Wenn man sich anschickt, Bestien zu bekämpfen, muss man sich vorsehen, dass einen dieser Kampf nicht selbst zur Bestie macht. Wenn man in den Abgrund blickt, dann blickt der Abgrund auch in einen selbst.“ Mit diesem vorangestellten Zitat aus Friedrich Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“ beginnt DER FRAUENMÖRDER … und es erfasst nachgerade perfekt den Kern dessen, um was es geht.
Manche Menschen waren schon immer alt. Natürlich waren sie es nicht wirklich, doch in unserer Wahrnehmung setzt das Erinnern erst zu einem Zeitpunkt ein, an dem bereits jegliche Jugendlichkeit aus den Gesichtern dieser Menschen gewichen war. Das kann einem mit nahen Verwandten passieren, aber auch mit Schauspielern: John Wayne könnte man nennen, Hans Albers auch; und Leslie Nielsen natürlich. Doch auch Gary Oldman ist jemand, dem man irgendwie nicht recht glauben mag, dass vor seinem leidgeprüften Commissioner Gordon aus Christopher Nolans BATMAN-Trilogie (2005 – 2012) oder seiner tiefenwirksamen Darstellung des George Smiley in DAME, KÖNIG, AS, SPION (2011) noch etwas anderes war, als eingefallene Gesichtszüge und wie geschnitzt anmutende Lebensfalten. DER FRAUENMÖRDER gibt uns jedoch Gary Oldmans Jugendlichkeit zurück. Dass Oldman ein hervorragender Schauspieler ist und sich auch hier sukzessive in faszinierende Rage arbeitet, daran besteht wohl kein Zweifel.
Martin Campbell, der Regisseur, stimmt in diesen Moment der Erkenntnis ohne Zweifel mit hinein. Campbell, von dem hier noch keiner ahnen konnte, dass er Jahre später mit GOLDENEYE (1995) und CASINO ROYALE (2006) eines der populärsten und langandauerndsten Filmfranchises der Welt (James Bond) gleich zweimal erfolgreich wiederbeleben sollte, setzt mit DER FRAUENMÖRDER eine interessante Wegmarke im amerikanischen Thrillerkino der 1980er Jahre. In der Rückschau das Jahrzehnt des Weichzeichners, mit dem sich die pastellfarbenen Töne verschleiern – seit dem Golden-Age des alten Hollywoodsystems hatte es sowas nicht mehr gegeben – doch in den 1980ern verkam das oft zu einer etwas austauschbaren REICH-UND-SCHÖN-Ästhetik. Nicht jedoch bei Campbells FRAUENMÖRDER – zusammen mit Kameramann Philip Meheux versucht er hier einen Schulterschluss mit Brian de Palmas Giallo-Abstraktionen DRESSED TO KILL (1980) und BLOW OUT – DER TOD LÖSCHT ALLE SPUREN (1981). Tiefenscharfe Bilder, kontrastreiche Nachtaufnahmen, bewusste Auslassungen in den Bildfolgen, ständige Kamerafahrten; fast meint man in den Verfolgungs- und Tatortszenen delirierende Argento-Ideen auszumachen. Regendurchnässt-beschlagene Scheiben; orientierungslos. Große Teile des Interieurs erinnern zusätzlich an hypermoderne Dekors aus TENEBRAE (1982). Dass die Innenaufnahmen bei Gericht manchmal nicht über den Charme einer Episode von MATLOCK (1986 – 1995) hinauskommen – wen mag das stören?
Und wenn DER FRAUENMÖRDER sich endigt, bemerkt man auch, welchen Verlust wir mit dem Tode Jerry Goldsmiths zu beweinen haben. Jenem weißhaarigen Zopfträger, der wusste wie es auf dem PLANET DER AFFEN (1968) ‚klingt‘. Seine Synthesizerlinien sind angeschrägt, die Streicher flirren leise – DER FRAUENMÖRDER lässt sich in Stimmen beschreiben. Am Schluss erklingt das schwermütige Solopiano ein letztes Mal, kein Akkord ist wie der andere; es lässt uns bewusst suchend und wehmütig zurück, blinzelt uns entgegen aus dem Abgrund der Seele. Und es lässt erahnen, dass es Filme wie dieser sind, die Gary Oldman zu jenem alten Mann gemacht haben, den wir heute kennen.
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Criminal Law, US 1988, R: Martin Campbell, D: Gary Oldman, Kevin Bacon, Tess Harper, Karen Young, Joe Don Baker, Michael Sinelnikoff
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