Zweierlei verwundert beim amerikanischen Genrespezialisten Brad Anderson: Wie ihm die Stars reihenweise nachlaufen – hier sind es gleich sieben britische Edel-Mimen – und wie er seit seinem Industrial-Psychodrama-Hit DER MASCHINIST in so einen schauderhaft stereotypen, uninspirierten Gang schalten konnte. Seine Gothic-Thriller-Romanze im Weichzeichner-Setting eines viktorianischen Period Piece nach Edgar Allan Poes 1844 veröffentlichter Kurzgeschichte THE SYSTEM OF DOCTOR TARR AND PROFESSOR FETHER ist lediglich biederer Durchschnitt.
Zwischen den Polen Romanze (bei der sich nur begrenzt Gefühle entfalten) und Thriller (die Irren haben das Institut übernommen und die Ärzteschaft im Verlies verschlossen) versucht Anderson wie bei SHUTTER ISLAND auf dem schmalen Grat zwischen gesund und verrückt zu balancieren. Weder daraus noch aus seiner klaren Tendenz, die humanistischen Heilverfahren der Insassen gegenüber den barbarischen Foltermethoden der Doktoren als Progress anzusehen, vermag er echte Partizipation zu wecken. Die Maskerade hat nämlich weder Schwung, noch Emotionen, und schon gar nicht: Ideen.
Da nutzen auch Schauspiel-Asse wie David Thewlis (THE ZERO THEOREM), Brendan Gleeson (EDGE OF TOMORROW), Michael Caine (DIE UNFASSBAREN) und Jason Flemyng (VIY) wenig. Sturgess als schreckhafte Fettnäpfchensuchmaschine ist oft komisch und in der altmodisch-abgestandenen Story nicht der einzige, der sich absurd und unglaubwürdig verhält. Für Anderson ist das nach den beiden echten Fehlgriffen DIE HERRSCHAFT DER SCHATTEN und THE CALL wenigstens ein kleiner Schritt nach vorne, den er mit einer schönen Überraschung krönt. Diese zeigt erst jene anrührende Gewitztheit, die man sich für den ganzen Film wünscht.
Erschienen auf Komm & Sieh
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Stonehearst Asylum (aka Eliza Graves), USA 2014 | Regie: Brad Anderson, Buch: Joe Gangemi, Buchvorlage: Edgar Allan Poe | Mit: Kate Beckinsale, Jim Sturgess, David Thewlis, u.a. | Laufzeit: 112 Minuten, Verleih: Universum Film (Videostart: 28.01.2015).