Von Gnaghi
Ein Madrider Ermittler-Duo, der republikanische Routinier Juan und der junge Demokrat Pedro, erreichen 1980 den entlegenen spanischen Süden, um im dortigen Marschland einen Serienmörder zu fassen, der seit Jahren junge Frauen foltert und sexuell verstümmelt. Beide werden Ziel von Attentaten.
Alberto Rodríguez, der 2012 den Goya-gekrönten Copthriller KINGS OF THE CITY hervorbrachte, spricht einen Toast gleichermaßen auf Truman Capote und TRUE DETECTIVE aus, wenn er im unzugänglichen Schwemmland des andalusischen Guadalquivir-Deltas die spanische Version der britischen RED RIDING- (dt: YORKSHIRE KILLER)-Trilogie vorlegt: Ein Retro-Thriller aus den politischen Nachwehen des Franco-Regimes.
MARSHLAND spielt 1980 während Spaniens schwieriger Umgestaltung zur Demokratie kurz nach dem Ende der faschistischen Franco-Diktatur und ist als Hinterland-Noir eng mit MUD und EVERYBODY HAS A PLAN verbunden. Der Down-Tempo-Kriminalthriller, der seinen gut ausgearbeiteten Ermittlungsplot spannend verdichtet, spielt in authentischer Patina wohlweislich in einer Region, wo die Zeit stehen geblieben scheint.
Die beiden Import-Cops, nur echt mit Schnäuzer, sind Fremde, denen Ablehnung entgegenschlägt, die sie aber mit kerniger Härte zu beantworten wissen. Sie machen sich viele Feinde und wie gefährlich das Duo lebt, zeigt sich in diversen Anschlägen, die die Machtverhältnisse in dem Mikrokosmos offenlegen. Dass der Alte (Javier Gutiérrez, TORRENTE 3 & 4) beim Verhör gerne zulangt, erhält später noch unangenehme Bedeutung.
Der nüchterne Stil kennt neben dem unromantischen Landleben auch lyrische, unerwartet zärtliche Vogelperspektiven. Aber die morbiden Hinterlassenschaften eines misogynen Sexualtäters, die moralische Verdorbenheit der Bevölkerung und die Schatten des Faschismus sind noch im hellsten Sonnenschein dieser Sumpflandschaft spürbar. „The dead are waiting for you“, prophezeit eine Einheimische Juan.
Action spielt abgesehen von einer Nachtverfolgungsjagd und dem Finale im verregneten Sumpf keine Rolle, die oft illegalen Ausgrabetätigkeiten (verwanzte Telefone, gewalttätige Tricks) der kriminellen Regionalhistorie sind vielmehr auf Spannung aus. Zwar lösen beide den Fall und retten zumindest das letzte Opfer, trotzdem bleibt ein nihilistischer Touch, der nicht nur Pedro (Raúl Arévalo) ein grausiges Bauchgefühl beschert.
Erschienen auf Komm & Sieh
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La isla mínima (Marshland), Spanien 2014 | Regie: Alberto Rodríguez, Buch: Rafael Cobos, Alberto Rodríguez | Mit: Javier Gutiérrez, Raúl Arévalo, María Varod, u.a. | Laufzeit: 105 Minuten, Verleih: Koch Media (noch kein Starttermin).