Auf der Suche nach der verlorenen Timeline Von Till Kadritzke

Von Till Kadritzke

„Old, but not obsolete“, bemerkt Arnold Schwarzenegger in den Rückspiegel, und der feste Blick aus den merklich gealterten Augen verleiht jener Losung Nachdruck, die in Alan Taylors neuem TERMINATOR-Sequel noch ein paarmal wiederholt wird, etwas arg gezwungen die Tradition der terminatorischen One-Liner beschwörend. Natürlich ist der bald 70-jährige Actionstar da ganz selbstironisch bei der Sache (wobei die Selbstironie leider ganz unironisch daherkommt), der Clou bei der Erstverwendung seiner neuen catchphrase ist aber, dass Schauspieler und Rolle – das ewige Terminator-Auslaufmodell T-800 – in zwei unterschiedlichen Zeiträumen gealtert sind. Denn auch der neue alte Terminator hat seinen ersten Auftritt im Jahre 1984, wo er gleich mal durch eine rekonstruierte Sequenz aus James Camerons erstem Teil der Reihe stolziert und seine jüngere Version plattmacht. Er ist in diesem Jahr nämlich schon seit zehn Jahren aus der Zukunft zu Besuch und kennt bereits Sarah Connor, die ihn liebevoll „Pops“ nennt. Das geht, weil das hier in Szene gesetzte 1984 nicht das 1984 von 1984 ist. Und in diesem neuen 1984, in dem – wie schon bei Cameron – der Held Kyle Reese (dieses Mal: Jai Courtney) aus der Zukunft auftaucht, wissen alle schon Bescheid: über das sich selbst ermächtigende Computersystem Skynet, über den zukünftigen Krieg zwischen Mensch und Maschine, über den Rebellen John Connor (dieses Mal: Jason Clarke), dessen Geburt und Überleben sichergestellt werden muss.

terminator-genisys-cover Taylor entfesselt also die bislang in der Logik der TERMINATOR-Welt zwar implizierte, aber nicht ins Bild gesetzte parallele Existenz unterschiedlicher Zeitlinien, deshalb können die Guten auch mal die Bösen sein, deshalb treffen irgendwann nicht nur die Terminatoren auf ihre alten Versionen, sondern trifft auch ein Mensch auf sein jüngeres Ich. Bevor das passiert, rast die noch immer verwirrte, aber mit einer neuen genialen Weltrettungs-Idee bestückte Gruppe um Kyle, Sarah und den faltigen Terminator zurück in die Zukunft, genauer gesagt ins Jahr 2017, wo mal wieder ein erfolgreich nach hinten verschobener Judgment Day bevorsteht. Die Rekonstruktion alter TERMINATOR-Sequenzen war denn wohl auch nur Beweis des Wissens um die eigenen Wurzeln, die vermeintliche Treue nur Zitat, ansonsten ist GENISYS ganz und gar aus dem 21. Jahrhundert: Sarah Connor ist nicht mehr Linda Hamiltons grobschlächtige Waitress, sondern das niedliche Gesicht von GAME OF THRONES-Star Emilia Clarke über einer Lara-Croft-Gestalt; der erste gefährliche Terminator kommt in einem gummiartigen asiatischen Menschenkörper daher, und Skynet tarnt sich als gigantisches Cloud-Projekt „Genisys“, das wenige Tage nach Ankunft unserer Helden an den Start gehen soll und alle mit allen und allem vernetzen soll (der Countdown zu diesem Judgment Day 2.0 ist immerhin eine ganz hübsche Verknüpfung von Genre-Anforderungen mit den Eventhypes um die Enthüllung neuer digitaler Produkte).

Den Zeit- und Plotlöchern genauer auf den Grund zu gehen lohnt dann aber gar nicht so richtig, dafür mutet GENISYS bald zu beliebig an. Zwischen den Zeitreisen und den ausführlichen Erklärungen, in welcher Vergangenheit oder Zukunft nun noch was geschehen wird, schon geschehen ist oder geschehen sein wird, ballert man sich durch eine größtenteils sterile 3D-Welt, die weder als konstruierter Raum noch in den entfesselten Visual-Effects-Momenten – wenn etwa ein Schulbus von der Golden Gate Bridge runterhängt – wirklich begeistert. Trotz Zeitreisen-Theorie ging’s beim Krieg zwischen Mensch und Maschine ja immer noch um Physik und Materie, den Stellvertreter-Kampf zwischen Körpern um eine Zukunft. Endgültig im 3D-CGI-Zeitalter angekommen, muten die Neufassungen der Verfolgungsjagden und Zerstörungsversuche des Unzerstörbaren nun merkwürdig anachronistisch an. Neu und obsolet.

terminator-genisys So ist man nach dem eher stupiden Post-Judgment-Day-Kriegsfilm TERMINATOR: SALVATION (2009) zwar ein bisschen froh drüber, dass es hier zeitlogisch mal wieder in die Vollen geht, doch liegt im nicht mehr genießend paradoxen, sondern rechthaberisch komplexen Überbau wohl auch das Hauptproblem von GENISYS. Der vermeintliche Verrat an den Prämissen des Vorgängers ist ja per se nicht schlimm, doch sind mit dem selbstbewussten Zeitlinien-Gemixe eben nicht nur inhaltliche, sondern auch atmosphärische Konsequenzen verbunden. Die existenzielle Melancholie des Endlichen, die wenigstens die ersten TERMINATOR-Filme beschworen – dieses menschlich-irrige „The Future Is Not Written“, das sich so störrisch wie vergebens dem „Judgment Day Will Come“ entgegenstellte – ist endgültig der Langeweile des Unendlichen gewichen. Vielleicht ist so ein Timetravel-Freifahrtschein nötig, wenn man mal wieder ganz bescheiden von vornherein eine neue Trilogie plant. Da wird man die ein oder andere „alternate timeline“ sicher noch gebrauchen können.

Erschienen auf Critic.de

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Terminator Genisys, USA 2015, Regie: Alan Taylor | Buch: Laeta Kalogridis, Patrick Lussier | Mit: Arnold Schwarzenegger, Jason Clarke, Emilia Clarke, Jai Courtney, Byung-hun Lee, u.a. | Laufzeit: 126 Min. | Verleih: Paramount