Wolfszeit unter dem Blutmond. Von Sir Real

Von Sir Real

Bevor Kei’ichi Sato mit BLACK BUTLER kräftig daneben langte, nahm er sich 2012 George Akiyamas gleichnamigen „Asura“ vor. Mit der bisweilen atemberaubenden Adaption des berüchtigten Mangas, nach seinem Erscheinen 1970 in Japan vorübergehend verboten, machte sich Sato einen Namen. Die krasse Toei-Animation unterscheidet sich vehement vom jugendfreien Studio-Ghibli-Stil. Nur der sülzige Soundtrack kann einpacken.

asura.2012.cover2 Die tragische Anime-Ballade von einem blutrünstigen Kannibalenkind reflektiert bildgewaltig und apokalyptisch über die conditio humana: Acht Jahre, nachdem ihn seine verzweifelte Mutter ins Feuer warf, streift der von Wölfen großgezogene Asura durch das feudale Japan des 15. Jahrhunderts, das von Hunger, Elend und Gewalt geprägt ist. Er ernährt sich von Menschenfleisch, wovon ihn ein weiser Mönch und die schöne Reisbauerstochter Wakasa abzuhalten versuchen.

Wolfszeit unter dem Blutmond: Geboren in Ruinen, Feuer und Asche, beinahe verspeist von seiner verhungernden Mutter, verwildert ein Junge in einer kataklysmischen Welt, die zwar im historischen Japan spielt, aber sowohl DIE LETZTEN GLÜHWÜRMCHEN als auch VAMPIRE HUNTER D: BLOODLUST – zwischen Weltkrieg und (Post)Apokalypse. Die bisweilen expressionistische Bildsprache weist zudem Einflüsse von Frank Frazetta auf.

asura.2012.still3 Das Wutwesen, um das es geht, ist ein schmutziger, geifernder Gollum mit Zottelhaar, gelben Augen und spitzen Vampirzähnen, ein Fantasyfreak zwischen LONE WOLF & CUB und BASKET CASE. Asura kann nicht sprechen, ist aber wilder als jedes Tier, bestaunt wie ein Hund, fasziniert von Mordwaffen und leicht reizbar zu Splattertaten, die er mit seiner Riesenaxt begeht, um anschließend Teile seiner Opfer roh zu verschlingen.

asura.2012.cover Was ist Mensch und was ist Tier? Die Antwort ist keine Familienstory à la AME & YUKI, sondern die pure Primitivität des Überlebens, dem alles ein Feind ist. Die hochtragische Figur Asura ist versehen mit einem schwermütigen Blick, der nie getröstet werden kann, obwohl ein buddhistischer Mönch ihn mit einer Sutra zu zivilisieren versucht und die liebevolle Obhut der bildhübschen, aber bettelarmen Wakasa ihn doch retten könnte.

Der Wille zu überleben formt ein Monster, das Produkt einer unmenschlichen Ära. Wo Hunger das Schlechteste im Menschen hervorbringt und der Preis des Überlebens Menschenfleisch ist, philosophiert Sato ausdrucksstark und deftig darüber, nie um groteske Kämpfe verlegen – blutige äußere und dramatische Innere gegen den eigenen Dämon. Im Ringen gegen das Tier in sich und seine Menschlichkeit berührt diese monströse Frankenstein-Figur.

asura.2012.still4 Asura ist eifersüchtig und besitzergreifend, hat ein Herz voller Missgunst wie alle Horrorkinder, aber neben Tragik auch Loyalität. Seine Fehler im Versuch zu helfen geschehen bei Regen, Matsch und Tod, aber auch bei Sonnenschein zu einer dem Leben zugewandten Botschaft. Bei uns ist das radikale, drei Jahre alte Werk natürlich noch nicht erschienen – animierte Kannibalenkinder werden in Deutschland eben erbarmungslos diskriminiert.

asura.2012.still5 Erschienen auf Komm & Sieh

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Asura (aka Ashura), Japan 2012 | Regie: Kei’ichi Sato, Buch: Ikuko Takahashi, Buchvorlage (Manga): George Akiyama | Mit: Tesshô Genda, Megumi Hayashibara, Hiroaki Hirata, u.a. | Laufzeit: 76 Minuten, noch ohne deutschen Verleih.

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