese Filmchen, die heute bei RTL-plus gezeigt werden, vorgeladen. Da hat selbst die Bundesanwaltschaft ‚mal landesweit den ersten BLUTJUNGE VERFšHRERINNEN beschlagnahmen lassen, und ich wurde verurteilt bis hinauf zum Bundesgericht. Ach Gott (seufzt), es war eine sehr unruhige Zeit, und dabei mußte man noch arbeiten und dauernd beim Gericht erscheinen. Aber gut, ich habe das alles überstanden.

Ging es bei den Schnittauflagen seitens der FSK um eine Freigabe ab 18 Jahren?

Das ging immer um eine Freigabe ab 18 Jahren. Also, die Filme ohne Schnitte wurden immer mit einem Totalverbot belegt, und dann mußte man Schnitte machen. Mit den Schnitten durfte dann der Film gezeigt werden – ab 18 Jahren.

Sonst hätte man ihn nicht zeigen dürfen?

Ja, sonst hätte es ein Totalverbot gegeben.

Haben Sie sich immer an die Schnitte gehalten?

Ja (grübelt), man hat sicher ‚mal zwei, drei Fingerbreit die Schnitte verschoben, weil sie waren ja auch nie so deutlich bezeich- net. Es hieß da halt einfach immer: Es darf noch gezeigt und darf nicht mehr gezeigt werden ab – und dieses ‚ab‘ war dann jedesmal noch etwas zur Diskussion im Schneideraum. Aber grundsätzlich haben wir uns schon an diese Schnitte gehalten.

Mußte denn bei DIE NICHTEN DER FRAU OBERST etwas geschnitten werden?

Bei DIE NICHTEN DER FRAU OBERST kann ich mich genau erinnern. Da mußten 38 Schnitte gemacht werden.

Wie läßt sich das denn genau überprüfen?

Man mußte diese Schnitte einsenden, und dann mußte man eine eidesstattliche Erklärung abgeben, daß man diese 38 Schnitte gemacht hat.

Das bezieht sich nur auf die Bundesrepublik?

Ja, das bezieht sich nur auf die Bundesrepublik. Beispielsweise in anderen Ländern hat man dann keine Schnitte machen müssen, d. h. man hat dann meistens nicht im Negativ geschnitten, sondern man hat in den Kopien geschnitten. Das war eine wahnsinnige Arbeit, und da gab es auch hier und da ‚mal so kleine Vorkommnisse: Da wurde halt ‚mal eine Kopie, die für den Export bestimmt war, noch schnell in den Verkehr genommen (lacht) und dann auch prompt entdeckt, weil es gab damals, vielleicht gibt es das auch heute noch – ich weiß es nicht -, ein ganzes Heer von Denunzianten, die, wenn sie irgendwo was sahen, das sie nicht für ganz koscher hielten, das sofort irgendwo gemeldet haben. Es war ja da die Zeit der Aktion ‚Saubere Leinwand‘, wobei ich nicht weiß, ob diese Leute, die diese Aktion ‚Saubere Leinwand‘ damals durchgeführt haben, selber auch alle sauber waren. Mir ist es immer verdächtig, wenn jemand so angestrengt nach Fehlern oder nach unsauberen Dingen in dem Gesellschaftssystem sucht. Meistens handelt es sich dann um eine eigene Unsauberkeit in dem Charakter von demjenigen. Es gibt doch den schönen Ausdruck: ‚Dem Reinen ist alles rein und dem Schwein ist alles Schwein.‘

Kommen wir zu ICH – EIN GROUPIE: Wie Peter Baumgartner uns erzählte (SI #4), gab es da Probleme mit dem Regisseur?

Ja, ich wollte diesen Film in Zusammenarbeit mit dem Corman machen, und der Corman hat mir dann den Jack Hill geschickt als Regisseur. Wir haben hier in Zürich angefangen zu drehen. Das war der erste Film, in dem die Ingrid Steeger mitgemacht hat, und es war auch ein Riesen-Seilziehen bis das endlich so weit war, daß die Ingrid Steeger von dem Jack Hill überhaupt akzeptiert wurde. Wir haben dann etwa eine Woche in Zürich gedreht, und jedesmal, wenn ich an den Drehort kam, standen die mit der Kamera noch am gleichen Ort und haben immer das gleiche gedreht. Dann habe ich mir ‚mal erzählen lassen, was da los ist. Es schien so, als ob man noch wochenlang am gleichen Ort stehen und die gleiche Szene drehen würde. Ich habe das überhaupt nie erfaßt, was damals geschah. Die standen immer am gleichen Ort.

Waren das die Szenen mit den Hell’s Angels?

Ja, aber die kamen gar nicht bis zu den Hell’s Angels. Nein, die standen auf einer Bühne… standen auf einer Bühne… und standen nach einer Woche immer noch auf der gleichen Bühne. Der Jack Hill wußte einfach nicht weiter.

Hatte zu diesem Zeitpunkt schon Peter Baumgartner die Kamera gemacht?

Ja, schon unter Jack Hill. Das war natürlich für den Peter, der all die Filme mit mir gedreht hat, eine Herausforderung, ‚mal mit einem amerikanischen Regisseur etwas zu machen. Deswegen war er auch nicht glücklich, als ich ihm sagte: Ich schick‘ den Jack Hill wieder nach Hause, und wir brechen hier ab auf der Bühne, denn das gibt nie und nimmer einen Film.

Wieso haben die solange an der Szene gesessen?

Ach, ich denke, da waren irgendwie Drogen im Spiel. Ich denke, der Jack Hill war gar nicht in der Lage, zur nächsten Aufnahme überzugehen. Irgendwo hat ihm im Kopf da ‚was ausgesetzt. Auf jeden Fall haben wir den Jack Hill nach Hause geschickt, und uns dann zusammengesetzt und überlegt: Was ist zu tun? Ich habe dann angeboten: Wir fangen den Film nochmals an, und ich führe selber Regie. Da waren im Grunde alle dafür, nur der Peter Baumgartner, der war eigentlich eher dagegen. Aber er hat sich dann der Geschichte unterworfen, und ich denke heute noch: Das war damals einer der schönsten Filme, die wir gemacht haben. Vielleicht war die Musik nicht ganz… Gut, wenn ich das heute ansehe, kommt mir die Musik ganz jämmerlich vor. Wenn ich es heute ansehe – in jeder Beziehung. Aber vielleicht war es aus der damaligen Zeit… Man muß doch jeden Film aus der Zeit verstehen. Damals, mag ich mich erinnern, kam uns die Musik – wir haben sie ja schon während der Dreharbeiten als Playback für die Leute, die da tanzen mußten, gespielt – als das absolute Maximum an ganz toller, fetziger Musik vor. Aber, wenn ich ihn mir heute ansehe, kommt mir das furchtbar antiquiert vor.

Wir haben den Film ja letztes Jahr in Berlin eine Woche in einem Bezirkskino gespielt, und der war ein ziemlich großer Erfolg. Er war sogar der Tagestip in einem Berliner Stadtmagazin!

Das freut mich, find ich toll. Ich fand den Film damals, muß ich ehrlich sagen, sehr gelungen. Ingrid Steeger hat eigentlich in diesem ersten Film am meisten gezeigt, daß sie eigentlich ‚was kann. Deswegen war ich auch gar nicht überrascht, als sie später dann als einzige von den vielen Mädchen, die da durch unsere Filme hüpften, eine wirkliche Karriere gemacht hat.

Auf Video läuft der Film ja so um die 75 Minuten. Die Fassung, die wir im Kino gezeigt haben, lief 86 Minuten, aber angegeben ist der Film immer mit über 100 Minuten.

Ja, da wurde auch viel herumgeschnippselt. Da war beispielsweise eine Szene beim Arzt. Da waren wir damals… Nur um zu zeigen, wie wir damals mit solchen Sex-Szenen umgingen, weil wir uns darüber klar waren, diese Szene geht jetzt etwas weit – da geht Ingrid Steeger zum Arzt und setzt sich dort auf den gynäkologischen Stuhl, weil sie sich irgendwo beim Auto-Stop eine Geschlechtskrankheit aufgeangelt hat, irgendwas nicht besonders schlimmes, was vorbeigeht mit einer Spritze… Wir waren damals alle zu gehemmt, um jetzt einfach da eine Arztpraxis hinzustellen und zu sagen, also da spielt einer den Arzt. Wir waren mit der Kamera ja immer nur so außerhalb. Der Arzt aber mußte da vor ihr stehen und mußte sie untersuchen. Wir sind also in eine echte Arztpraxis gegangen, haben einen wirklichen Arzt gebeten, das zu spielen – das hat er Gott sei Dank auch gemacht, ich war selber ganz erstaunt darüber. Die Sache war für uns auch recht gut gelungen, aber später hat die FSK an dieser Szene ganz enorm ‚rumgeschnippselt. Dann haben wir die Szene wieder weggenommen. Später haben wir dann wieder versucht, etwas dazuzusetzen, weil es uns einfach, muß ich ehrlich sagen, gereut hat. Da haben wir versucht, die Szene wieder zu integrieren. Das ist dann nur irgendwie zum Teil gelungen. Ich glaub‘, wir haben auch nicht mehr alle Teile gefunden. Wir haben gerade jetzt wieder eine neue Fassung hergestellt. Wir haben das Negativ wieder rekonstruiert. Die Fassung ist auch durch’s Fernsehen abgenommen. Der Film wird dann irgendwann ‚mal in ferner Zeit, wenn man das auch wagt, im Fernsehen kommen.

Wie sind sie damals eigentlich mit Peter Baumgartner zusammengekommen?

Er war von Anfang an dabei. Also, früher haben wir nicht für unsere eigene Verleihorganisation gearbeitet, sondern für die verschiedenen, großen deutschen Filmverleiher. So nach der üblichen Art: Die haben uns eine Vertriebsgarantie gegeben, haben uns dafür Wechsel gegeben. Wir haben versucht, bei Banken diese Wechsel zu diskontieren. Damit haben wir den Film gedreht, haben den Film dem Verleih abgeliefert, und, wenn der Verleih seine Wechsel eingelöst hätte, dann hätten wir noch ein Geschäft gemacht. In unserem Fall gingen aber drei Verleihfirmen hintereinander pleite, jedesmal gerade mit dem Erfolg unserer Filme… Zuerst war es ein Verleiher, für den wir einen Film gedreht haben, der DIE NYLONSCHLINGE hieß. Der war ein Riesenerfolg, so eine Art Edgar-Wallace-Film. Aber wir haben nicht nur das Geld aus dem Erfolg nicht bekommen, sondern er hat nicht ‚mal die Wechsel bezahlt. Also, wir mußten eigentlich den Film doppelt bezahlen. Dann haben wir für einen anderen Verleiher SCHWARZER MARKT DER LIEBE mit Ernst Hofbauer als Regisseur gemacht: Riesenerfolg, die Firma ist pleite gegangen. Die dritte Firma war dann ‚TEAM-Film‘, und diese Firma haben wir dann eigentlich übernommen, als sie pleite ging. Da haben wir gesagt: Jetzt haben wir die Nase voll mit den Verleihfirmen. Und haben die Filialen der ‚TEAM-Film‘ übernommen. Ich habe damals auf ein Stück Papier fünf Filmtitel aufgeschrieben, die mir gerade so in den Sinn kamen, WEIßE HAUT AUF SCHWARZEM MARKT und DIE MÄDCHENHÄNDLER, so in der Richtung. Dann habe ich den Fillial-Leitern gesagt: Jetzt geht ‚mal diese Filme vermieten. Der Titel DIE NICHTEN DER FRAU OBERST war damals nicht dabei, der kam mir erst ein paar Tage später in den Sinn und wurde dann noch ins Programm genommen. Das war dann der dritte Film dieser Produtktion – einer war schon in Produktion, der hieß SANKT PAULI ZWISCHEN NACHT UND MORGEN. Der zweite war dann nachher WEIßE HAUT AUF SCHWARZEM MARKT und der dritte war dann DIE NICHTEN DER FRAU OBERST mit einem Erfolg in gigantischem Ausmaß. Da waren wir als Verleihfirma gemacht und eigentlich unsinkbar. Wir haben auch diese lange Zeit – ich muß ‚mal ausrechnen, wie lange das war (lacht) – überstanden und sind immer noch die älteste Verleihfirma in Deutschland. Nicht mehr so bedeutend im Moment, aber das kann sich im nächsten Jahr wieder ändern.

Was hatte das damals mit dem Urania-Filmverleih auf sich? Standen Sie auch dahinter?

Ja, da stand ich auch dahinter. Urania-Filmverleih… Nein, nein, Urania-Filmproduktion. Das war unsere erste Produktionsfirma in Deutschland. Die ist ganz eigenartig verschwunden. Die ist irgendwo verschwunden durch die Gewerbeaufsicht, die eines schönen Tages festgestellt hat, daß kein Firmenschild an der Haustüre war. Dann haben sie uns mitgeteilt, daß an der Haustüre kein Firmenschild ist, und sie betrachten daher diese Firma als nicht existent. Wir haben dann gedacht: Ja gut, wenn die das so wollen, dann ist die Firma nicht existent (lacht) und haben die Firma verschwinden lassen. Auf solche Chancen muß man eingehen (lacht).

Wie sind Sie zu Ingrid Steeger gekommen? Das war doch ihre Wahl, oder?

Das war meine Wahl, ja, weil einmal muß man natürlich bedenken, was man jetzt an jedem Badestrand und in jeder öffentlichen Anlage, in der es ein Gewässer hat, im Sommer sehen kann. Das Oben-Ohne oder sogar das Ganz-Nackte war ja damals etwas ganz furchtbar Verpöntes. Das kann man sich heute überhaupt nicht vorstellen: Den Kampf, den man damals hatte, ein Mädchen zu finden, das bereit war, auch nur ohne Büstenhalter eine Treppe herunterzukommen. Das war damals jedes Mal ein gewaltiger Kampf. Und da gab es einige wenige, und dazu gehörte die Ingrid Steeger, die waren irgendwo ihrer Zeit voraus. Für die war es damals überhaupt kein Problem. Wenn man gerade jetzt bei dem Film ICH – EIN GROUPIE sieht, wie die mit dem Motorrad nackt durch Zürich raste, splitterfasernackt den Kudamm hinunterrannte, über Gletscher rannte (lacht) nackt, barfuß… Also ich meine, da mußte man auch einiges an Kälte vertragen. Sie war ein ganz toller Kumpel. Sie hat einfach alles gemacht für eine gute Sache. Da war es nie ein Problem zu sagen: Zieh dich aus. Das hat die Ingrid einfach gemacht. Schon deswegen war sie für mich eine absolute Favoritin. Aber sie sah auch gut aus, und sie war talentiert, und sie entsprach genau diesem Mädchen, das vom Land in die Stadt kommt, und als Groupie diesen Anschluß an diese Musikgruppen suchte.

Sie wurde doch später synchronisiert?

Sie ist synchronisiert. Es waren alle Leute damals in unseren Filmen synchronisiert. Die haben überhaupt nie den Text gesprochen. Ich hatte damals – und die hatte ich sehr, sehr lange – eine Technik, da konnten die Leute überhaupt reden, was sie wollten. Ich habe ihnen nur immer den Sinn gesagt. Ich habe gesagt: Also, wenn du den triffst, wirst du ihn das und das fragen und wirst das klären, und wenn du dort an den Tisch gehst, sagst du zu ihm dies oder jenes. Sie war vollständig frei in den Dialogen, alle Schauspieler waren vollständig frei, den Dialog im Rahmen des Gesprochenen selbst zu gestalten. Wir haben dann später den Film geschnitten, und es interessierte uns gar nicht, was die sagten. Wir lasen das irgendwie von den Lippen wieder ab. Wir haben den Ton damals nämlich gar nicht aufgenommen und später einfach den Text den Leuten in den Mund gelegt. Wir hatten damals eine ganz besonders talentierte Frau, die das konnte. Beim ersten Film habe ich das selber gemacht, bei dem Film HINTERHÖFE DER LIEBE. Später hat dann die Frau Lembach übernommen, das zu machen. Wenn man die Filme heute ansieht, wirkt das etwas – das war mir damals zum Teil auch schon bewußt – zu geschwätzig. Aber sie hat das ganz grandios gemacht, sehr einfühlsam, hat ganz gute Dialoge draufgelegt.

Viel aus dem Off auch.

Sehr viel natürlich Off und Konter gemacht. Logisch, um die Probleme mit den Mundbewegungen nicht zu haben. Sehr viel Sachen werden dann immer im Off und im Konter gesprochen, aber auch oft hat sie es auf die Schnauze gelegt und das kam immer gut. Man kann deswegen gar nicht sagen: Die Filme wurden deutsch gedreht. Die Filme wurden eigentlich in Esparanto gedreht, wenn Sie so wollen, nicht.

Erstaunlich, daß diese doch äußerst sexistischen Dialoge von einer Frau stammten.

Ja, das war auch beachtlich, das stimmt. Nun gut, die Frau Lembach ist eine ganz besondere Frau, muß ich sagen, und sie hat auch ganz andere Filme bearbeitet. Sie hat auch die Texte bei ICH HABE DIR NIE EINEN ROSENGARTEN VERSPROCHEN gemacht, von dem ich heute noch glaube, daß die deutsche Fassung viel besser ist als das amerikanische Original.

Um nochmal auf ihr Darstellerproblem zurückzukommen: Gab es da auch Personen, die sich weigerten, sich vor der Kamera auszuziehen.

Ich muß sagen, für die Zeit, wo wir den GROUPIE gedreht haben, war es ein großes Problem. In der Zeit, wo wir DIE NICHTEN DER FRAU OBERST gedreht haben, da war es beispielsweise mit der Frau Oberst ein Riesen-Problem. Das war die Kai Fischer. Als ich mit der Kai Fischer damals über den Film sprach, hat sie mir gesagt: Erwin, ich mach‘ für dich das, ich mach dir das ganz nackt. Das war also schon eine wahnsinnige Zusage für damals, wenn das eine Schauspielerin tat, die schon einen gewissen Namen hatte, zwar auch in dem erotischen Bereich; die Kai Fischer hatte ja immer mit ihren schwarzen Strapsen und mit ihrem schwarzen Büstenhalter und so Erotik gemimt in verschiedenen Filmen. Sie war schon irgendwo das erotische Viech, und sie hatte ja auch eine ganz tolle erotische Ausstrahlung. Als die Kai Fischer mir sagte: Ich spiele für dich diese Frau Oberst nackt, mache da eine nackte Bettszene. Da kam ich mir wirklich vor wie beschenkt, weil, das war etwas. Da konnte man also tatsächlich einen Erfolg drauf bauen. Als wir dann im Atelier waren in Mailand, haben wir die Proben gemacht. Ich erinnere mich wie gestern: Das Bett war mit blauen Bettlaken, und die Kai Fischer hatte rote Haare, und ein grünes Nachthemd hatte sie immer an – bei den Proben. Dann haben wir also diese Bettszenen geprobt, und sie hatte ihr grünes Nachthemd an, und dann sagte ich: So, jetzt drehen wir, und zum Drehen bist du – wie wir es abgesprochen haben – nackt, und wenn du willst, schick‘ ich dann noch einige Leute ‚raus, die hier nichts zu suchen haben. Da kam das große Entsetzen, und dann kamen irgendwo Tränen. Dann habe ich zum ersten Mal einen Film abgebrochen, wenn auch nur, bis sich die Kai Fischer wieder erholt hatte. Wir mußten ja weiterkommen, also die Szene ist heute wirklich nicht nackt, sondern es tut einem in den Augen weh, wie die Kai Fischer mit ihrem grünen Nachthemd in dem blauen Laken liegt. Also, ich habe immer gesagt: Wie eine Karotte sieht sie aus mit den roten Haaren und dem grünen Ding. Ich hab‘ dann gesagt: Ja, gut, das bist ja du, also, wenn’s nicht anders geht, dann drehen wir’s so. Das hat dann dem Filmerfolg doch keinen Abbruch getan. Vielleicht war’s auch gut so.

Mußten Sie schon ‚mal eine Schauspielerin wegen solcher Probleme feuern?

Es gab schon hier und da Tränen, doch. Im Grunde waren es nicht immer Schauspielerinnen. Ich habe den Ausdruck meistens nicht verwendet, sondern ich habe immer von Darstellerinnen gesprochen. Das, was ich machte, war oft nicht Regie, sondern es war Schauspielunterricht, weil wir ja meistens mit Laien gespielt haben, so von der BLUTJUNGEN VERFÜHRERINNEN-Serie her, wobei die ‚Blutjungen Verführerinnen‘ auch oft – man konnte da ja nicht so wählen – alles andere als blutjung waren. Das Kriterium war ja eigentlich nur: Zieht die sich aus oder nicht?

Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen den Filmen BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN 3 und DIE BLONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN? Die sind doch identisch.

Es ist auch die Geschichte eines Mädchens, das aus einer Erziehungsanstalt flieht. Es gibt aber nach meiner Meinung in DIE BLONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN Szenen, die es in BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN 3 nicht gibt.

Vielleicht war das damals so. Inzwischen sind die Filme aber identisch.

Vielleicht haben die da…

Der Film lief doch damals vermutlich mit mehr Ingrid Steeger-Szenen im Kino.

Eben, die Ingrid Steeger erzählt ja da Geschichten von verschiedenen Mädchen, und man sieht dann die Geschichten mit den verschiedenen Mädchen. Bei DIE BLONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN sind nur Geschichten drin mit der Ingrid Steeger, d. h. die Geschichten, in denen andere Mädchen spielen, sind ersetzt durch Geschichten, die nur mit Ingrid Steeger sind, die zum Teil noch nie verwendet waren, die zum Teil aber auch aus anderen Filmen stammen. Die sind dort alle in DIE BLONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN eingeflossen.

Die Videofassung ist allerdings identisch.

Da ist irgendwas nicht koscher gelaufen, weil ja der DIE BLONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN durch die Bundesprüfstelle indiziert wurde – aus Gründen, die mir nicht ganz ersichtlich sind, wie meistens. Aber ich weiß es nicht… Ich müßte es mir ‚mal selber auf Video anschauen, um das festzustellen. Ich habe den Film aber dieses Jahr noch gesehen in einer Fassung, die in Berlin liegt bei der Cinephon, und es war nicht BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN 3.

Zu den BLUTJUNGEN VERFÜHRERINNEN 3: Es sieht so aus, als würde ein und die selbe Darstellerin in mehreren Episoden mitspielen, bloß daß sie unterschiedliche Perücken trug. Kann das sein?

Also, da bin ich jetzt in meinem Erinnerungsvermögen etwas überfordert. Das kann ich mir im Grunde nicht vorstellen.

Aber manche Darstellerinnen trugen eine Perücke?

Das war damals sehr üblich, daß man Perücken trug. Es gab eine Perücken-Zeit. Da hat man mit Haarteilen und Perücken… Das war absolut in der Zeit. Ich weiß schon: Das ist heute wieder etwas verschwunden. Aber es gab ‚mal eine Zeit, ich mag mich erinnern, auch meine Frau hat da alles mögliche unter ihr Haar geschoben und angehängt. Ich kann mich sehr gut hauptsächlich an eine Schauspielerin erinnern, die kam an, und dann hatte man zuerst einen gewaltigen Schreck, und dann hat sie angefangen, anzuhängen und aufzusetzen, und dann hatte sie eine – es war eine recht bekannte Schauspielerin in Deutschland eine ganz bekannte Löwenmähne, blond, und sah also aus wie das reinste Fräulein-Wunder. Aber das kam alles aus dem Köfferchen. Ich habe mit der ‚mal einen Film gedreht in Jugoslawien (lacht) – mehr sage ich nicht, sonst kriege ich ’nen Brief von ihr. Da bin ich im Hotel ins Schwimmbad gegangen, und da war sie auch im Schwimmbad ohne all‘ ihre Anhänger um den Kopf, und ich habe meine Hauptdarstellerin nicht erkannt!

Hatten Sie nicht Probleme mit der Ingrid Steeger? Die hat sich doch später distanziert von diesen Filmen.

Ich versteh das ja auch. Die Ingrid Steeger hatte dann natürlich, als ihre Fernsehkarriere begann, Probleme, wie sie andere Schauspieler auch schon hatten. Wenn ich da an die Hildegard Knef denke mit ihrem Film DIE SÜNDERIN. Das war ja auch so eine läppische Geschichte, und die Knef hat ja dann später immer zu diesem Thema gesagt: Das Geld ist weg, die Schande bleibt. Wobei: So eine Schande war das auch nicht, also von hinten hat man sie ja da irgendwo nackt gesehen. Also, wenn man sich sowas überlegt, daß das ein Skandal sein kann, dann ist ja wohl mit der Gesellschaft etwas nicht in Ordnung. Gut, die Ingrid Steeger hätte natürlich dann alles am liebsten nicht mehr wahr gehabt, was ich schade finde. Denn ich weiß nicht, ob das eine ohne das andere möglich gewesen wäre. Ich glaube nicht, daß die Ingrid Steeger ihre Fernsehkarriere gemacht hätte, wenn nicht vorher die Filme mit ihr gewesen wären. Und dann kann sie ohne weiteres zu ihren Filmen stehen, denn sie war ja letzten Endes auch in der KLIMBIM-Serie des öfteren die Nackte vom Dienst. Ich denke auch, daß es so zu diesem Engagement gekommen ist, weil man gesagt hat: Wir wollen etwas Sex hineinbringen, und welches Mädchen hat eine hübsche Figur und zieht sich gut und gerne aus? Also, Ingrid Steeger, und dann hat sie auch noch Talent. Das eine wäre ohne das andere sehr wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Aber sie hätte gerne alle Filme einfach dann verbrannt, und das möchten natürlich verschiedene von den Leuten, die da mitgespielt haben, die dann später ‚mal andere Wege gingen. Da gibt es Leute, die wurden irgendwelche Direktoren, oder haben reiche Männer geheiratet. Denen ist es natürlich etwas Peinliches, daß dann, gerade in Bezug auf diesen Direktor, seine Angestellten sehen in RTL-plus, wie ihr Direktor in den Filmen irgendetwas spielt, was nicht dem entspricht, das er heute spielt. Ich verstehe das schon, auf der anderen Seite, aber diese Filme sind da. Sie haben einen Stellenwert in der Filmgeschichte. Sie sind aus einer gewissen Zeit heraus entstanden und für eine gewisse Zeit entstanden. Sie wirken heute zum Teil etwas antiquiert, aber einige wirken heute noch frisch wie damals.

Sie haben ja erzählt, daß Sie für DIE BONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN einfach alte Szenen verwendet haben. Geht das rechtlich gesehen überhaupt?

Es geht grundsätzlich nicht. Also, die Zitat-Freiheit ist doch sehr eingeschränkt. Bis zu einer bestimmten Größenordnung, ein paar Minuten, ist es schon immer möglich, aber daß man quasi einen ganzen Film zusammensetzt, ist nicht ganz legal. Da muß man einfach wissen, wie ein Film entsteht: Normalerweise entsteht ein Film, indem man ein Drehbuch als Voraussetzung hat. Das Drehbuch schickt man an die Agenten eines Schaupielers oder einer Schauspielerin, oder man schickt es direkt an die Schauspielerin, und die liest das dann. Dann bespricht man vielleicht die Rolle. Sie sagt: Ja, mir gefällt die Rolle, ich akzeptiere das. In einem Einstellungsvertrag ist dann: Ich habe das Drehbuch gelesen, bin damit einverstanden und akzeptiere das Buch und diese Rolle und bin bereit, diese Rolle zu spielen. Also, man schließt auf ein Drehbuch hin einen Vertrag. Ich habe das so gemacht mit Hanna Schygulla und allen möglichen Schauspielern später. Hier, haben wir ja schon gesagt: Wir haben eine ganz besondere Art des Drehens gehabt für diese Filme. Erstens haben wir nie gesagt: Wir machen jetzt BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN 1, oder wir machen jetzt DIE MÄDCHENHÄNDLER oder irgendwie so etwas, sondern jeder dieser Filme hatte etwa zehn Episoden. Das war eine ganze Serie, in der man nur immer Episoden gedreht hat. Also, wir hatten jede Menge Ideen für Episoden, und wir hatten ein eigenes Atelier, das ganze Equipment, und eben der Peter Baumgartner war fest bei unserem Team. Wir haben eigentlich das ganze Jahr über nur Episoden gedreht ohne irgendein Script. Die waren nur in meinem Kopf, und ich habe das dann schnell auf ein Stück Papier geschrieben, oft erst am Morgen, bevor ich ins Atelier ging. Wir hatten mit den Schauspielern im Grunde auch nicht eine Abmachung, du spielst jetzt in dem Film mit dem Titel sowieso mit, sondern wir hatten nur: Du spielst bei uns zwei Tage oder drei Tage mit, und dann haben die zwei oder drei Tage gedreht bei uns, und wir haben zwei, drei Tage Episoden gedreht. Die verschiedensten, also: Mädchen mit Förster, Mädchen mit Briefträger, die Autostopperin, Angler-Story, Lehrer-Story und so. Es ging ja dann immer um eine Verführung. Also, daß ein Mädchen jetzt einen Lehrer verführt oder einen Angler oder einen Förster, oder ich weiß nicht was. Diese Episoden, die lagen dann, und wir haben dann einfach immer wieder in gewissen Abständen zehn Episoden versucht, zum Teil mit einer Rahmengeschichte, zusammenzuhängen. Zum Teil haben wir sie einfach hintereinandergehängt. Bei 2200 Metern war dann einfach wieder ein Film da. Es war also nie nach einem fixen Buch, sondern es waren nur Episoden, d. h. also für mich: Ich kann diese Episoden gebrauchen und umsetzen, so wie ich will. Ich könnte im Grunde immer wieder ein paar Episoden nehmen und wieder einen neuen Film daraus machen. Das hat mir damals ja auch die Möglichkeit gegeben, DIE BLONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN zu machen. Deswegen bin ich auch der Meinung, daß DIE BLONDE MIT DEM SÜßEN BUSEN nicht identisch ist mit dem Film BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN 3, denn sonst wäre es ja nur eine Umtitelung gewesen, nicht?

Sind Sie bei ICH – EIN GROUPIE auch ohne Drehbuch vorgegangen?

Wir sind genauso vorgegangen. Ich glaube, es gab ein festes Drehbuch zu der Geschichte, die der Jack Hill drehen wollte. Nur, das war seine Geschichte. Als wir den Jack Hill natürlich dann nach Hause schickten und ein paar Tage später mit dem Film wieder neu beginnen wollten, da war es ein ganz anderer Film. In dem Film von Jack Hill hätte auch die Ingrid Steeger kaum ein Wort gesprochen. In meinem Film hat sie dann verschiedene Dialoge gehabt. Also, es war überhaupt ein anderer Film, und dieser Film ist dann auch wieder entstanden nur… Das einzige, was wir hatten, war irgendwo so auf einem Zettel Papier ein Storyboard, wo wir jetzt also sagten: Wo geht jetzt die Reise hin? Und wo sind jetzt diese Lokale und wo geschieht nun was? Aber es war auch kein Drehbuch.

Jack Hill hatte eins geschrieben?

Also, ich hatte es auf jeden Fall nicht. Ich denke mir, die Amerikaner hatten ein Buch.

Der Film wird in einigen amerikanischen Nachschlagewerken auch als Roger Corman-Produktion gehandelt.

Ah ja, das erstaunt mich.

Im Vorpann steht ja Corman auch noch.

Das ist richtig.

Also, gab es keine hundertprozentige Trennung?

Doch, es gab eine richtige Trennung. Wir hatten seitdem keine Berührung mehr, und er hat eigentlich auch nichts bezahlt. Ich weiß ja nicht, vielleicht hat er dem Jack Hill etwas bezahlt. Wir haben ihm beide das Ticket bezahlt und den Aufenthalt in Zürich. Wir haben dann später gehört, daß er sein Rückflugticket verkauft hat, um Geld zu beschaffen (lacht)… Jack Hill… und dann Probleme hatte, wieder zurückzukommen nach Amerika.

Haben Sie damals Peter Baumgartner bei ICH – EIN GROUPIE auch teilweise die Regie überlassen?

Bei GROUPIE kann ich mich nicht erinnern. Ich kann mich erinnern, daß er bei BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN ‚mal nach Skandinavien ging ohne mich und dort ohne mich etwas drehte. Bei GROUPIE weiß ich nicht, aber das ist schon denkbar. Ich habe Schauspielschule gemacht, und der Peter war immerhin in der Regie-Klasse der Münchener Filmakademie. Er hat eigentlich Regisseur gelernt und nicht Kameramann. Aber er hat nur einen Film als Regisseur gemacht, der hieß UND NOCH NICHT 16 und war mit Rosie Rosie. Die wohnte damals in Zürich mit einem Regisseur zusammen namens Schneider. Auf dem Schneidetisch, den ich gemietet hatte, hat er nachts geschnitten. Ich kam an einem Morgen früh und wollte schneiden, da war das, was er geschnitten hatte, noch eingespannt auf dem Schneidetisch. Dann mußte ich ja das aus dem Schneidetisch ‚rausfahren, habe das gesehen, und da war seine Freundin drauf. Da habe ich natürlich gleich geschluckt, weil sowas Tolles hatte ich damals noch nicht in meiner Sammlung – also, jetzt von den Darstellern.

In MÄDCHEN DIE SICH SELBST BEDIENEN gibt es eine Episode, in der sich, vermutlich ist es Eric Falk, ein…

Der Bodymensch, ja?

Ja, der mit den dunklen Haaren.

Ja, das ist irgendwo ein Weltmeister in Karate. Aber ich weiß nicht aus welcher Zeit. Ja, und was ist mit dem?

Der guckt sich Zeichenfickfilme an.

So schwarz-weiße?

Ja, wo waren die her?

Weiß ich nicht, muß ich ehrlich sagen. Die hat mir ‚mal irgendwann so ein Requisiteur angeschleppt. Dann haben wir die auch gleich eingebaut. Die waren nämlich recht gut. Ich hab sowas erst letztens wieder gesehen in Amerika, die wurden ja so oft gerip-offt, kopiert und immer wieder kopiert.

Danach schaut er sich ja einen richtigen Hardcore-Film an, so einen Weihnachtsmann-Porno.

Ah, der Weihnachtsmann. Ja, das war al- les auf dieser Filmrolle. Jaja, die habe ich vom Edi Stöckli, der damals hier bei mir arbeitete. Das war sein Büro hier. Heute kontrolliert er in der Schweiz den erotischen Kinomarkt und hat es zu Ansehen gebracht. Heute kann man es mit solchen Sachen ja zu Ansehen bringen.

Bei MÄDCHEN DIE SICH SELBST BEDIENEN tauchen ja auch wieder Episoden aus anderen Filmen auf. War das ein Recycling-Produkt?

Wissen Sie, ich war ja da nie wählerisch. Wenn ich fand, eine Episode aus einem früheren Film würde da noch einem Film wieder gut tun, habe ich es ohne weiteres wieder eingebaut. Und zwar aus einer Überlegung, die ich später ja auch, als ich hier in Zürich ein Sexkino programmierte, immer wieder erlebte: Bei den erotischen Filmen ist es das gleiche Publikum, das immer wieder kommt, und zwar innerhalb der gleichen Woche, und die sehen sich die gleichen Filme immer wieder an. Klar nimmt man dann nach einiger Zeit den Film wieder aus dem Programm, und wenn man ihn wieder ins Programm tut, hat er wieder die selben Einnahmen. Also, die Erfolgslinie dieser erotischen Filme ist ganz gerade. Das hängt auch nicht stark vom Wetter ab, das hängt vielleicht, ich würde sagen, von Wochen ab mit mehr katholischen Feiertagen. Es spielt überhaupt keine Rolle: Wenn eine Szene gut ist, konnte man sie ohne weiteres später wieder in einen Film hineintun. Das mußte nicht alles neu sein. Kein Mensch hat sich darüber aufgeregt. Wenn’s gut war, dann war’s einfach gut, und dann war’s auch ein Erfolg.

In dem Film haben Sie ja auch einen Gastauftritt mit Peter Baumgartner beim Kegeln.

Das haben wir hier und da gemacht. Wir hatten sogar schon unsere eigenen Sprecher. Aber da habe ich, glaube ich, sogar selbst synchronisiert.

Hatten Sie öfter solche Gastauftritte?

Ja, ich war ja auf der Schauspielschule, bin eigentlich Schauspieler. Also ich hatte einen Auftritt in dem Film CHAMPAGNER FÜR ZIMMER 17. Da hatte ich in Mailand zusammengearbeitet mit einer Agentur, die Modelle für diese Photo-Romane hatten. Diese Agentur hat uns ihre Photo-Romane gezeigt, und ich habe denen gesagt: Den find‘ ich jetzt gut und den‘ find ich jetzt gut, dieses Mädchen und so. Und die haben uns diese Leute gebracht. Unter anderem habe ich einen tollen Polizisten gesehen, und da habe ich gesagt: Das ist genau der Polizist. Und jetzt kam dieser Polizist, und der hätte jetzt seine Dialoge – da hatten wir Drehbuch und Dialoge, es war doch immerhin eine größere Konsalik-Verfilmung… und da hätte er seine Dialoge sprechen sollen. Jetzt hat er gestottert wie verrückt. Das war unmöglich! Es war unmöglich, der konnte keinen Satz sagen. Wir mußten dann dem so schonend wie möglich beibringen, daß es nicht geht. Ich weiß nicht mehr, wie wir das gemacht haben, und die Dreharbeiten durften ja nicht stillstehen, so habe ich diese Rolle übernommen. Das ist eigentlich die einzige wirkliche tolle Rolle, die ich gespielt habe. Das war wirklich eine Rolle. Das war eine Rolle mit Dialogen, und ich saß als Polizist in dem Büro, und mir lief irgendwo der Schweiß ‚runter. Ein Ventilator drehte sich über mir, daß man so richtig gesehen hat, wie heiß das war, und mir lief so richtig der Schweiß herunter. Und ich mußte immer zuschauen, wie mein Chef ein großes Bier trinkt (lacht), und mir lief das letzte Wasser aus dem Mund. War richtig schön zu spielen, und diese Rolle verdankte ich in meinem eigenen Film – ich habe da auch Regie geführt den Umstand, daß dieser Schauspieler gestottert hat und nicht reden konnte. Aber sonst bin ich nur so ‚mal aus Spaß durchgelaufen.

In Ihren Filmen ergreifen oft die Frauen die Iniative. Wollten Sie sich dadurch bewußt abgrenzen von anderen erotischen Filmen, wie z. B. denen von Joe d’Amato.

Also, mir hat man da bei den verschiedenen Gerichtsverfahren, die gegen mich geführt wurden, ‚mal vorgeworfen, daß ich die Situationen verfälsche in meinen Filmen, daß ich die Frau als Verführerin zeige. In Wirklichkeit sei es ja so, daß der Mann der Verführer sei und die Frau die Verführte. Ich fand das halt immer reizvoller, als Mann der Verführte einer Frau zu sein. Ich hab‘ das in meinen Filmen auch gezeigt, und dann muß ich sagen: Später habe ich dann herausgefunden, daß da natürlich auch noch eine gewisse Spekulation aufgeht, wobei die Männer, die verführt werden, ja sehr oft ältere Männer sind, und die im Alter vielleicht auch identisch sind mit dem Besucherkreis der Sexfilme. Diesen Männern hat es natürlich geschmeichelt zu sehen, wie Männer in ihrem Alter von jungen Mädchen aufgegabelt werden. Es gab irgendwo den Filmen etwas mehr Fantasy, weil es war im Leben damals… Also, heute könnte ich mir vorstellen, daß sich diese Verhaltensmuster auch etwas geändert haben. Ich denke, heute gibt es ohne weiteres Frauen, die einen Mann anquatschen – ich möcht’s mindestens hoffen, vielleicht ist auch etwas hängengeblieben von meinen Filmen, oder ist vielleicht etwas von meinen Filmen ins Leben übergegangen. Aber für die damalige Zeit war das absolut undenkbar. Also, wenn eine Frau einen Mann angequatscht hat, war das eine Prostituierte.

Verglichen mit d’Amato, der oft nur die Frauen völlig nackt zeigt, zeigen sie auch häufig den Mann vollkommen nackt.

Ja, gut. Er hat natürlich vermutlich in erster Linie an den italienischen Markt gedacht und an den italienischen Mann. Es gibt da ja noch groteskere Sachen. Mir hat ‚mal der türkische Verleiher von dem Film DIE NICHTEN DER FRAU OBERST erzählt, wie die türkischen Männer diesen Film erleben. Es gibt in DIE NICHTEN DER FRAU OBERST doch diese Szene, wo der Mann nach Italien kommt, um seine Frau zu besuchen, und da sagen sie ihm: Ihre Frau ist unten am Strand. Dann kommt er so beim Strand über eine Düne und sieht dort seine Frau in den Armen eines anderen Mannes. Da guckt er hin, dann dreht er um, geht weg, steigt ins Auto und fährt wieder nach Hause. In der Türkei soll es bei dieser Szene ein Gebrüll gegeben haben jeweils in den Kinos, weil es für einen türkischen Mann absolut undenkbar ist, daß der sich einfach umdreht und weggeht. Der bringt den um oder bringt sie um.

Oder beide.

Ja, oder beide. So ist es. Jedes Land hat natürlich andere Empfindsamkeiten und andere Reaktionen. So hat vermutlich auch in Italien der d’Amato… Ich weiß nicht, warum er die Männer nicht nackt zeigt.

Bei Ihnen sind ja später die Grenzen zwischen Soft-Sex und Porno immer fließender geworden.

Gut, das sind Ausdrücke, die man später entwickelt hat. Als wir die Filme drehten, waren das einfach erotische Filme. Man ging nicht sehr weit. Es hat nie in einem Film ein tatsächlicher Geschlechtsverkehr stattgefunden. Man hat immer sehr auf Anstand geachtet. Es hat auch am Rande der Produktionen nie irgendwelche Verhältnisse gegeben – weder mit dem Stab noch mit irgendwelchen Mitarbeitern. Wir haben einfach erotische Filme gemacht, und es gab einfach Leute, die zu diesen erotischen Filmen gesagt haben, das seien Pornofilme. Das haben die im Grunde auch nur gesagt, weil sie ’s nicht besser wußten, denn im Grunde hatte man gar keinen Zugang zu Pornofilmen. Ich muß ehrlich gestehen: Als ich damals nach Skandinavien ging und dort den NACKTER NORDEN drehte, bin ich zum ersten Mal in einem Pornoshop gewesen und habe mich gewundert, was nun Porno wirklich ist. Ich war selber entsetzt. Also, prüde war ich nämlich selber auch. Ich war ganz entsetzt, was es da alles gab an pornographischen Schriften – Video gab es damals ja noch nicht. Also, man hat eben einfach gesagt: Das ist Porno oder Schweinekram.

Später haben Sie dann aber richtige Pornodarsteller engagiert, wie z. B. Brigitte Lahaie.

Ja, wir haben Pornodarsteller engagiert, aber wir haben kein Porno gemacht.

Man sieht aber ziemlich deutlich…

Man sieht etwas mehr, logisch. Man mußte schon etwas weitergehen. Man hat früher im Grunde die Mädchen nur so vorbeigehen sehen, und man war mit der Kamera diskret. Jetzt war man halt etwas weniger diskret.

Haben Sie mit ihrer Produktionsweise auch ‚mal mehrere Filme gleichzeitig gedreht?

Es gab einen Moment, da haben wir drei Filme in der selben Zeit gedreht. Wir haben jeden Tag für drei Filme gedreht und haben die schön auseinander gehalten und haben nachher drei verschiedene Filme montiert. Das haben wir ‚mal gemacht.

Wie hießen die Filme?

Es war ein Teil von ARMEE GRETCHEN. Einen großen Teil von ARMEE GRETCHEN haben wir dann später in Jugoslawien gemacht. Der zweite Film war DIE MÄDCHENHÄNDLER. Und der dritte Film: BLUTJUNGE MASSEUSEN.

Die haben Sie alle drei im Studio…

Wir hatten eine riesige Fabrik mit Werkshallen, mit Büros und allem drum und dran, mit Fahrstühlen, mit Kellerräumen. Wir hatten eine riesige Fabrik, hier in Zürich, zur Verfügung. Die wurde an einem gewissen Datum abgebrochen, und wir haben einfach die Chance genommen. Wir haben die Räume gestrichen. Da war auch ein Riesensaal, in denen dann diese Rollschuh – ich weiß nicht, ob Sie das ‚mal gesehen haben, ich glaub‘, da war ‚mal bei BLUTJUNGE MASSEUSEN so eine Rollschuhszene, wo sie da Rollschuh-laufen… Und da haben wir diese Rollschuhbahn in eine Werkshalle hineingebaut – beispielsweise. Wir haben einfach die Chance genommen, das richtig auszunutzen. Wir haben es ‚mal versucht, es hat uns gereizt, und einigermaßen hat es funktioniert, d. h. natürlich nicht ganz, denn es sind schon nicht die besten Filme.

Aber EINE ARMEE GRETCHEN…

Gut, für EINE ARMEE GRETCHEN haben wir dort nur einige Szenen gedreht. Ich glaub, in diesen Werkshallen da lag auch so Schutt ‚rum, und das sah aus wie nach einem Bombenangriff. Da haben wir so Kriegsszenen gedreht. Das Wesentliche zu EINE ARMEE GRETCHEN haben wir dann in Jugoslawien gedreht.

Erstaunlich, daß das einer der ersten Lagerfilme war.

Ich hab‘ gerade gestern einen sehr ähnlichen Film im Schweizer Fernsehen gesehen, aber das war eine 1990er Produktion – auch so mit Blitzmädchen und so. Nur nicht ganz so teuer. Die haben nicht solche Panzerschlachten gedreht wie wir. Aber vermutlich haben sie einige Millionen mehr ausgegeben als wir damals.

Wie lange haben Sie denn so durchschnittlich an einem Film gesessen?

So an einem größeren Film saßen wir schon vier Wochen.

Alles inklusive Schnitt?

Nein, nein, nur Drehen. Und kleinere Sachen haben wir oft in einer Woche gedreht, wobei man das eben nicht so genau sagen kann, weil wir ja nur immer Episoden gedreht haben. Wir drehten an einer Episode vielleicht einen Tag. Wenn ein Film dann aus zehn Episoden bestand, haben wir zehn Tage gedreht. Wir haben diese Episoden einfach genommen, wie sie waren, und haben sie irgendwann geschnitten und dann zusammengeklebt. Schon war’s ’n Film.

Herr Dietrich, wie sind Sie mit Jess Franco in Kontakt getreten?

Ich weiß es nicht. Der saß einfach eines schönen Tages da, und der konnte mich irgendwie begeistern. Der Jess Franco ist ein richtiger Cineast, der alles kennt, was es überhaupt auf Film gibt; der im Grunde alles könnte. Ich bin überzeugt, wenn der Jess Franco einmal einen Produzenten hätte oder gehabt hätte, der ihm wirklich ein Budget und eine richtige Crew hinstellt, würde er alles schlagen, was es in Hollywood gibt. Der Jess Franco ist ein absoluter Alleskönner, der aber das Unglück hat, immer mit ganz kleinen Budgets ganz große Filme machen zu müssen, was er auch kann. Und daraus hat sich bei dem Jess Franco etwas ganz Eigenartiges entwickelt: Der will natürlich immer die Filme drehen, ohne daß der Produzent dabei ist und ohne daß da eine Kontrolle ist. Man schickt ihn also irgendwo hin, einen Film zu drehen, und der schafft es tatsächlich, mit dem gleichen Budget und den gleichen Leuten, ohne daß die es merken, noch einen zweiten Film zu drehen; und den dreht er für seine eigene Tasche.

Haben Sie da ein Beispiel?

Ja, ich habe einen Film gedreht, der hieß FRAUENGEFÄNGNIS. Das war der erste Film, den ich mit Jess Franco gemacht habe. Und dann haben wir auch für FRAUENGEFÄNGNIS eine ganze Serie Bilder für das Plakat gemacht; mit Gitterstäben, und dahinter waren nackte Frauen, die da durch diese Stäbe greifen. Davon haben wir eine ganze Plakatserie bei uns gemacht und diese Bilder lagen hier auch ‚rum. Jess Franco hat die sich auch angesehen und dann haben wir nach einem dieser Bilder unser Plakat gemacht. Als ich dann in Mailand war an der MIFED, da sehe ich bei einer italienischen Filmverkäuferin ein Plakat hängen für einen Film, der WOMEN BEHIND BARS heißt. Das Plakat war von einem Dia aus dieser Serie gemacht. Da hieß es auch ‚Regie: Jess Franco‘, und da standen meine Schauspieler drauf. Dann habe ich der gesagt: „Was fällt Ihnen ein? Das ist doch mein Film!“ Also, bei der näheren Abklärung hat sich dann tatsächlich herausgestellt, daß das nicht mein Film ist, es aber die gleichen Schauspieler und die gleichen Dekorationen sind, nur daß der andere Film, den die hatte, in Scope war. Der war in Scope und meiner war nicht in Scope. Da hat also der Jess, der bei dieser Frau irgendwie Schulden hatte, um diese Schulden abzutragen, irgendwo einen kleinen, aber brauchbaren Film nebenbei gedreht, ohne daß die Mädchen, die Schauspieler, das merkten.

Aber was war mit der Crew, dem Kameramann, dem Beleuchter …?

Er war der Kameramann! Er! Das war er auch! Der Jess Franco hat beispielsweise bei diesem Film, aber auch bei anderen, die Kamera geführt.

Bei welchen zum Beispiel noch? DOWNTOWN?

Ist möglich. Auf jeden Fall hat er, wenn er nicht beim ganzen Film die Kamera geführt hat, mindestens zum Teil Szenen selber gedreht. Er war immer gerne an der Kamera, hat immer behauptet, nur so durch die Kamera kann er richtig Regieführen. Das ist einleuchtend und verständlich. Es gibt sicher auch andere Regisseure, die das sagen, und heute sitzen ja die Regisseure praktisch an der Kamera, indem sie in den Monitor schauen. Das gab es ja damals noch nicht. Da stand der Regisseur sehr nahe an der Kamera, so daß er etwa das gleiche Bild hatte, aber Jess sagte mir immer: „Ich muß durch die Kamera sehen!“ Da hatte er aber eben noch die andere Möglichkeit: Er konnte dann drehen; er hatte einfach ein Anamorphiko vorgeklebt und hat dann Scope gedreht.

Mit der gleichen Handlung?

Mit einer ähnlichen Handlung. Er hat da natürlich in dem anderen Film, weil da mußte er auf 2200 Meter kommen und durfte vermutlich nicht mehr als 3000 Meter Negativ verdrehen, weil ich es sonst gemerkt hätte, einfach Szenen gedreht, in denen Leute irgendwo saßen und miteinander gequatscht haben, gequatscht haben, gequatscht haben. Ich habe mir ja diesen Film angesehen, weil ich dachte: „Ja, also gut, wenn der Film schon mit meinem Material gedreht ist und ich schon alles bezahlt habe, könnte ich den Film ja mindestens für Deutschland übernehmen.“ Aber der Film war wirklich zu banal. Er hatte damit dieser Frau gegenüber vermutlich seine Verpflichtungen erfüllt. Da hatte er vermutlich mit ihr das gleiche, wie er es dann später auch hier und da mal mit mir gehabt hat, wenn er Schulden gemacht hat. Dann kam er einfach und sagte: „Ich liefere Dir einen Film bis dann und dann.“

Das war wohl auch bei DAS BILDNIS DER DORIANA GRAY / DIE MARQUISE DE SADE so.

Nicht mal unbedingt, aber das war auch auf jeden Fall eine eigenartige Produktion, nicht?

So sieht der Film auch aus!

Ich habe dann den Jess drei Jahre lang unter Vertrag gehabt – und zwar einfach mit Monatsgehalt. Der Jess hat an und für sich gut verdient, nur so wie der Geld ausgeben konnte, das muß man aber auch können. Er ist ein absoluter Feinschmecker, der wirklich nur das Beste vom Besten ißt, wenn er Geld hat zum Essen. Er hat einen ganz aufwendigen Lebensstil, so daß er natürlich dauernd in großen finanziellen Problemen ist.

Mußte er bei Ihnen eine bestimmte Anzahl von Filmen abliefern?

Er hat sich eben selber gedrängt. Auch weil er, wenn er gedreht hat, etwas zu Essen hatte. Er konnte ja im Grunde von dem, was er verdient hatte – das war ein tolles Gehalt und ging weit über mein eigenes hinaus – und immer gehabt hatte, egal ob er gedreht hat oder nicht, nicht leben, denn das ging in seinem aufwendigen Lebensstil schnell auf; und auch mit seinen Schulden, die er hatte! Er hatte sicher jede Menge Schulden, und so haben ihn verschiedene Produzenten dauernd gejagt! Er ist aus verschiedenen Hotels abgereist und hat dort immer wieder seinen Koffer liegen gelassen. Wir haben ihn in einem Hotel in Südfrankreich mal entbannt und haben einen Koffer ausgelöst. Ja, ich habe extra jemanden ‚runtergeschickt, um den Koffer zu holen, weil er mir erzählte, in diesem Koffer hätte er das Negativ eines Films, das er mir verkauft hatte. Und dann habe ich jemanden ‚runtergeschickt, um dieses Filmnegativ zu holen. Es war dann aber nicht so, das Negativ war also nicht in dem Koffer. Dafür wurde dann sein Haftbefehl in Frankreich außer Kraft gesetzt. Und wenn er gedreht hat, dann hat ja an den Drehtagen die Produktion das Essen bezahlt. Das war vielleicht der Grund. Er kam an mit neuen Geschichten und sagte: „Ich drehe das, ich drehe das, ich drehe das!“ Bei mir war er immer frei. Ich konnte jeden Film gebrauchen.

Es wurde mal in einem deutschen Lexikon des Horrorfilms geschrieben, daß jemand, der Franco Geld für einen Film gibt, Gottvertauen haben müßte …

Ja, ich hatte dieses Gottvertrauen für einige Jahre. Ich hätte dieses Gottvertrauen heute noch. Nur, wenn ich ihn heute einen Film drehen lassen würde, dann mit einer Crew, die von mir gestellt wird und den Film richtig organisiert und so weiter. Und auch nicht mit Jess Franco an der Kamera, aber als Regisseur. Gut, die Frage ist immer: Kriegt man am Ende einen Film? Und nur mit einem Buch? Können tut der das. Also, ich bin überzeugt: Der ist ein absoluter Könner.

JACK THE RIPPER kam ja dann irgendwann nach FRAUENGEFÄNGNIS: Wie konnten Sie ihm denn überhaupt noch einen Auftrag geben, wo er Sie doch so betrogen hatte?

Gut, nach FRAUENGEFÄNGNIS hat er mir natürlich alle möglichen Versprechen gegeben. Er hat ja dann eine ganze Serie von Filmen gedreht, da war ein sehr erfahrener Produktionsleiter immer dabei, denn er ging ja gerne nach Protugal Drehen. Das war ja sein liebster Drehort. Da war dann immer ein Produktionsleiter von uns dabei, der schon darauf achtete, daß er nicht gleichzeitig einen zweiten Film drehte. Und JACK THE RIPPER wurde hier zur Gänze, denke ich, in Zürich gedreht.

Wieso hat den gerade Franco gedreht, der doch eher sex-orientiert ist?

Ja, gut, der Jack the Ripper ist ja eine Sexbestie, nicht? Der Jess Franco ist für einen JACK THE RIPPER absolut der richtige Regisseur, so wie ich heute noch der Meinung bin, daß der Klaus Kinski auch der richtige Darsteller ist.

Kam Franco auf Sie mit dem Plan zu, das Leben des Jack the Ripper zu verfilmen?

Das weiß ich nicht. Ich weiß jetzt nicht mehr, wer nun diese Idee hatte.

Etwas zur Arbeit mit Klaus Kinski …

Toll!

Toll?

Damals ja.

Also, jetzt folgt die Standardfrage: Wenn man mit den Machern direkt spricht, hört man immer, es sei kein Problem, mit Klaus Kinski zu arbeiten, in den Zeitungen jedoch wird oft ein sehr gegenteiliges Bild publiziert. Wie ist das denn nun?

Das sind einfach zwei verschiedene Gesichter Klaus Kinskis. Das eine ist: Klaus Kinski beim Drehen. Der Klaus Kinski beim Drehen ist ein wahnsinnig disziplinierter Schauspieler, und wenn der Regisseur es zuläßt, übernimmt er auch die Regie. Aber das muß ja der Regisseur zulassen. Also, ich habe das verschiedentlich mit ihm erlebt. Er hat nicht die Regie übernommen bei Jess Franco, er hat zum Teil die Regie übernommen beim Anthony Dawson. Da hat er zum Teil die Regie bei den Szenen, in denen er dabei war, übernommen. Und wenn es der Regisseur zuläßt, was nicht mal gegen den Regisseur spricht … Ich finde, der Klaus Kinski kann etwas, er kennt sich ja selber am besten und hat auch eine tolle Erfahrung. Die Dinge, in denen er in die Regie reingesprochen hat, waren immer eine Verbesserung. Es war nicht eine Verschlechterung. Wo es eine Katastrophe wird mit dem Klaus Kinski, das ist, wenn man ihn dann später, wie ich es dann leider bei einem Film gemacht habe, auf PR-Tournee schickt.

Das war doch bei KOMMANDO LEOPARD, als er nach Deutschland …

Ja, da habe ich ihm 40.000 Dollar bezahlt, um in Deutschland die Presseauftritte zu machen, und da hat er im Grunde genommen jeden Fernsehauftritt und alles so angelegt, daß es am Ende zu einer Katastrophe wurde. Alle haben darüber geschrieben. Kaum war er in Hamburg eingetroffen, hatte er schon einen Postboten niedergeschlagen auf der Straße und so ging es dann weiter. Dann hat er während der ganzen Tournee in der BILD-Zeitung und so für Schlagzeilen gesorgt. Das fand ich nicht gut.

Aber für den Film konnte es doch nur gut sein, diese …

Nein, es war für den Film ganz schlecht! Wenn er in einer Fernsehsendung …

Bei Gottschalk hatte er ja auch so einen göttlichen Auftritt hingelegt.

Ja, also dieser Auftritt! Dieses Rüpelhafte bringt ihm Schlagzeilen, mir bringt es keine Besucher.

Nein?

Die Leute wollen doch keinen Rüpel sehen. Das denke ich nicht. Also, mir hat es nichts gebracht. Das war negativ. (Wird plötzlich leiser) Er ist gar nicht so. Er ist nicht so. Vor der Kamera ist er ein anständiger, disziplinierter Mensch. Er ist … Das ist seine Nummer. Das ist seine Nummer, und auf die reist er. Diese Nummer ist sicher zum Teil dafür verantwortlich, daß er so einen hohen Bekanntheitsgrad hat als Rüpel und als Lügner. Denn ich würde die vielen Orgasmen, die er sich da in seinem Buch zuschreibt … Ich wollte mal mit ihm diskutieren. Er hat mir die Diskussion verweigert. Ich hätte bei der Diskussion auch eine kleine Rechenmaschine dabei gehabt. Ich hätte mal gerne ausgerechnet, wie oft er da in einer Nacht an die Gewehre mußte, aber er hat leider die Diskussion verweigert. Damit macht er sich seine Publicity, aber die ist für das Filmgeschäft und den Erfolg eines Filmes ganz sicher nicht gut. Ich würde mit dem Klaus Kinski heute keinen Film mehr drehen.

In seinem Buch ICH BRAUCHE LIEBE hat er zu JACK THE RIPPER geschrieben: „Ich drehe den Scheiß in acht Tagen herunter.“

Hat er auch in acht Tagen ‚runtergedreht. Nur, da muß man um den Begriff ‚Tage‘ wissen. Der Tag hat 24 Stunden und die Nacht dazu. Er hat tatsächlich, und damit hat er mich beeindruckt, den JACK THE RIPPER in der Nacht gespielt. Ein Großteil war ja nachts.

Echte Nächte?

Ja, wir sind keine Freunde von ‚amerikanischen Nächten‘ (Anmerkung: Die werden am Tag mittels Unterbelichtung verwirklicht). Es waren alles echte Nächte, echte Ausleuchtungen. Und der Kinski hat das alles durchgestanden und gesagt: „Solange die Beleuchter mitmachen und alle anderen auch …“ Da muß ich ehrlich sagen, ich kenne da Schauspieler, die sich fest an den Vertrag halten, und es stand in seinem Vertrag drin, der Tag hat acht Stunden. Und das wurden dann Tage mit, was weiß ich, fünfzehn Stunden und mehr vermutlich, und er hat mir tatsächlich die Tage, auch die mit fünfzehn Stunden, als einen Tag gagemäßig abgerechnet. Und da kenne ich Schauspieler, die würden mir schon eine halbe Stunde, die sie über die acht Stunden kommen, als neuen Tag berechnen. Also, ich habe den Klaus Kinski summa summarum als einen sehr anständigen, fairen Schauspieler erlebt. Ich habe mit ihm nie ein Problem gehabt, er war nie unpünktlich. Nur eben diese Pressegeschichte hat mich dann doch sehr gestreßt.

Hatte Klaus Kinski Probleme mit Jess Franco, der ja auch ein sehr eigensinniger Regisseur ist?

Üperhaupt nicht.

Hat er vielleicht Dialoge geändert, denn gerade die Szenen mit ihm besitzen dort vergleichsweise hohe Qualitäten?

Das ist möglich, aber das sehe ich als positiv. Ein Drehbuch ist ja nicht die Bibel. Bei einer amerikanischen Produktion ist das natürlich anders. Da ist das Drehbuch da und es ist von den Leuten, die das Geld geben und später den Film verleihen, auf jeder Seite abgezeichnet, und an dem darf, wenn man nicht alle Leute fragt, nichts geändert werden. Hier war das eine andere Geschichte. Hier war man im Grunde dankbar dafür, wenn ein Schauspieler etwas gebracht hatte, das besser war als das, was im Drehbuch stand, denn das Drehbuch wurde sicher, wie meistens, mit einem sehr ‚heißen‘ Griffel geschrieben. Da gab es keine erste, zweite, dritte und vierte Fassung, sondern nur eine Fassung und die wurde gedreht. Also, wenn da ein Schauspieler fand, er könne es noch besser machen oder man sollte vielleicht was streichen oder ersetzen – das wurde selbst bei Shakespeare gemacht, ich würde nicht einsehen, warum das nicht bei Jess Franco auch möglich wäre …

Später kam ja die Phase, wir haben sie bereits angeschnitten, mit MARQUISE DE SADE und DOWNTOWN; zwei Filme, die irgendwie aus dem Zusammenhang purzeln. Es scheint so, als wären das gar keine Elite-Film-Produktionen.

Ja, das sind etwas eigenartige Filme, muß ich gestehen.

Als wir den MARQUISE DE SADE damals im Kino gezeigt haben, stand im Vorspann „C & T Film zeigt:“. C & T Film? Was ist das?

Keine Ahnung (lachen).

Haben Sie den Film vielleicht nicht unter ihrem Namen verliehen?

Nein, das habe ich immer gemacht. Da konnte ein Film so schlecht geworden sein, wie es nur möglich ist, ich habe meinen Namen immer dazugeschrieben. Es gibt Filme, die habe ich nicht mal zur Gänze gesehen, weil ich sie so grauenhaft fand – hauptsächlich einen; da hatte ich nicht die Nerven, ihn ganz anzusehen.

Der NEW YORK RIPPER von Fulci?

Nein, nein. Der war ja nicht von mir. Nein, ich denke jetzt an MAD FOXES.

(Lachen) FEUER AUF RÄDER …

Den habe ich verschiedentlich versucht anzusehen – auch schon auf Video. Ich muß ehrlich sagen: Ich bin zu zartbesaitet, als daß ich das anschauen könnte.

Wie ist der eigentlich produziert worden? Spanisch-schweizerisch?

Ja, gut, das ist denkbar, daß da noch ein Spanier dabei war. Ich glaube, es ist Balcazar da noch irgendwo als Partner dabei gewesen. Wir haben in Spanien gedreht, aber da sind mir zu grausame Dinge drin …

Wer hat den Film denn inszeniert?

Also, ich war es nicht. Es ist möglich, daß mein Name drinsteht.

Nein, irgendein Pseudonym. Überhaupt stehen im Vorspann fast nur Pseudonyme, selbst Peter Baumgartner heißt Pete Treegarden!

Ja, Peter hat den Schnitt gemacht, aber nicht die Kamera. Nun, dahinter steckt ein schweizer Regisseur. Wenn er damals ein Pseudonym genommen hat, würde ich sagen: Lassen wir es (lacht) … Er ist heute ein sehr, sehr guter und erfolgreicher Musikvideoproduzent und ich würde das dann so lassen.

Zurück zu Franco: Ist ROLLS ROYCE BABY von Franco inszeniert worden?

Nein, den habe ich gemacht.

Ja? Mit Lina Romay? War sie damals schon Francos Ehefrau?

Ja, mit Lina Romay. Das war immer Francos Freundin. Die Lina Romay war immer irgendwo die Freundin vom Jess Franco.

Sie hat inzwischen auch selber Filme gedreht.

Sie dreht selber? Ja, ein Köpfchen hatte sie schon.

Die MARQUISE DE SADE, in dem sie die Hauptrolle spielt, ist ja in Deutschland als richtiger Porno bei der Firma VFL ‚rausgekommen. War die Fassung für ’s Kino unter dem Titel DAS BILDNIS DER DORIANA GRAY vielleicht harmloser?

Das ist denkbar, ja.

War das der einzige Porno, den sie im Verleih hatten?

Im Verleih gab es schon noch einige. Also, wir haben da gleich am Anfang, als die Pornographie frei wurde, gesagt: Porno kommt für uns nicht in Frage. Mir hätte das auch keinen Spaß gemacht, also selber … Ich habe dann ja auch keine Regie mehr gemacht. Dann sahen wir natürlich die Felle davonschwimmen, und da fanden wir, wir müßten unsere Marktposition halten, und dann haben wir dann schon einige Pornofilme in den Verleih genommen. Diese MARQUISE DE SADE habe ich, glaube ich, nie ganz gesehen. Aber sicher nicht diese Fassung. Ich weiß nur, der Film wurde immer wie- der umgeändert und umgeändert; es war sicher nicht die Fassung, die sie gesehen haben. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich den mal in einer Pornofassung gesehen habe, was nicht ausschließt, daß es die mal gegeben hat.

Bei diesem Film scheint Franco absolute Narrenfreiheit gehabt zu haben.

Das hatte er, ja.

Weil er diese so schamlos ausgenutzt hat, haben sie seinen Vertrag nach den drei Jahren nicht verlängert?

Ach nein, für uns war das einfach nach drei Jahren ausgereizt. Und auch der Jess wollte wieder auf Wanderschaft gehen, der hat dann irgendwo in Frankreich ’ne neue Heimat gefunden – bei Lesoeur – und ich glaube, für den dreht er heute noch.

Lesoeur?

Ja, Euro …

Nee. Ist auch …

… vorbei?

Ja, finito. Der weiß nicht mal mehr, wo sich Jess Franco zur Zeit aufhält.

Ja, aber er hat vor zwei Jahren noch einen Film mit ihm gemacht.

Seinen letzten großen Film hat Rene Chateau produziert.

War Rene Chateau, ja stimmt.

Das war FACELESS mit Telly Savalas.

Ja.

Ein Film, den man mal endlich in Deutschland ‚rausbringen sollte.

Ich weiß nicht (zögernd).

Der ist recht gut.

Ist er gut, ja?

Ziemlich atmosphärisch und ’ne ziemlich teuere Produktion.

Und sie finden, der hätte eine Chance?

Ja.

Hat den niemand gekauft?

Nein. Liegt vielleicht auch daran, daß der Film recht hart ist. Also, es wurden wohl zwei Fassungen gedreht.

Also, ich eigne mich als Zuschauer für brutale Filme eigentlich überhaupt nicht. Ich habe mir letztens mal HENRY – PORTRAIT EINES SERIENKILLERS angesehen, der wurde mir von einem Freund angeboten zusammen mit einem Dossier gewaltigster Kritiken – damals, als der Film hier in der Schweiz herauskam, hat selbst ‚Die Weltwoche‘ eine gigantische Kritik geschrieben: Also, ich muß sagen, das hat mich viel Überwindung gekostet mich hat der Film vom Stuhl geschlagen – und dann habe ich immer wieder in diese Kritiken ‚reingeschaut und gedacht: Das darf doch alles nicht wahr sein!

Sie haben ihn aber nicht in den Verleih genommen?

Nein, für die Schweiz hatte ich ihn nicht genommen, was nicht unbedingt ausschließt, daß ich auch Filme in den Verleih nehme, die mir nicht gefallen. Wenn ich weiß und sehe, daß es einen Kreis gäbe, dem sowas gefallen würde, dann würde ich das vielleicht auch tun.

Welche Filmemacher verehren Sie?

Das ist eine kritische Frage, muß ich ehrlich sagen.

Tinto Brass vielleicht?

Ich halte den Tinto Brass für einen ganz hervorragenden Künstler, der ähnliche Eigenschaften wie Fellini hat; der auch gerne Frauen mit großen Busen und großen Ärschen hat; der sie mindestens so toll wie Fellini präsentiert; der sich vielleicht falsch verkauft oder die Filme werden falsch verkauft, aber ich habe mir gerade vor kurzem MIRANDA wieder angesehen, ich habe mir THE KEY – DER SCHLÜSSEL wieder angesehen. Diese Filme sind toll photographiert, sie besitzen eine ganz tolle Austrahlung, sie sind zum Teil wie Werbefilme aufgebaut, die das Produkt ‚Frau und Erotik‘ verkaufen. Er kann auch eine tolle Landschaft verkaufen, wie er zum Beispiel in MIRANDA die Toscana verkauft, das ist so etwas tolles. Ich finde, der Tinto Brass ist ein ganz toller Könner und ein ganz toller Regisseur.

Liegt Ihnen sonst noch irgendjemand sehr am Herzen?

Im Grunde mag ich heute, wo ich mich mehr um meine Kinos kümmere als um meinen Verleih – das wird sich ja hoffentlich wieder ändern im nächsten Jahr -, die Filme von den Zucker-Brothers.

Kommen wir wieder züruck zu Franco: Ist MÄDCHEN IM NACHTVERKEHR von ihm inszeniert worden?

MÄDCHEN IM NACHTVERKEHR ist ein Film von Jess Franco, den habe ich produziert und Jess Franco hat ihn gedreht. Da geht es um drei Mädchen, die irgendwo das gleiche Zimmer mit einem großen Bett bewohnen und sich auf diesem Bett treffen und erzählen, was sie erlebt haben.

Die Erzählstruktur, das Episodenhafte, erinnert sehr an Ihre Filme. Deshalb nahmen wir an, daß der Film nicht von Franco ist.

Ich erinnere mich: Im Grunde hat der Jess Franco hier einen Film gemacht, den ich eigentlich hätte machen sollen. Und ich wollte nicht oder konnte nicht oder ich weiß es nicht, warum ich ihn damals nicht machte. Es war eine Idee von mir, aber ein Film von Jess Franco. Und der Jess hat die einfach etwas anders umgesetzt, als ich es gemacht hätte. Der Jess hat die Geschichte in sehr, sehr langen Einstellungen erzählt, daran erinnere ich mich noch gut.

Geht ja auch schneller, wenn man vieles einfach in einer Einstellung dreht.

Ja, er würde das vermutlich jetzt etwas anders sagen. Er würde vielleicht sagen: ‚Das ist eben der Stil eines solchen Films.‘

Herr Dietrich, Sie haben ja, nachdem Franco nicht mehr für Sie arbeitete, auch einen Frauengefängnisfilm gedreht: GEFANGENE FRAUEN…

GEFANGENE FRAUEN habe ich gemacht. Da haben wir in Zürich die Atelieraufnahmen gedreht und in Ibiza die Außenaufnahmen gemacht. Das war im Herbst und da hatten wir wahnsinnige Probleme mit dem Wetter, haben sehr gefroren.

Waren die Frauengefängnisfilme damals ein Erfolg?

Ich weiß es nicht mehr so genau. Also, der erste, FRAUENGEFÄNGNIS, war ein Riesenerfolg. Ich habe den Film damals in Berlin gesehen, bevor er rauskam, und ich weiß, ich habe die ganze Nacht mit dem Jess Franco diskutiert. Ich habe ihm vorgehalten, was er alles falsch gemacht hat und was er alles hätte anders machen können, bis zu der Tatsache, daß in diesem Gefängnis überall diese Grasbüschel wuchern. Ich habe ihn gefragt: Wie kannst Du da drehen? Warum hast Du dir nicht die Zeit genommen, erstmal diesen Außenschauplatz richtig herzustellen? Man merkt doch sofort, daß das eine Ruine ist, eine Schloßruine oder sowas ähnliches. Dann noch die verschiedensten Unschärfen, die im Film sind, und die Szene mit dieser nackten Pritsche, die dann unter Strom gesetzt wurde, die man dann später ja auch in RAMBO sehen konnte. Als ich das sah, kam mir diese Szene als viel zu brutal vor und ich wußte auch, daß das uns Probleme machen würde. Es hat uns dann aber in erster Linie ein großes Geschäft gebracht. Ich habe mir damals die ganze Nacht den Kopf zerbrochen: Sollen wir den Film wegwerfen oder sollen wir ihn ‚rausbringen? Ich war eigentlich nahe dran, diesen Film nicht ‚rauszubringen, weil ich ihn für so mißlungen hielt. Daß wir ihn dann doch noch ‚rausgebracht haben, darüber bin ich heute noch froh, denn es war wirklich ein gewaltiger Erfolg.

Später war ja Peter Baumgartner als Kameramann für Jess Franco eingespannt, bei JACK THE RIPPER und so weiter, bloß die anderen Frauengefängnisfilme, FRAUEN FÜR ZELLENBLOCK 9 etc, filmte sein Lehrling Ruedi Küttel. Warum?

Nun, es kamen ja gewisse Stausituationen auf. Der Peter Baumgartner hatte ja auch die Filme geschnitten, die Vertonungen gemacht, die Musiken angelegt und so. Da lagen oft zwei, drei Filme noch unbearbeitet… Die ersten zwei Filme habe ich noch selber geschnitten. Ich habe zwei Filme in einer Woche geschnitten. Dafür müßte ich eigentlich ins Buch der Rekorde… Ich hatte einen kanadischen Verleiher, der sich bei mir angekündigt hatte, daß er am Samstag nach Berlin käme, und ich fing am Montag an zu schneiden. Das waren zwei Filme: ICH – EIN GROUPIE und DIE SEX-ABENTEUER DER DREI MUSKETTIERE. Ich mußte dem Kanadier am Wochenende die beiden Filme zeigen. Da habe ich beide Filme in den fünf Tagen geschnitten, ohne Ton natürlich – die Musik hat da wohl später der Peter draufgelegt. Ich hatte einen wahnsinnigen Muskelkater (lacht)… Aber später hat der Peter das alles gemacht und da kann es schon mal vorgekommen sein, daß er einfach in Berlin saß und die Filme fertigstellen mußte, während wir neue Produkte drehten.

Sie haben ja Ende der 70er Jahre aufgehört, Erotikfilme zu drehen…

Ja, da kam die Porno-Welle und das wurde mir zu wild. Das, was man mir immer vorgehalten hatte, wollte ich eigentlich gar nicht machen. Ich wollte gar keine Pornofilme drehen. Mir ist das irgendwo gegen den Strich gelaufen, richtige Sexszenen zu drehen.

Für die späteren Actionfilme, KOMMANDO LEOPARD und GEHEIMCODE WILDGÄNSE, war ja ursprünglich Bruno Mattei als Regisseur vorgesehen.

Ich kenne den Bruno Mattei ja sehr gut, aber…

Das hat er selbst behauptet (siehe Interview SI Nr. 6)!

Es ist möglich, daß wir mit ihm gesprochen haben, denn ich halte von dem Bruno Mattei recht viel…

???

Sie nicht?

Nein (lautes Lachen).

Der Bruno Mattei, muß ich sagen, ist ein ganz talentierter Hund… ein gewaltiger Kopist, ein Plagiatist, der nach dem Prinzip arbeitet: ‚Gut gestohlen ist besser als schlecht erfunden‘. Der sieht sich zwei Filme an und dreht dann einfach einen neuen oder, was er früher gemacht hat, mit ganz großem Erfolg: Er hat sich beispielsweise mal unsere Filme angesehen und gesagt: „Ich mache aus fünf Eurer Filme einen neuen Film in Italien!“ Dann hat er fünf unserer Filme genommen und daraus einen neuen gemacht. Dann hat er gesagt: „Als Abfindung gebe ich Euch diesen Film für Deutschland.“ Der Peter Baumgartner fuhr also nach Rom, hat sich den Film angesehen und gesagt, der Film wäre unspielbar. Da hat ihn ein anderer für Deutschland gekauft und ein Riesengeld damit verdient.

Wie hieß der Film?

Ich weiß nicht mehr, wie er hieß, aber das ist mir letztens wieder in den Sinn gekommen, weil der Bruno Mattei sich in Rom von unseren Actionfilmen die ganzen Special Effects angesehen hat. Also, der Damm, der zusammenbricht und diese Brücken wegschwemmt, die Opiumtanks, die in die Luft fliegen, die Eisenbahn, die über die Brücke fährt und in die Luft gesprengt wird, und alle diese Dinge hat er sich angesehen. Und dann hat er uns vorgeschlagen, wir geben ihm diese Special Effects und er dreht darum einen neuen Film.

Das hat er schon bei einem anderen Kriegsfilm gemacht.

Das hat er schon mal gemacht?

Ja, er hat einen Film um Kriegsszenen aus anderen Filmen gedreht.

…ja ja. Und das muß man nämlich können!

Aber man sieht das doch.

Ja, vielleicht sieht man es. Sie sehen das, weil, Sie sind wahnsinnig orientiert über alles, was es gibt. Sie haben soviele Sachen gesehen, die ein normaler Kinogänger nie gesehen hat und in seinem ganzen Leben nie sehen wird. Sie merken das… Trotzdem halte ich den Bruno Mattei für einen Meisterdieb…

Wie sind Sie schließlich zu Antonio Margheriti gekommen? Hatten Sie seinen JÄGER DER APOCALYPSE gesehen?

Nein, ich habe einen Film von ihm gekauft, der TORNADO (Im Wendekreis des Söldners) hieß. Diesen Film fand ich beachtlich. Das ist ein recht guter Film, der in Vietnam spielt, den der Anthony Dawson mit sehr kleinem Budget gemacht hatte. Da habe ich gesagt, daß es mich interessiert, wenn er den CODENAME WILDGEESE (Geheimcode Wildgänse) machen würde. Und dann haben wir gequatscht… Also, mich hat er beeindruckt, denn er ist ein absoluter Spezialist für Effekte ohne Blue-Screen-Geschichten, sondern mit Modellen. Da ist er einsame Spitze. Der baut da diese Brücken, noch in einem vertretbaren Maßstab. Ich meine, so eine Brücke ist dann immer noch so etwa acht Meter. Und er baut die Eisenbahn, den Fluß und all diese Geschichten. Oder beispielsweise bei dem KOMMANDO LEOPARD dieses Flugzeug, das bei der Landung auf der Piste abgeschossen wird: Da haben wir mit einem Riesenkran so etwas wie eine Schwebebahn gemacht, eine Flugpiste gebaut und dahinter ein Flufghafengebäude aufgestellt. Alles im richtigen Maßstab und die Flugzeuge waren in einer Größe von fünf Metern Flügelspannbreite. Und dieses Flugzeug kam in der Dunkelheit auf der Schwebebahn runter und ist dann explodiert. Wir konnten das allerdings nicht mehr löschen, und weil eine Kamera gestreikt hat, mußten wir das nochmal mit einem neuen Flugzeug machen. Wir hatten ja einige Flugzeuge… Das Tolle an dieser Drehnacht, auch typisch italienisch, war: Als wir kamen, stellten wir die Autos alle nebeneinander, und als wir endlich mit den Dreharbeiten fertig waren und zu den Autos gingen, hatten sie keine Räder mehr. Hatten die Gangster uns in der Dunkelheit von den Autos die Räder abmontiert.

Sind GEHEIMCODE WILDGÄNSE und KOMMANDO LEOPARD ‚back-to-back‘ gedreht?

Nein, nein. Wir haben zuerst den CODENAME WILDGEESE gemacht, der war ein riesiger Erfolg und den haben wir in über 75 Länder verkauft zu absoluten Spitzenpreisen. Also, was wir mit dem Film erlöst haben, da sind viele von den großen Verkaufsfirmen heute noch verwundert. Wir haben beispielsweise aus Formosa 150.000 Dollar bekommen. Das hat noch nie einer aus Formosa bekommen. Oder aus Holland 100.000 Dollar, das sind absolute Spitzenpreise. Wir haben den wie einen großen amerikanischen Film verkauft. Aufgrund dieses Erfolges haben wir dann den nächsten gemacht, der noch ein Erfolg war, wenn auch nicht so in dem gewaltigen Ausmaß. Dann haben wir den COMMANDER gemacht und der fiel durch, was aber mit dem Film nichts zu tun hat. Die Zeit für solche Film war einfach vorbei.

Da sind Sie ja auf die Komödie umgestiegen und hatten mit dem SCHWEIZER NAMENS NÖTZLI einen durchschlagenden Erfolg in der Schweiz.

Ich habe schon früher mit dem Walter Roderer (der Nötzli) durchschlagenden Erfolg gehabt. Ich hatte mit ihm schon zwei Filme gedreht. Das war DER MUSTERGATTE und DER HERR MIT DER SCHWARZEN MELONE, beide waren sehr erfolgreich.

Uns ist da zu Ohren gekommen, daß Sie Probleme mit dem Regisseur vom ersten NÖTZLI hatten. Der Director’s Cut soll wohl zwei Stunden lang gewesen sein…

Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich glaube, daß es schon während des Drehens gelungen ist, einige Dinge wegzunehmen, von denen wir wußten, daß wir sie hinterher nicht mit in den Film nehmen würden. Wir hatten schon immer dieses Problem, aber das ging eigentlich nicht vom Gustav Ehmck aus, sondern das Drehbuch war schon für einen Film angelegt, der zwei Stunden oder noch länger ging. Wir wollten aber nur einen Film von anderthalb Stunden. Wir hatten das Problem natürlich mit dem Rodi, der das Theaterstück 500mal auf der Bühne gespielt hat, jeden Lacher kannte und der natürlich jeden Lacher von der Bühne in den Film übernehmen wollte. Darum hat er gekämpft. Nur, wenn man jeden Lacher übernommen hätte, dann hätte man einen zwei Stunden langen Film gehabt, denn auch Lacher brauchen ihre Exposition. Einige Lacher mußten wir fürs Kino vergessen.

Danach gab’s ja DER DOPPELTE NÖTZLI, der aber irgendwie in Deutschland nicht den doppelten Erfolg hatte…

Er hatte nicht den doppelten Erfolg in Deutschland. In der Schweiz, muß ich sagen, hatte er für einen Schweizer Film noch einen anständigen Erfolg. Im Vergleich zum ersten war der aber nicht gerade erbauend. Ich verstehe es nicht ganz.

Die Handlung war ein bißchen abgelutscht.

Na gut, der Stefan Lukschy hat den Film gemacht. Das kann ja sein (lacht).

Das scheint sein Gebiet zu sein.

Ja, wissen Sie, wenn ich mit dem Rodi zusammensaß, wir über’s Buch gesprochen haben und der Rodi mir Szenen vorspielte, dann war das immer wahnsinnig lustig. Daß nachher der Film nicht so lustig war, verstehe ich nicht. Es sind sehr viele Sachen, die lustig sind, und die kommen jetzt im Film einfach nicht rüber. Beim DOPPELTEn NÖTZLI hat jeder Gag, der untergegangen ist, am Ende gefehlt. Einige Sachen waren… Ich schwöre es, ich saß mit dem Rodi zusammen, er hat es mir vorgespielt und ich fand das saugut. Und wie ich das gleiche im Film gesehen habe, fand ich das nicht mehr lustig. Der Teufel weiß, wie das geschieht, aber was soll’s? Das Leben geht weiter. Da kann man sich nur schütteln und sagen: „Gut, vergessen. Was machen wir als nächstes?“

Genau. Was steht an?

Ich weiß es nicht. Ich bin dran, mit jemandem diese Autobiographie DIE FRAU DES GELIEBTEN DER MUTTER, die ein Jahr lang in der Schweiz Bestseller war, zu verfilmen. Die Frau hat schon wieder ein Buch geschrieben, das Nummer eins der schweizerischen Bücher-Hitparade ist. Das ist eine ältere Frau, die so aus ihrem Leben erzählt. Es ist die Geschichte einer Frau, die von ihrer Mutter mit einem Mann verkuppelt wird, der der Geliebte ihrer Mutter ist. Die Mutter hat ihr diesen Mann nur verkuppelt, damit er, ohne Aufsehen zu erregen, immer ins Haus kommen konnte. In der prüden Zeit, in den 30er Jahren, war es ja gefährlich für eine Frau der Gesellschaft, wenn da immer ein gewisser Mann ins Haus kommt. Als Mann der Tochter war das kein Problem. Eine gute, sehr starke Story, die sehr filmisch ist. Ich habe letzte Woche das Drehbuch bekommen, es aber noch nicht gelesen.

Das geht dann mehr in Richtung Erotik und nicht Kömodie?

Ja, es wird eine sehr erotische Geschichte sein. Es wird mit internationalen Stars gedreht.

Klingt wie ein Film für Tinto Brass.

Ja, die Geschichte könnte eine Tinto Brass-Geschichte sein.

Und wer wird den Film machen? Michael Thomas?

Nein, Michael Thomas wird den Film nicht machen. Ich glaube, der Michael Thomas wird keinen Film mehr machen.

(ursprünglich erschienen in Splatting Image #08, #09 und #10, 1991/1992)