Von Bodo Traber
Ein Horrorklassiker wird vorgelegt; keiner jedoch jener Art, die jeder kennt oder die es gar in den Kreis filmhistorischer Anerkennung über die Genregrenzen hinaus geschafft hat, sondern ein heimlicher Klassiker, der ikonisch für die späte Blütezeit des europäischen Horrorfilms stehen kann und sich seine Wucht über die Jahre hinweg bewahren konnte. Der vielfach indes übel beleumdete EL ESPANTO SURGE DE LA TUMBA (BLUTMESSE FÜR DEN TEUFEL) erscheint als 5. Beitrag der bemerkenswerten Subkultur-Reihe „Legacy of a Wolfman“, die dem Oeuvre des spanischen Schauspielers, Autors und späteren Regisseurs Paul Naschy (Jacinto Molina Alvarez) gewidmet ist, war einer der ersten Paul-Naschy-Filme außerhalb des berühmten Zyklus um den Wolfsmenschen „Waldemar Daninsky“ und wie viele davon umranken auch diesen Legenden: Dass Naschy, der als Autor mit seinem wirklichen Namen Jacinto Molina zeichnete, über Nacht ein Drehbuch liefern musste, weil sonst der Finanzier abgesprungen wäre. Dass sein Freund Leon Klimovsky nicht für die Regie zur Verfügung stand und dessen Assistent Carlos Aured die Gelegenheit zum Debut freudig ergriff.
Aureds Konzeption des Einbruchs böser Mächte in die sich immer mehr zum Alptraum wandelnde Wirklichkeit der Protagonisten unterscheidet sich merklich vom delirierenden Stil Klimovskys, dessen LA NOCHE DE WALPURGIS etwa oftmals an die tranceartige Traumwelt der Edgar-Allen-Poe-Filme Roger Cormans erinnerte. Dem stellt Aured eine düstere, realistische Drastik entgegen, die wenig im Ätherischen lässt und dennoch nicht ohne visuelle Poesie bleibt. Gerade die sorgfältige Quadrage und präzise Spannungsdramaturgie geben diesem Film eine eigene, deutlich morbidere Atmosphäre, etwa wenn man in der Ferne im Mondlicht einige schemenhafte Gestalten durch den See waten sieht, die sich erst in der nächsten Szene als lebende Tote erweisen. Dann wechselt der Film zu jener bedrängenden Eindringlichkeit, die schon die einleitende Hinrichtung als Register vorgegeben hat; der Schock über den fehlenden Schnitt, das nicht gewährte Wegsehen im Moment bestialischer Gewalt wird zum Stilmittel, rückte Aureds Erstling jedoch zusammen mit seinen vielen Großaufnahmen nackter Körper (wehrloser wie bedrohlicher) in der damaligen Rezeption näher ans spekulative Schmuddelkino als die Daninsky-Filme. (Unter dem Bonusmaterial finden sich die alternativen Szenen mit bekleideten Darstellern, die für den spanischen Kinoeinsatz eingefügt werden mussten.)
Ein weiterer Höhepunkt in dieser beispielhaften Reihe, als DVD/Blu-ray-Combo, in adäquater Qualität, die zudem eine Wiederbegegnung mit der deutschen Synchronisation erlaubt, die damals Arnold Marquis auf Paul Naschy in der Rolle des Alaric präsentierte und so frisch klingt wie vor vierzig Jahren in hiesigen Kinos. Die Original-Tonspur des, wie man hört, aus Spanien gelieferten Masters ist leider nicht ganz so gut ausgefallen. Als Beilagen kommen außerdem die deutsche Super-8-Fassung, die für sich schon ein Erlebnis ist, und ein außerordentlich lesenswertes Booklet von David Renske, das EL ESPANTO mit großer Kenntnis in Naschys Oeuvre einbettet. Als nächster Beitrag ist DIE TODESKRALLE DES GRAUSAMEN WOLFES angekündigt. Da wird die Sammlerbox bald voll sein.
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El Espanto surge de la tumba, Spanien 1972, R: Carlos Aured, D: Paul Naschy, Emma Cohen, Vic Winner, Helga Line, Betsabe Ruiz, Julio Pena, Cristina Suriani, u.a.
Anbieter: Subkultur Entertainment