Von Matthias Künnecke
Kommt die GIALLO EDITION von FILMART auch in der stets gleichen signalgelben Covergestaltung daher (inspiriert von den Taschenbuchhüllen des italienischen Mondadori-Verlages, die dem Genre seinen Namen bescherten), ist die Filmauswahl der Reihe dennoch nach allen Seiten hin offen. Nicht nur klassische Gialli wie die an den Vorbildern Bava und Argento orientierten DER SCHWANZ DES SKORPIONS oder DER KILLER VON WIEN finden sich in der Edition, sondern auch eher an der Peripherie des Genres stehende Filme wie der wunderbar trashige DAS AUGE DES TODES, der True-Crime-Thriller NIGHT RIPPER oder gar der der an italienischen Vorbildern orientierte Kung-Fu-Krimi DER MANN MIT DEM KARATESCHLAG. Mit LIEBE UND TOD IM GARTEN DER GÖTTER kam, der Titel deutet es schon an, nun ein weiterer Film hinzu, der nicht der reinen Giallo-Lehre fröhnt.
Wild-schönes Umbrien. Ein deutscher Ornithologe mit Rauschebart mietet sich in einem leerstehenden Landhaus ein, um sich in der umliegenden Natur dem Studium der Vogelstimmen zu widmen. Allerdings drängen sich ihm schon bald ganz andere Stimmen auf, findet er doch – in einer herrlich unglaubwürdigen Szene – durch einen zufälligen Blick hinter einen Busch ein verknäultes Tonband. Neugierig geworden spielt er es ab und wird akustischer Zeuge der psychiatrischen Sitzungen einer geheimnisvollen Frau. Auch der Filmzuschauer wird Dank einer geschickten Reihe von Rückblenden in den Bann der ehemaligen Hausherrin und ihres tragischen Schicksals gezogen. Da geht es um eine unglückliche Ehe und vor allen Dingen um eine inzestuöse Bruder-Schwester-Beziehung, die im Vakuum der entlegenen Villa gedieh und ein böses Ende nahm. Erst ganz am Schluss, als es schon beinahe zu spät ist, realisiert der gebannt zuhörende Forscher, dass das Drama noch nicht sein Finale erreicht hat und er persönlich in Lebensgefahr schwebt.
Mit seiner Rückblick-Struktur entzieht sich LIEBE UND TOD IM GARTEN DER GÖTTER von vornherein der üblich gradlinigen Whodunnit-Struktur anderer Gialli und verbirgt dem Zuschauer zudem auch an keiner Stelle den Täter der nicht allzu zahlreichen Morde. Viel eher hat man es mit einem psychologischen Drama zu tun, das sich mit immer größerem Tempo auf ein bitteres Ende zubewegt und durch die verschachtelte Erzählweise einen ungewöhnlichen chronologischen Bogen schlägt. Das stilvoll-nostalgische Ambiente von Villa und Garten und der kammermusikalisch spröde Score geben dem Film einen Arthouse-Touch, auf den sicher auch der schwelgerische Filmtitel abzielt. Mit den Hauptdarstellern Erika Blanc und Peter Lee Lawrence sind vielbeschäftige Dauergäste des italienischen Genrekinos jener Jahre zugegen, Blanc eine sphinxhafte Schönheit aus zahlreichen Thrillern und phantastischen Filmen, Lawrence ein blonder Deutscher mit jungenhafter Aura, der auf eine beeindruckende Anzahl Rollen in Spaghettiwestern zurückblicken konnte. Beide spielen hier allerdings mit einer Ernsthaftigkeit und Intensität, die sie in anderen Dutzendfilmen selten zeigen konnten.
Sauro Scavolini, für den dieser Film eine seiner wenigen Regiearbeiten blieb, war ein vielbeschäftigter Drehbuchautor zahlloser Italo-Western und später diverser Filme – darunter handelsüblichere Gialli – von Regisseur Sergio Martino. Mit diesem unabhängig und offensichtlich mit kleinem Budget produzierten Film hat Sauro sich und seinem Bruder, dem Kameramann Romano Scavolini, ohne Frage den Wunsch erfüllen wollen, sich einmal künstlerisch auszuleben. In jedem Moment atmet der Film Stilwillen, nicht zuletzt durch die entfesselte Handkamera, die immer wieder ungewöhnliche Bilder einfängt. Auch wenn Regisseur und Kameramann hin und wieder etwas die Pferde durchgehen, z.B. bei den exzessiven Szenen in denen Erika Blanc mit fliegender Löwenmähne und in stylishen 70s-Klamotten durch Altstadtgassen läuft, ist der Film stets von großer Eleganz.
Die DVD von FilmArt überzeugt mit hervorragendem Bild und italienischem Originalton mit gut übersetzten deutschen Untertiteln (es gibt keinerlei weitere Sprachfassungen des Filmes). Die Extras enthalten u.a. ein ca. 10-minütiges von Uwe Huber geführtes Interview mit Erika Blanc. Huber hat die Darstellerin zwar leider nicht detailliert zum Film und seiner sicherlich interessanten Entstehungsgeschichte befragt, allerdings geht Blanc auf ihr Verhältnis zu Kollege Peter Lee Lawrence ein. Ein wie immer informativer Audiokommentar kommt von Marcus Stiglegger und Kai Naumann, der Booklettext von Christoph Draxtra steckt voller interessanter Gedanken, man sollte sich die Mühe machen, das nicht ganz einfach zu lesende Essay in Muße zu studieren.
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Amore e morte nel giardino degli dei, Italien 1972, R: Sauro Scavolini, D: Peter Lee Lawrence, Erika Blanc, Ezio Marano, Orchidea de Santis, Franz von Treuberg, u.a.
Anbieter: FilmArt