Monsterwacht am Rhein…

Ein wahrer Böller von (bisher) unverdient geringem Renommee aus dem immer wieder verblüffenden spanischen Horrorkino der 70er Jahre ist LAS GARRAS DE LORELEI (1974), ein Nebenwerk aus dem Schaffen Amando de Ossorios, dessen Namen man vor allem mit seinem Zyklus um die „Reitenden Leichen“ verbindet. Eine gewisse Kontinuität ist nicht zu übersehen. Auch in LAS GARRAS DE LORELEI erwachen mythische Gestalten aus grauer Vorzeit zu blutrünstigem Leben, trifft Archaik auf Moderne. Doch statt der garstigen Templer gibt’s diesmal eine betörende germanische Göttertochter mit zwei Gesichtern, die sich von menschlichen Herzen nähren muss, um ihre ewige Schönheit zu erhalten. (Nun bezeichnet das Wort „Ley“ im rheinischen Platt allerdings eigentlich den Felsen, heißt die Holde also mitnichten „Loreley“, sondern Lore und ist somit die „Loreley“ der Felsen der Lore – aber das sei hier angeberisch nebenbei angebracht und ist ja nun wirklich Jacke wie Hose, also gleichsam „Einer-Ley“…).

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Angesiedelt in einem köstlichen deutschen Heimatidyll am Vater Rhein, scheint der Film deutlich von den hostierischen FRANKENSTEIN-Filmen der 30er Jahre inspiriert oder sie gar zu persiflieren. Ein honoriger Bürgermeister beruhigt die Dörfler im kleinen Flecken nahe dem mythischen Felsen, als mal wieder ein grausiges Ungeheuer eine Spur von ausgeweideten Leichen hinterlässt, darunter einen blinden Geiger und einen bärtigen „Wissenschaftler“ vom Van-Helsing-Typ. Im Gasthof wird im Dirndl bedient, Bier aus Humpen getrunken und man kauft im „Lebensmittelgeschäft“ ein. Doch da naht Sigurd, der Großwildjäger, auf seinem Motorrad, um die läufigen Girlies im nahen Mädchenpensionat vor dem Monster und sich selbst zu beschützen. Und was ein radioaktiver Dolch und der sagenhafte Nibelungenschatz (das vor Worms abgetriebene Rheingold) damit zu tun haben, wird jetzt hier nicht verraten…

Seine deutsche Premiere erlebte dieser herrliche Horrorfilm der klassischen Epoche vor einiger Zeit mit einer DVD-Veröffentlichung, für die eigens eine Synchronisation erstellt wurde. Diese entstammt denselben kompetenten Händen wie die der Editionen der japanischen Daiei-Monsterfilme um GAMERA und DAIMAJIN. Wie dort hat man sich auch hier bemüht, das Klangbild der Tonspur der Entstehungszeit des Films anzupassen, nicht nur Sprachduktus und Wortwahl der Dialoge, sondern auch Mischung, Frequenzen und das Verhältnis von Tönen und Bässen wie in einer zeitgenössischen Synchro der 70er Jahre klingen zu lassen. Entsprechend scheppert und hallt es durchaus kräftig und der Dialog, zelebriert von durchgehend guten und einigen bekannten Stimmen, vollführt gelungen den Spagat zwischen Philologie und Ironie.

Nunmehr liegt LAS GARRAS DE LORELEI von Shock DVD auch auf Blu-ray vor, in einer exzellenten Abtastung vom Originalnegativ. Diese bietet gegenüber der älteren DVD nochmals eine deutliche Steigerung. Auch auf der Blu-ray liegen die Tonspuren in Deutsch, Spanisch und Englisch vor. Ebenfalls wie auf der DVD handelt es sich hierbei um die ungeschnittene blutreiche Version. Im Gegensatz zur limitierten DVD-Variante im Mediabook liegt der Blu-ray im Standard-Amaray allerdings kein Booklet bei. Alles in allem ist aber auch die Blu-ray, vor allem der besseren technischen Qualität wegen, eine ideale Edition für schamvolle Entdecker des schamlos Abseitigen.

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Las garras de Lorelei, Spanien 1974, Regie: Amando de Ossorio, Mit: Tony Kendall, Helga Liné, Cristino Almodóvar, Victoria Hernández, Luis Barboo u.a.

Anbieter: Shock DVD Entertainment