Einer muss sich die Hände schmutzig machen. Von Gerd Naumann

Von Gerd Naumann

Als sich mit dem Beginn der 1970er Jahre die Sehgewohnheiten des Kinopublikums änderten, war Regisseur Peter Sasdy für einige Hammer-Produktionen verantwortlich, die in Form und Inszenierung für Hammer untypische Brückenfilme zwischen dem klassischen Genrekino vergangener Tage und den Arthouse-Exploitation-Hybriden der Moderne waren. Zu nennen sind hier unter anderem COUNTESS DRACULA (COMTESSE DES GRAUENS, 1971), der fiebrige TASTE THE BLOOD OF DRACULA (WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA?, 1970) und der auf einer Vorlage von Edward Spencer Shew basierende HÄNDE VOLLER BLUT (1971). Letzterer ist nun in einer ansprechenden Blu-ray-Edition bei Anolis Entertainment erschienen. Im Unterschied zu den meisten Produktionen der Hammer ist HANDS OF THE RIPPER, so der Originaltitel, kein reiner Horrorfilm, sondern vielmehr ein psychologisches Drama im viktorianischen Ambiente mit Gruselelementen.

haende.voller.blut.1971.cover Der berüchtigte Mörder Jack the Ripper ist Geschichte, jedoch hinterließ er eine Tochter. Die junge Anna wurde als Kind Zeuge, wie der eigene Vater ihre Mutter ermordete. Nun eröffnet Sasdys Film eine interessante Ebene. Gleichwohl Anna das traumatische Ereignis verdrängt hat, ist es in ihrem Unterbewusstsein noch immer präsent. Als sie in einen tranceähnlichen Zustand versetzt wird, geschieht ein Mord. Die entsetzliche Tat und ihre Beweggründe faszinieren den Psychologen Dr. John Pritchard. Handelt Anna unter Fremdeinfluss oder besitzt sie ein dunkles Alter Ego? Der von der jungen Dame auch menschlich angetane Wissenschaftler nimmt Anna in seine Obhut auf, was sich schon bald als folgenschwerer Fehler herausstellen soll …

Der Film atmet in jeder Szene, in jeder Einstellung den Geist der beginnenden 1970er Jahre. Die Ausstattung, Dialogsprache und Leistung der Hauptdarsteller wiederum ist den „goldenen“ 1960er Jahren verhaftet. Allein der psychologische Ansatz ist im Hammer’schen Gothic-Kosmos beinahe ein Novum. Hammers parallel laufende Reihe psychologischer Thriller von EIN TOTER SPIELT KLAVIER (TASTE OF FEAR, 1961) bis CRESCENDO (CRESCENDO – DIE HANDSCHRIFT DES SATANS, 1970) war durchgehend in der Gegenwart angesiedelt. HANDS OF THE RIPPER allerdings entführt den Zuschauer in das altehrwürdige viktorianische London und konfrontiert ihn mit einer modernen Erzählweise. So gelang Sasdy im besten Sinne ein Übergangsfilm, der altes und neues britisches Kino miteinander verbindet. Einen gewichtigen Anteil an dieser besonderen Atmosphäre hat die hervorragend orchestrierte Filmmusik von Christopher Gunning, der Kriminalliebhabern vor allem auch wegen seiner Arbeiten zur, mit David Suchet besetzten, langlebigen Reihe um Hercule Poirot vertraut ist. Die teils wuchtige Musik entfaltet im Verbund mit nüchternen, fast als dokumentarisch zu bezeichnenden Bildern des Kameramannes Kenneth Talbot eine eigenwillige Atmosphäre.

HANDS OF THE RIPPER ist eine überraschende Wiederentdeckung und ist es wert, gesehen und erlebt zu werden. Die Blu-ray von Anolis weist ein Referenzbild und einen sauberen englischen und deutschen Ton auf, was die Qualität der älteren DVD um Klassen übertrifft. An Zusatzmaterial wird für diesen eher unbekannten Film einiges geboten. Neben zwei Audiokommentaren, darunter auch mit Kim Newman, finden sich unter anderem ein interessantes Interview mit Regisseur Sasdy, die Dokumentation THE DEVIL´S BLOODY PLAYGROUND und zeitgenössisches Werbematerial. Die limitierten Editionen im Mediabook beinhalten zudem noch ein ausführliches Booklet.

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Hands of the Ripper, Großbritannien 1971, Regie: Peter Sasdy, Mit: Eric Porter, Angharad Rees, Keith Bell, Jane Merrow, Marjorie Rhodes u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment