Rückschauend betrachtet ist DIE FOLTERKAMMER DES DOKTOR ORLOFF (1967), im spanischen Original EL ENIGMA DEL ATAÚD, das bizarre Beispiel eines aus der Zeit gefallenen Genrefilms. Inhaltlich und inszenatorisch zwischen allen Stühlen stehend stellen solcherart Filme die Produzenten vor Vermarktungsschwierigkeiten. So geschehen bei diesem Werk, das am Erfolg von Jess Francos GRITOS EN LA NOCHE (1962) zu partizipieren versuchte. Franco war es mit GRITOS EN LA NOCHE gelungen, den spanischen Horrorfilm zu etablieren. Zugleich entwickelte er mit der von Howard Vernon verkörperten Figur des schrecklichen Dr. Orloff eine originäre Kunstfigur, die in einer Reihe mit den großen Gestalten des klassischen Horrorfilms bestand. Nach offiziellen Fortsetzungen und thematisch ähnlich gelagerten Hommage-Werken zog es Franco ins Ausland. Nunmehr kamen spanische Produzenten Ende der 1960er Jahre auf die Idee, Howard Vernon in der Rolle eines sadistischen Doktors zu reaktivieren. Wenngleich die Handlung nichts mit Francos Genreurvater gemein hat, so wurde der Streifen mitunter als Original-Orloff vermarktet. Zugleich versuchte man, den Film mit erotischen Szenen an den Zeitgeist anzupassen.
Vernon gibt einen amerikanischen Doktor, der mit seiner Verwandtschaft ein Hühnchen zu rupfen hat. Er lädt die Anverwandten in sein Gruselschloss, um diese nach und nach zu dezimieren. Nun aber geschieht das Unvorhergesehene – der Doktor selbst wird zum Mordopfer und es hat den Anschein, als ginge ein unheimlicher Killer im Schloss um… Was nach der Handlung eines Edgar-Wallace-Streifens klingt, entpuppt sich hier als Nummernrevue. Die titelgebenden Folterkammersequenzen sind bieder bis harmlos, peppen das Kriminalszenario aber durchaus mit zeigefreudiger Würze auf. Vernon spielt den bösen Doktor als schmierigen Aspiranten des Wahnsinns, der mit lüsternem Blick über leicht bekleidete Frauenkörper streicheln darf. Der Reihe nach treten die Figuren auf und wandeln mehr oder weniger ratlos durch das Schloss, zum Schluss gibt es eine erhellende Aufklärung durch den ermittelnden Polizisten.
Den deutschen Verleih Mercator stellte der bedächtig inszenierte Film, des als Regisseur nicht oft in Erscheinung getretenen Santos Alcocer, vor die Qual der Marketingwahl. Wie sollte Mercator einen klassischen Schwarz-Weiß-Gruselfilm zu Beginn der poppigen 1970er Jahre anpreisen? Da es im Film einige durchaus offenherzige Szenen gibt, fiel die Wahl auf den reißerischen Titel EROTIK IN DER FOLTERKAMMER. Um diesen Titel zusätzlich rechtfertigen zu können, wurden erotische „Folterkammerszenen“ für die deutsche Fassung nachgedreht und eingefügt. Das deutsche Kinoplakat, eine farbige Sado-Maso-Szene einschlägiger Natur, dürfte indes nicht wenige männliche Zuschauer ins Kino gelockt haben… Das soll Genrefans aber keineswegs davon abhalten, die DVD-Edition von Motion Picture zu erwerben. DIE FOLTERKAMMER DES DOKTOR ORLOFF ist nämlich gerade wegen seiner Unebenheiten ein unterhaltsames Beispiel europäischer Bahnhofskinounterhaltung, wie Liebhaber derselben diese schätzen und lieben. Der Film bietet alles, was das B-Film-Herz begehrt – kantige Darsteller, geheimnisvolle Morde, eine Prise Erotik und eine gelungene Kameraarbeit. Die DVD bietet den Film in deutscher Originalkinosynchronisation und in verschiedenen, separat anwählbaren Filmfassungen. Wie so oft gibt es auch bei diesem Werk alternative Szenen in der Ursprungsfassung, diese bietet Motion Picture ebenfalls im Bonusmaterial zur Auswahl.
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El Enigma del ataúd, Spanien 1967, Regie: Santos Alcocer, Mit: Howard Vernon, Danielle Godet, Maria Saavedra, Adolfo Arlés u.a.
Anbieter: Motion Picture