Von Sir Real
Das in Sundance mit dem Drehbuchpreis gekrönte, zweite Regiewerk von Craig Johnson steht wie sein Einstand TRUE ADOLESCENTS zwischen Drama und Komödie, geht aber deutlich sensibler und mit aufrichtigem Interesse für seine beiden traurigen Figuren vor, von den SATURDAY NIGHT LIFE-Alumnen Kristen Wiig und Bill Hader (beide als Sprecher kürzlich in HER) mit Sinn für trotzigen Humor und leise Tragik verletzlich vorgetragen.
Als Kinder waren die Zwillinge Maggie und Milo unzertrennlich, haben sich inzwischen aber aus den Augen verloren. Als beide zur gleichen Zeit Selbstmord begehen wollen, bringen sie die Umstände wieder zusammen. Der homosexuelle Milo zieht vorübergehend bei der oberflächlich fröhlichen Maggie ein, die in einer auf den zweiten Blick überaus unglücklichen Ehe steckt.
Die Verbundenheit zweier Bluts- und Seelenverwandter, die sich nach zehnjähriger Karenz wieder entdecken und einander tröstend zuwenden, verzaubert bereits durch ihren ehrlichen und echten Umgang mit Träumen, die nicht wahr wurden. Das Abtauchen aus einem alltäglichen Unglück und einem enttäuschenden Leben würzt Johnson mit sporadischem Feel Good, was nicht gekünstelt wirkt, sondern mit Charme betört.
Wenn Hader Starships „Nothing’s Gonna Stop Us Now“ lippensynchron mitchoreografiert, ist die gute Laune so ansteckend wie unwiderstehlich, gleiches gilt für einen Halloween-Kostüm-Ausflug, eine magische Nacht. Feinsinnig humanistisch widmet sich Johnson aber auch den depressiven Tälern der illusionslosen, dreidimensionalen Protagonisten in spielerisch ernsten Dialogen, die er tonal mit liebevollem Score punktiert.
Allein schon die eingetrübten Herbstfarben vergegenwärtigen den Gemütszustand im Kontrast zur Weichzeichnerbleiche inniger und poetisch angehauchter Kindheitserinnerungen. Der Blick für (charakterliche) Details lässt auch Nebendarsteller (Owens Bruder Luke Wilson, Ty Burrell) herrlich aufblühen, Hader als deprimierter Scherzkeks („another tragic gay cliché“) gleicht einem erwachsenen Bruder von Matthew Gray Gubler in SUBURBAN GOTHIC.
Die Frage nach dem, was schiefgelaufen ist, fühlt mit den beiden, ihren Schmerzen und Sorgen, legt Lügen und Wahrheiten bloß: was man sich und anderen vorwirft, und was passiert, wenn man das alles durchschaut. In intimen Gesprächen seine Fehler beichten, die schlechten Gewohnheiten und Beziehungen beenden, ist der Kern einer hinreißenden Liebeserklärung an ein Geschwisterpaar. Gut, dass diese nur Goldfischleben kostet.
Erschienen auf Komm & Sieh
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The Skeleton Twins, USA 2014 | Regie: Craig Johnson, Buch: Craig Johnson, Mark Heyman | Mit: Kristen Wiig, Bill Hader, Luke Wilson, u.a. | Laufzeit: 93 Minuten, Verleih: SPHE (Videostart momentan noch offen).