Von Rudi Specht
Kotka ist eine kleine, im Finnischen Meerbusen gelegene Hafenstadt im Süden des Landes, in dem HEART OF A LION gedreht wurde. Die etwas mehr als 54.000 Einwohner sind hier das ganze Jahr über einem eher trostlosen und kühlen Wetter ausgesetzt.
Etwas trostlos und kühl kommt denn auch HEART OF A LION daher, wobei die erzählte Geschichte grundsätzlich eine sehr interessante sein könnte. Der arbeitslose Neonazi Teppo, gespielt von dem bereits mehrfach mit dem finnischen Filmpreis ausgezeichneten Peter Franzén, verliebt sich Hals über Kopf in die Kellnerin Sari (Laura Birn), mit der er die Nacht verbringt. Nachdem Sari am Morgen danach eine Tätowierung auf seiner Brust findet, die den finnischen Löwen, das Wappentier Finnlands, mit einem Hakenkreuz darstellt, wirft sie ihn ohne große Worte aus ihrem Haus. Sari hat nämlich aus einer vorhergehenden Beziehung mit einem Mann afrikanischer Herkunft einen dunkelhäutigen Sohn, Rhamadhani. Aus Liebe zu Sari beschließt Teppo aber, den Jungen als seinen eigenen Sohn zu akzeptieren, und ist somit gezwungen, sein rassistisches Weltbild und seine Beziehung zu seinen nationalsozialistischen Freunden zu überdenken.
So weit, so gut. Bis zu diesem Punkt funktioniert der Film auch ohne Weiteres, weist eine klare Linie auf und lässt den Spannungsbogen langsam ansteigen. Zwar bleiben die Charaktere stets an der Oberfläche, wirken zweidimensional und es fällt schwer, eine Figur zu finden, mit der sich der Zuschauer identifizieren könnte, aber die Thematik regt zum Nachdenken an und der Film schafft es, eine gewisse, typisch skandinavische Stimmung zu generieren. Allerdings gelingt es ihm nicht, ab dem ersten Aufeinandertreffen Teppos und Rhamadhanis diese Stimmung aufrecht zu erhalten. Zu abstrus werden die Szenarien, zu absurd schreitet die Geschichte voran, zu wenig nachvollziehbar sind die Motive der Protagonisten. Auch kommt es zu merkwürdigen Situationen, in denen man sich nicht sicher sein kann, ob man nur eine falsche Vorstellung von finnischem Humor hat oder das Gesehene einfach nur albern ist. So bietet Teppo beim Erstkontakt seinem möglichen Ziehsohn eine Banane an, wenngleich er dies auch sofort mit den Worten kommentiert, dass dies doch nicht so gemeint sei. Da darf man schon mal verstört reagieren. Oder wenn eine Gruppe von Eltern mit Baseballschlägern bewaffnet in Saris und Teppos Haus eindringt und um sich schlägt, um ein T-Shirt zurückzufordern, das Teppo einem Schüler als Ersatz für die zerrissene Oberbekleidung Rhamadhanis abgenommen hatte.
Im weiteren Verlauf versucht Rhamadhani seinen kahlköpfigen Ersatzvater umzubringen, zuerst mit einem Stromschlag im Keller, danach mit vergiftetem Essen, welches aber irrtümlicherweise die liebe Frau Mama zu sich nimmt und im Krankenhaus landet. Dort wird festgestellt, dass sie trotz Verhütung ein weiteres Mal schwanger geworden ist und nun Teppos, vermutlich ebenfalls kahlköpfiges, Ungeborenes in sich trägt. Teppo und Rahmadhani bauen ihre Beziehung zueinander weiter aus, bis der noch rechtsextremere Bruder Teppos Harri bei ihnen einzieht, da er unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde. Das aber nicht, ohne zwei Handgranaten zu entwenden, mit denen er zuerst Rhamadhanis leiblichen, ebenfalls dunkelhäutigen Vater mitsamt Stuttgarter Sportwagen in die Luft sprengt, um sich dann selbst in einem einsamen Toilettenhäuschen auf freiem Felde gen finnischem Himmel zu befördern. Puh…starker Tobak.
Alles in allem ist der Film ganz sehenswert, auch wenn er nicht an die vorherigen Erfolge des finnischen Regisseurs Dome Karukoski anknüpfen kann, zu denen auch das fantastische Roadmovie HELDEN DES POLARKREISES aus dem Jahre 2010 gehört. Die Kameraarbeit Henri Blombergs ist solide, wenn auch nicht herausragend, die Musik gefällig, das Schauspielensemble sogar ganz hervorragend, allen voran der in Helsinki geborene Jasper Pääkkönen, der Teppos Bruder Harri mimt. Doch reichen die schauspielerischen Leistungen nicht aus, um die flachen Charaktere und das doch recht schwache Drehbuch dieses Films auszugleichen, der es zwar durchaus schafft, zum Nachdenken anzuregen, aber keinerlei langfristigen Eindruck hinterlässt.. Dafür lotet er einfach nicht tief genug.
HEART OF A LION kann man sich auf jeden Fall ansehen…aber man muss es nicht zwangsläufig.
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Heart Of A Lion, Finnland 2013, R: Dome Karukoski, D: Peter Franzén, Laura Birn, Jasper Pääkkönen, Yusufa Sidibeh, Jussi Vatanen
Anbieter: Mad Dimension