Searching For Sugar Woman.

Wie der Zufallskauf bei einer Nachbarschaftsauktion einen jungen Sammler auf die Spur einer unerkannten, dennoch zu den Größten zählenden Künstlerinnen der Straßenfotografie des 20. Jahrhunderts bringt, schildert die vollendete Doku von BOWLING FOR COLUMBINE-Produzent Charlie Siskel und dem patenten, jungen John Maloof, der in detektivischer Recherche postum eine wahrhaftige Meisterin der Obskurität entreißt. Und das mit so viel Empathie für ein beklemmend trauriges Schicksal und ein beflügelndes Vermächtnis, dass er mit den Qualitäten des oscargekrönten SEARCHING FOR SUGAR MAN gleichzieht.

Nachdem der Fund des Chicagoer Flohmarkt-Trüffelschweins Maloof auf Flickr ein Riesenecho auslöst, beginnt er mit der Suche nach der Person hinter dem Werk. Mit Erwerb von 100.000 Fotonegativen organisiert er eine Ausstellung, die zur Sensation gerät. Da ist Vivian Meier (1926-2009) gerade verstorben. Hätte sie ihre Arbeit gezeigt, sie wäre zu Lebzeiten eine Berühmtheit geworden. Statt dessen verdient sie ihr Geld als Kindermädchen. Eine Nanny – Mary Poppins und die böse Hexe des Westens in Person -, die jahrzehntelang mit ihrer Rolleiflex auf Brusthöhe mit einmaligem Gespür Momente des Bizarren, Unpassenden, die Torheit der Menschen festhält. Schicht um Schicht enthüllt Maloof dieses Phantom.

finding.vivian.maier.2013.cover Eine dramaturgisch clevere, geschickte Annäherung, in der er das umfassende Material kompakt bündelt im Gespräch mit vielen Familien, für die Maier die Kinder hütete. So rekonstruiert er zu sanft-verträumten Klängen ihr Leben über Bande, pirscht sich in perfekten Szenelängen an eine rätselhafte Frau, die so interessant wie ihr Werk ist. Unermüdlich setzt Maloof Stückchen um Stückchen zu einem großen Bild zusammen, leuchtet mit unbeirrtem persönlichem Einsatz alles aus, findet so auch die Schattenseiten einer verschlossenen, geheimnisvollen Unbekannten ohne Angehörige, über deren Herkunft kaum einer etwas weiß.

Maloof lüftet ihre Geheimnisse, womit er das Äquivalent eines spannenden Ermittlungskrimis entwirft. Er findet seelische Verletzungen und psychische Störungen einer manischen Messie, die Kinder misshandelt, schwere Trennungen verkraften muss um am Ende den Kampf gegen die fortschreitende Einsamkeit verliert. Mit viel Mitgefühl entdeckt er menschliche Anmut und Tragödie in Maiers Schaffen und Person gleichermaßen, was tief trifft und Vergänglichkeit schmerzhaft bewusst macht. Aber auch jene wunderbare Magie ausströmt, welche die Wiederentdeckung dieses weiblichen Foto-Picassos – zu sehen in der John Maloof Collection– auf Ausstellungen weltweit auslöst. Und dass der versnobte Kunstbetrieb sie nicht anerkennen will, adelt sie erst recht.finding.vivian.maier.2013.still2

Erschienen auf Komm & Sieh

Finding Vivian Maier, USA 2013 | Regie: John Maloof, Charlie Siskel | Mit: Vivian Maier, John Maloof, Mary Ellen Mark, u.a. | Laufzeit: 83 Minuten, Verleih: NFP (Kinostart: 26.06.2014).